In Ausnahmesituationen Halt geben
Wenn Menschen Schreckliches erleben: So hilft die Notfallversorgung im Landkreis Rosenheim in Krisen
Wenn Menschen aus der Normalität gerissen werden, sind sie da: Die Experten der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Zwei der fünf Leiter der Krisenintervention, Ralph Bernatzky und Peter Peischl, kommen aus dem Wasserburger Land. Wie sie Menschen in Krisenzeiten unterstützen.
Wasserburg – Wenn Menschen abrupt aus der Normalität gerissen werden und Schreckliches erleben, werden sie alarmiert: die Experten der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Peter Peischl, Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Wasserburg, und der gelernte Kinderkrankenpfleger und derzeitige Vertriebsbeauftragte für Software, Ralph Bernatzky aus Amerang sind schon lange in diesem Bereich tätig. Sie wurden nach entsprechender Fortbildung kürzlich auch als Einsatzleiter im Landkreis Rosenheim bestellt.
Grund genug, sie zu ihrem Aufgabenfeld näher zu befragen. Denn nicht nur bei großen Unglücken, wie in der Vergangenheit dem Zugunglück in Bad Aibling oder dem Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall, kommen die Fachkräfte der Psychosozialen Notfallversorgung zum Einsatz. Auch bei Verkehrsunfällen oder Todesfällen innerhalb der Familie stehen sie Angehörigen, Ersthelfern, Hinterbliebenen oder Augenzeugen zur Seite. Sie versuchen zu helfen, indem sie da sind, zuhören, Informationen einholen, Hilfe organisieren, Angehörige informieren und einfach wieder Strukturen schaffen. Dabei heißt es, die Betroffenen selbst weitmöglichst den Takt angeben zu lassen, Zeit zu haben, einen sicheren Raum zu schaffen für erste Schritte in eine neue, andere, fremde Normalität. Das ist nicht planbar, die Begleitung im Prozess ergibt sich aus den Notwendigkeiten, so Peter Peischl.
Arbeitskreis besteht seit 2019
Die Arbeitsgemeinschaft Psychosoziale Notfallversorgung gibt es in dieser Form bei Kriseninterventionen allerdings noch nicht so lange. Die Ursprünge gehen auf ein Schreiben des Innenministeriums von 2019 zurück. Damals sollten alle Beteiligten auf freiwilliger Basis an einen Tisch geholt werden, was schließlich Ende 2021 konkret umgesetzt werden konnte. Ralph Bernatzky und Peter Peischl gehören dabei inzwischen zu den „alten Hasen“. Bernatzky absolvierte bereits 2002 den ersten Fachlehrgang in Kriseninterventionshilfe, inzwischen ist er im Johanniter-Team aktiv. Peter Peischl ist sogar schon seit 1994 als Notfallseelsorger tätig, seit 2017 nimmt er im Dekanat Rosenheim diese Aufgabe wahr. Beide sind auch als Feuerwehrler tätig, Peischl ist zusätzlich noch in der BRK-Bereitschaft Wasserburg aktiv.
Für Bernatzky war der Eintritt in die Krisenintervention eine konsequente Weiterentwicklung im Ehrenamt. Einerseits aufgrund ehrenamtlicher Tätigkeit im Rettungsdienst und bei der Feuerwehr andererseits aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Für Peischl war die Aufgabe, Menschen in Not beizustehen und sie zu begleiten, zudem auch immer schon der Auftrag der Kirche, was ihn bewog bereits 1994 die Notfallseelsorge im Landkreis Hof mit aufzubauen.
Über 30 Ehrenamtliche aktiv
Knapp 15 Personen, Hauptamtliche und Ehrenamtliche beteiligen sich derzeit im Rosenheimer Raum an den Bereitschaften, bestätigt Peter Peischl. Dazu kommen gut 10 Personen, die auch die Ausbildung zum Notfallseelsorger oder zur Notfallseelsorgerin haben, aber aus beruflichen Gründen nicht so intensiv mitarbeiten können. Das Kriseninterventionsteam der Johanniter-Unfall-Hilfe im Ortsverband Oberbayern Südost umfasst aktuell 23 Helfende, davon sind zehn Fachkräfte, zehn weitere haben einen abgeschlossenen Fachlehrgang, so Ralph Bernatzky. „Wir werden bei bestimmten Meldebildern direkt von der Leitstelle Rosenheim alarmiert. Die psychosoziale Akuthilfe wird von den Einsatzkräften angefordert. Bei bestimmten Einsatzstichworten, wo von vorne herein mit Betroffenen zu rechnen ist, gibt es auch eine automatische Alarmierung“, erklären beide.
Mit hohem Respekt sehen sie auch ihre neue Aufgabe mit nun noch höherer Verantwortung als Einsatzleiter. Eine gute Ausbildung und Übung sowie die früheren Erfahrungen bei Großschadenslagen helfen ihnen dabei. Sie stellen sich aber auch gerne weiteren Herausforderungen. „Das Wissen, was Menschen in Krisen hilft, ist Jahrhunderte alt“, beantwortet Pfarrer Peischl die Frage wie man sich vorstellen müsse, wie man Menschen in Ausnahmesituationen wieder handlungsfähig machen könne und er beruft sich dabei auf alte Psalmen. Oft würden dazu schon kleine Hinweise und Unterstützungen reichen, um eine Selbstwirksamkeit wiederherzustellen“, erklärt Bernatzky. Ziel sei jedenfalls, dass die begleiteten Personen merkten: Auch in herausfordernden Situationen kann ich etwas für mich tun. „Uns helfen deshalb immer möglichst viele Informationen über das Geschehen vor Ort.“ Doch es gebe auch Herausforderungen, gibt Bernatzky zu, oft beginne es schon damit, an den Einsatzort zu gelangen. „Wir fahren ohne Blaulicht und Martinshorn“, sagt er. „Vor Ort ist es dann gut, wenn man sich kennt“, ergänzt Peischl.