Behörden-Wahnsinn um Asylbewerber aus Wasserburg
„Wahnwitzig“: Wie Kollegen die Abschiebung von Fred Sendikadiwa verhindern wollen
Nicolaj Griesl versteht die Welt nicht mehr: Sein geschätzter Kollege Fred Sendikadiwa soll zum 1. März abgeschoben werden. Wie Griesl für den 41-Jährigen kämpft und warum dem in Uganda geborenen Mann trotz festem Einkommen überhaupt die Abschiebung droht.
Wasserburg – Fred Sendikadiwa ist verzweifelt. „Ich kann nicht mehr schlafen“, sagt der 41-Jährige. Seit fünf Jahren lebt der in Uganda geborene Mann in Deutschland. Seit vier Jahren arbeitet er beim Kolbermoorer Textilunternehmen Stangelmayer, das sich unter anderem um die Wäscherei im kbo Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg kümmert. Durch diesen Job und durch seine zweite Beschäftigung bei McDonalds in Wasserburg hat er ein stabiles Einkommen, dennoch soll Sendikadiwa zum 1. März das Land verlassen. „Ich verstehe das nicht. Ich arbeite. Ich bezahle meine Rechnungen. Ich möchte hierbleiben.“
80 Unterschriften gegen die Abschiebung gesammelt
Sendikadiwa ist nicht der einzige, der es nicht versteht. Auch im Unternehmen Stangelmayer selbst stößt der Vorstoß des Landratsamts Rosenheim auf Kritik. Nicolaj Griesl, einer der Verantwortlichen für die Wäscherei in Gabersee, hat deshalb sogar eine Unterschriftenaktion in der Firma gestartet. 80 Kollegen haben inzwischen unterschrieben. „Bei uns war das ein richtiger Schock“, sagt Griesl. „Fred ist ein guter Kollege. Er ist nett, nie krank, arbeitet hart.“ Für Griesl ist es völlig unverständlich, warum ausgerechnet Sandikadiwa abgeschoben werden soll.
Die einzige Chance: Nachdem sein Asylantrag abgelehnt wurde, muss er einen Ausbildungsvertrag vorweisen. Bis zum 1. März soll dieser Vertrag der Behörde vorliegen, so steht es in dem Schreiben des Landratsamts, das Sendikadiwa der Redaktion vorlegt. Griesl hat sich daraufhin für seinen geschätzten Kollegen eingesetzt, hat einen Ausbildungsvertrag zum Textilreiniger erwirkt. „Er müsste in Kolbermoor anfangen, weil wir in Wasserburg zu wenig Ausbilder haben“, erzählt Griesl. Für den Geflüchteten kein Problem, er würde auch in Kolbermoor arbeiten, versichert er. Solange er bleiben darf.
Trotz Ausbildungsvertrag muss er zunächst zurück nach Uganda
Doch es gibt ein weiteres Problem: Die Behörden verlangen dennoch, dass Sendikadiwa Deutschland verlässt. Er soll nach Uganda ausreisen, dort mit einem Ausbildungsvertrag ein Visum beantragen und dann zurück nach Deutschland. All das bestenfalls bis zum 1. März. Der Brief, in dem dieses Vorgehen erklärt wird, ist auf den 30. Januar datiert. „Ich wurde nicht vorgewarnt“, sagt Sendikadiwa, erst durch das Schreiben habe er von seiner Situation erfahren. Der Wasserburger ist schockiert. „Innerhalb eines Monats bekomme ich kein Visum“, sagt Sendikadiwa. Auch Griesl hat wenig Verständnis für diese kurze Frist. „Das ist wahnwitzig“, sagt er. „In Uganda herrscht massive Korruption, wie soll er innerhalb von einem Monat die erforderlichen Papiere bekommen?“, fragt er. „Und warum kann unser Kollege nicht einfach zum Konsulat nach München fahren und dort das Visum beantragen?“
Zumal, gibt Sendikadiwa zu, er sich finanziell eine Flugreise nach Uganda nicht leisten könne. Das Geld, das für ihn übrigbleibe, schicke er regelmäßig zu seiner Frau und den drei Kindern, die immer noch im Heimatland leben würden. Er selbst fühlt sich in Uganda nicht mehr sicher. „Es gibt eine Person dort, die mir mit dem Tod droht, deshalb bin ich geflohen“, sagt er.
