Wasserburgerin im Dauerstress
„Zwei Minuten zum Socken anziehen“: So sieht Svetlana Haufs Berufsalltag in der Pflege aus
Fachkräftemangel, Bürokratie, strikte Zeitvorgaben: Svetlana Hauf ist Inhaberin des Wasserburger Pflegedienstes Hauf. Sie hat täglich mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wie ihr Arbeitsalltag aussieht und warum es trotzdem ihr Traumberuf ist.
Wasserburg – Das Leben von Svetlana Hauf, manchmal ist es wenig planbar. 14 Uhr war der Termin mit der Wasserburger Zeitung und wasserburg24.de ausgemacht. Dann ist die Vormittagsrunde von Hauf, Inhaberin des Pflegedienstes Hauf, eigentlich vorbei. Perfekte Zeit für einen Termin, doch sie kommt eine halbe Stunde zu spät. Zwei ihrer Mitarbeiterinnen seien plötzlich ausgefallen, sagt sie, als sie etwas außer Atem in der Redaktion ankommt. Sie habe bei der Tour einspringen müssen. „Jetzt muss ich noch die Dienstpläne für die nächste Woche umschreiben“, sagt Hauf. „Ich muss schauen, wie wir das jetzt machen.“
32 Mitarbeiter hat Hauf, täglich versorgen sie einmal abends und morgens zwölf bis achtzehn Patienten jeweils rund um Wasserburg und Ebersberg. Hinzu kommen noch 15 Personen, die täglich in der Tagespflege betreut werden. Wie alle Anbieter im Bereich Pflege leidet auch Hauf mit ihrem Dienst unter Fachkräftemangel. Nachwuchs gebe es wenig, das merke auch sie. Für Hauf aber ein viel größeres Problem: Die wachsende Bürokratie und die strikten Regeln in der ambulanten Pflege.
In ihrer Arbeit sei alles zeitlich vorgeschrieben. Zwei Minuten habe sie zum Beispiel, um einem Patienten Socken anzuziehen. So will es der Gesetzgeber. „Da ist es egal, ob es dem Patienten an dem Tag schlecht geht“, sagt Hauf. „Es wird nicht gesehen, dass wir uns anpassen müssen.“ Manchmal verzweifle sie daran und an der Bürokratie, die immer mehr Zeit und Platz einnehme.
Zwischenglied zwischen Krankenkasse und betroffenen Familien
Wie zum Beweis ruft mitten im Gespräch eine Mitarbeiterin des Medizinischen Dienstes (MD) an. Ein Patient von Hauf hat einen höheren Pflegegrad beantragt. Ein Gespräch mit der pflegenden Angehörigen und ihm habe bereits stattgefunden, doch es sind noch Fragen offen. Ein Medikament ist im Plan aufgeführt, wird das tatsächlich gegeben? Weder der Patient noch die Angehörige wussten das. Inwiefern kann sich der Patient wirklich noch selbst anziehen? Er hatte angegeben, alles kein Problem. Doch die Mitarbeiterin vom MD hat da so ihre Zweifel.
Hauf muss aushelfen, denn auch dafür ist sie zuständig. Als Zwischenglied zwischen Krankenkasse und betroffenen Familien telefoniert sie, gibt Hilfestellung, auch gegenüber den Familien, die oft überfordert seien mit dem Antrags-Dschungel. Eine halbe Stunde dauert das Gespräch. Hauf ist am Ende zufrieden. „Das war eine der Guten“, sagt sie. Heißt: Die Mitarbeiterin vom MD sei gewillt, ihr zuzuhören und wolle die bestmögliche Pflege für den Betroffenen herausholen.
Diskussionen mit den Krankenkassen
Nicht immer sei alles so einfach. Auch das mache die Arbeit schwer, lasse die Bürokratie wachsen. Sie erzählt von einem Fall, bei dem sie ein übergroßes Bett für eine adipöse Patientin beantragt habe. „Es ist nur schwer möglich, die Person in einem normalen Pflegebett zu drehen“, sagt Hauf. Auf Dauer könne sie das ihren Mitarbeitern nicht zumuten. Die Krankenkasse wollte das Bett aber partout nicht genehmigen. Stundenlang habe sie telefoniert und gestritten. Am Ende habe sie die Pflege verweigert, die Frau musste im Krankenhaus bleiben. Erst dann habe die Krankenkasse eingelenkt. Für Hauf völlig unverständlich. „Ich beantrage doch nichts aus Spaß“, sagt sie. „Wir brauchen dieses Bett.“
Und dennoch, trotz aller Problematik: Hauf möchte ihren Beruf nicht missen. Für die Ausbildung zur Altenpflegerin sei sie vor über zwanzig Jahren extra von Russland nach Deutschland gezogen. Der Umgang mit dem Menschen mache ihr nach wie vor Spaß. Vor allem die ambulante Pflege sei dabei ihr Traum. „Niemand redet einem rein, man ist alleine im Auto, da ist kein Chef, der einem ständig über die Schulter schaut“, sagt sie. Sie genieße das und auch die Flexibilität. Wenn andere gerade erst ihre Schicht beginnen, habe sie oft schon längst Feierabend. Sie könne den Beruf deshalb nur jedem empfehlen, trotz aller Schwierigkeiten.