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Textilservice Stangelmayer schreibt Erfolgsgeschichten

„Ohne ausländische Fachkräfte kein Wachstum“: Wie Integration in Kolbermoor funktioniert

Erfolgreiche Integrationsgeschichten schreibt das Kolbermoorer Familienunternehmen Stangelmayer: (von links) Mohamad Suleman und Mohamad Ibrahimi kamen als Asylbewerber nach Deutschland und stärken schon seit Jahren das Team von Gerhard Stangelmayer. Heute programmieren sie die Abläufe im Trockenwäschebereich.
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Erfolgreiche Integrationsgeschichten schreibt das Kolbermoorer Familienunternehmen Stangelmayer: (von links) Muhammad Suleman und Mohamad Ibrahimi kamen als Asylbewerber nach Deutschland und stärken schon seit Jahren das Team von Gerhard Stangelmayer. Heute steuern sie die Abläufe im Trockenwäschebereich.

Integration durch Arbeit funktioniert. Das lebt ein Kolbermoorer Textilservice seit Jahren vor. Menschen aus 39 Nationen gehören zur „Familie“. Wie ihr harmonisches Zusammenarbeiten und -leben funktioniert.

Kolbermoor – „Bei uns ist jeder ein Stangelmayer, egal woher er kommt. Wir sind eine große Gemeinschaft“, sagen Arnulf und Gerhard Stangelmayer. Menschen aus 39 Nationen gehören zu ihrem Familienunternehmen. Die Textilservice Stangelmayer GmbH, die 1965 als kleiner Wäschereibetrieb begann, bearbeitet heute bis zu 86 Tonnen Wäsche und Berufsbekleidung täglich – für Hotels, Gastronomie, Gesundheitswesen, Pflege, Industrie und Handwerk. „Ohne ausländische Arbeitskräfte wäre dieses Wachstum gar nicht möglich gewesen“, betonen die Geschäftsführer. „60 Prozent unserer Belegschaft haben einen Migrationshintergrund“, informiert Heidi Helmberger. Sie kennt als stellvertretende Geschäftsführerin und Personalchefin jeden Mitarbeiter und seine Sorgen. Bezahlbarer Wohnraum ist eine davon.

Firma mietet Häuser für Mitarbeiter an

„Wir haben zwei Häuser als Wohngemeinschaften für 20 Mitarbeiter eingerichtet. Dort kümmern wir uns auch darum, dass das Zusammenleben verschiedener Nationalitäten klappt“, erläutert sie. Eines der Häuser wurde im vergangenen Jahr Flüchtlingen aus der Ukraine zur Verfügung gestellt, die als neue Mitarbeiter sofort ins Unternehmen integriert wurden.

In der Sommer-Hochsaison unterstützen 33 mazedonische Studenten das Stangelmayer-Team. „Glücklicherweise haben wir auch für sie eine geeignete Unterkunft gefunden“, beschreibt Helmberger die ständige Suche nach Wohnraum für neue Mitarbeiter.

Auch Asylbewerber gehören zum Team

In der Corona-Pandemie war der Mangel an Personal besonders groß. „Da fehlten uns bis zu 90 Kollegen“, erinnert sich Gerhard Stangelmayer. Dank der Menschen aus 39 Nationen hat sich die Lage wieder entspannt. „Trotzdem sind immer noch etwa 25 Stellen vakant.“

Zur Belegschaft gehören auch 40 Asylbewerber. „Sie dürfen arbeiten, wenn das Arbeitsamt bestätigt, dass kein Arbeitsloser Anspruch auf diesen Arbeitsplatz erhebt“, erklärt Helmberger die rechtliche Grundlage. Trotzdem ist die Personalakquise schwierig. „Wir sind ein modernes Produktionsunternehmen, aber die Dienstleistungsbranche hat aufgrund der körperlich anstrengenden Arbeit kein gutes Image“, weiß die Personalchefin.

Weg in neues Leben ebnen

EU-Ausländer und Asylbewerber dagegen packen gern an. Junge Männer aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, Sudan und anderen afrikanischen Staaten arbeiten im Stangelmayer-Team. „Sie sind zuverlässig. Mit ihnen gibt es keine Probleme“, sagt Helmberger, denn die Erfahrung zeigt, „dass es das Beste ist, die Menschen schnell zu integrieren und ihnen mit Arbeit den Start in ein neues normales Leben zu ermöglichen“.

Wenn Arbeitskräfte „umverteilt“ werden

Viele der Flüchtlinge wohnen noch in Gemeinschaftsunterkünften, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Dass das Bad Aiblinger Asylbewerberheim im vergangenen Jahr für ukrainische Kriegsflüchtlinge „geräumt“ wurde, stellte das Unternehmen vor neue Probleme. „Damit haben wir Mitarbeiter verloren, die nach Samerberg oder Prutting umverteilt wurden und jetzt keine Möglichkeit mehr haben, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu kommen“, kritisiert Helmberger.

Firma schreibt Integrationsgeschichten

Die Firma Stangelmayer hat viele Integrationsgeschichten mitgeschrieben. „Wir sind ein Familienunternehmen und da geht es in erster Linie um den Menschen“, erklärt Gerhard Stangelmayer. Mohamad Ibrahimi (58) gehört schon seit 22 Jahren zur „Familie“. Nach einer beschwerlichen Flucht aus Kabul und der Suche nach einer Zukunft kam er im Jahr 2000 mit seiner Frau und den vier Kindern in Deutschland an. Schon ein Jahr später sortierte der studierte Radioelektroniker, der in seiner Heimat zuletzt im afghanischen Ministerium für Telekommunikation arbeitete, im Kolbermoorer Textilservice Wäsche.