Das sagt das Landratsamt
Auf Anfrage erklärt das Landratsamt Rosenheim, dass einem abgelehnten Asylbewerber grundsätzlich nur dann eine Aufenthaltserlaubnis vor der Ausreise erteilt werden dürfe, wenn es sich um eine Erlaubnis aus humanitären Gründen handele oder er einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe. „Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung“, stellt Simone Beigel, Pressesprecherin des Landratsamts, fest. Um einem abgelehnten Asylbewerber also eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung zu erteilen, müsse dieser aus- und mit einem entsprechenden Visum wieder in das Bundesgebiet einreisen. Verantwortlich für die Visumserteilung seien die deutschen Auslandsvertretungen im Ausland. „Grundsätzlich ist immer die Auslandsvertretung im Heimatland der betroffenen Person zuständig“, so Beigel. Hintergrund dessen sei, dass der Bundesgesetzgeber an der strikten Trennung von Asyl- und Erwerbsmigration festhalte.
„Der Bundesgesetzgeber sieht zwei Wege vor, um dauerhaft nach Deutschland zu kommen: den Weg der Geltendmachung humanitärer Gründe (Asylgründe, Verfolgung im Heimatland oder ähnliches) und den Weg der Arbeitsmigration, weil man in Deutschland arbeiten will“, erklärt Beigel. „Während Personen, die für die Arbeitsmigration nach Deutschland kommen, grundsätzlich im Rahmen des hierfür festgesetzten Visumverfahrens bestimmte Voraussetzungen nachweisen müssen – insbesondere Lebensunterhaltssicherung, Identitätsklärung, Passvorlage, Arbeitsvertrag – trifft Asylbewerber diese Nachweispflicht nicht.“ Aus diesem Grund müssten Ausländer, deren Asylantrag abgelehnt wurde, diese Prüfungsschritte im Visumverfahren nachholen, wenn sie aus Gründen der Arbeitsmigration in Deutschland leben möchten. „Andernfalls würden Asylgründe nur vorgeschoben, um dann in Deutschland in die Arbeitsmigration zu wechseln“, so Beigel.
Zur kurzen Frist, die dem Asylbewerber gestellt wurde, erklärt die Pressesprecherin folgendes: „Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Asylantrag ablehnt, muss in dieser Entscheidung auch eine Ausreiseaufforderung und Abschiebeandrohung mit erlassen werden. Hierbei kann eine Frist von sieben bis 30 Tagen zur freiwilligen Ausreise bestimmt werden.“ Das Bundesamt gewähre bei einer „normalen“ Asylantragsablehnung immer 30 Tage zur freiwilligen Ausreise. Sollte der Asylbewerber dieser sogenannten Ausreiseaufforderung in der bestimmten Frist nicht nachkommen, könne er abgeschoben werden. „Die Ausländerbehörden sind gesetzlich verpflichtet, nach dieser Zeit die Aufenthaltsbeendigung zu betreiben und gegebenenfalls in Form der Abschiebung durchzusetzen.“
Ausreisepflichtige Asylbewerber würden von der Ausländerbehörde des Landratsamtes Rosenheim nach Erhalt des Bescheids vom BAMF grundsätzlich nochmals in einem persönlichen Gespräch über ihre Situation informiert. „In diesen Gesprächen findet eine ausländerrechtliche Beratung statt, in welchen den Betroffenen ihre Möglichkeiten erläutert werden. Denn es gilt der Vorrang der freiwilligen Ausreise, welche das Landratsamt Rosenheim ebenfalls anstrebt“, erläutert Beigel. Zusätzlich werde den Betroffenen angeraten, sich an die Zentrale Rückkehrberatung in Mühldorf (ZRB) zu wenden. Die Zentrale Rückkehrberatung biete weitere und vor allem tiefgreifendere Beratungs-, Planungs- und Förderhilfe im Bereich Rückkehr von Asylbewerbern an. Außerdem sei die Beratung durch die ZRB auch unter dem Aspekt sinnvoll, dass sie nicht durch die mit der Aufenthaltsbeendigung vertrauten Behörde und damit unabhängig stattfinde.