Menschen einen sinnvollen Lebensinhalt zu geben, ist das Credo von Personalchefin Heidi Helmberger (rechts). Dazu gehört es auch, für die Mitarbeiter ein offenes Ohr zu haben. Mohamad Ibrahimi (links) ist dafür unendlich dankbar. Er ist schon seit 22 Jahren im Unternehmen.

„Ich bin seit dem 26. November 2001 hier“, weiß der 58-Jährige noch auf den Tag genau. „Inzwischen habe ich alle Bereiche der Produktion kennengelernt, bin Maschinenführer und kann mein Wissen an junge Kollegen weitergeben“, beschreibt er seinen beruflichen Werdegang. Seine Frau – in der Heimat Lehrerin für Dari, Paschto und Englisch – suchte sich einen Minijob als Reinigungskraft.

„Unsere Zukunft ist hier“

2006 konnte die Familie die Asylunterkunft verlassen und eine eigene kleine Wohnung beziehen. Ihre vier Kinder sind inzwischen erwachsen. „Zwei haben ihre Masterstudien in Informatik, Kulturwissenschaft und internationaler Wirtschaft schon abgeschlossen, zwei studieren gerade Jura und Wirtschaftsingenieurwesen“, berichtet Mohamad Ibrahimi voller Stolz. Die Sehnsucht nach der Heimat trägt er im Herzen und weiß doch: „Unsere Zukunft ist hier.“ Er ist dankbar für die offenen Arme der Stangelmayers, für die Hilfe, wenn die Kinder mal krank waren oder ihn andere Sorgen plagten, und für das gute Gefühl, wertgeschätzt zu werden. Deshalb prallen Abwerbeversuche aus anderen Branchen an ihm ab: „Ich bleibe hier“, verspricht er lachend.

Abschiebung und Rückkehr

Flucht, Abschiebung und Rückkehr hat Muhammad Suleman (36) erlebt. „Er konnte Deutsch, hatte einen festen Wohnsitz und arbeitete bei uns als Maschinenführer. Trotzdem wurde er abgeschoben“, berichtet die Personalchefin. „Wir suchen händeringend Arbeitskräfte und dann werden gut ausgebildete Fachkräfte einfach abgeschoben.“ Leider sei das kein Einzelfall: „Wir erleben das mehrmals im Jahr.“ Um den jungen Pakistani hat sie monatelang gekämpft und ihn schließlich nach Kolbermoor zurückgeholt. „Mit einem Ausbildungsplatz zum Textilreiniger.“

Bürokratie muss abgebaut werden

Die Personalknappheit wird sich weiter verstärken, nicht nur im Dienstleistungssektor. Ohne steigende Einwanderung fehlen nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schon 2025 rund 3,5 Millionen Erwerbstätige. Ende vergangenen Jahres wurden in Deutschland 1,98 Millionen offene Stellen registriert. Ein nie dagewesener Rekordwert, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mitteilt.

Um den Fachkräftemangel in Deutschland auszugleichen, wäre die Zuwanderung von 400.000 Arbeitskräften pro Jahr nötig. „Dafür müssen komplizierte und langwierige Verwaltungsverfahren verschlankt werden“, sagt Gerhard Stangelmayer aus Erfahrung. Seit mehr als 20 Jahren integriert das Unternehmen ausländische Arbeitskräfte. Ein Problem dabei: „Sie warten teilweise monatelang auf einen Termin bei den deutschen Botschaften in ihren Herkunftsländern, um überhaupt ein Visum zu bekommen.“

Sprachbarrieren sind hoch

Auch die Prüfung der Aufenthaltstitel und die Bearbeitung von Anträgen auf Arbeitsgenehmigungen müsse schneller gehen. Auch in den Behörden sei der Personalmangel ein großes Problem. „Aber es gibt auch bürokratische Hürden, die schneller beseitigt werden könnten. Regeln für die Führerscheinprüfung beispielsweise“, betont Stangelmayer. „Lkw-Fahrer sind sehr schwer zu finden. Dabei sind Interessenten da. Viele schaffen aber die Prüfungen zu den Modulen für den deutschen Führerschein nicht, weil sie nur in deutscher Sprache angeboten werden.“

Unglaubliche Solidarität

Ausländische Fachkräfte sollen künftig leichter nach Deutschland kommen können. Dafür hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen. Doch das allein reicht nicht aus: „Fachkräfte aus dem Ausland müssen sich bei uns willkommen fühlen“, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Im Kolbermoorer Textilservice „ist jeder ein Stangelmayer, egal woher er kommt“. Ausländerfeindlichkeit gibt es unter den 520 Mitarbeitern nicht, dafür ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl. „Wenn ein Kollege länger ausfällt, weil er Angehörige pflegen muss, geben andere aus ihrem Arbeitszeitkonto Überstunden ab, damit er bezahlten Urlaub nehmen kann“, beschreibt die Personalchefin die Solidarität. Nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien hat die Belegschaft Spenden gesammelt und gemeinsam mit der Familie Stangelmayer eine stolze Summe von 28.500 Euro für den Wiederaufbau zusammengetragen.

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