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Der Umweltskandal und die Schuldfrage

„Üble Nachrede“: Warum sich Halfings Bürgermeisterin gegen die Rolle als Sündenbock wehrt

Halfings Bürgermeisterin Regina Braun wehrt sich unter anderem gegen Plakate, die die Initiative Freimoos mit (von links) Aki Becker, Helmut Jegg, Michael Christian Peters und Ortholf von Crailsheim im April in Amerang aufgestellt haben. Sie stehen bis heute.
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Halfings Bürgermeisterin Regina Braun wehrt sich unter anderem gegen Plakate, die die Initiative Freimoos mit (von links) Aki Becker, Helmut Jegg, Michael Christian Peters und Ortholf von Crailsheim im April in Amerang aufgestellt haben. Sie stehen bis heute.

Beim Ameranger Umweltskandal steht auch die Gemeinde Halfing im Fokus. Sie ist für Grundeigentümer Ortholf von Crailsheim mitschuldig, weil die Kunststoff-Granulate über das Kanalsystem aus Halfing in die Seen kämen. Bürgermeisterin Regina Braun sieht die Kommune als Opfer einer „Verleumdungskampagne“.

Amerang – Für die Halfinger Rathauschefin steht ohne Wenn und Aber fest: Die Kontaminierung der beiden Seen in Amerang mit Kunststoff-Granulat ist eine „Riesen-Sauerei“, nimmt sie kein Blatt vor den Mund. „Das ist ein No-Go, eine Katastrophe. Das Zeug gehört da nicht rein.“ Soweit herrscht Einigkeit mit Grundeigentümer Ortholf von Crailsheim. Trotzdem legt die Rathauschefin Wert auf die Feststellung: „Das Granulat ist nicht toxisch.“ Das hätten die Fachleute übereinstimmend festgestellt. Fische beispielsweise könnten nicht vergiftet werden, wenn sie die Kügelchen aufnehmen würden. Eine millionenschwere Sanierung des Areals sei auch deshalb nicht notwendig. Das Landratsamt lehne eine solche Maßnahme sogar ab, denn das Auskoffern des Bodens würde dem Freimoos im Landschaftsschutzgebiet laut Gutachter großen Schaden zuführen.

Seit 2007 sei das Problem der Verschmutzung in der Gemeinde Halfing bekannt. Was die Bürgermeisterin, seit 2020 im Amt, nicht nachvollziehen kann, ist die Tatsache, dass sich die Aufklärung und die Suche nach den Verantwortlichen bis heute hinziehen. „Ich muss die Kompetenz der Gerichte und der Gutachter wirklich in Frage stellen“, sagt sie. „Wie kann es sein, dass keiner in der Lage war, in einem angemessenen Verfahrenszeitraum zu Ergebnissen zu kommen?“

Bürgermeisterin überzeugt: Halfing ist selber ein Opfer

Die Vorgänge füllen auch im Halfinger Rathaus mehrere Aktenordner. Anwälte, verschiedene Fachbehörden, Gutachter und Experten beschäftigen sich seit vielen Jahren damit, „es gab unzählige Verfahren“, sagt Braun seufzend. Doch bis heute sei nicht offiziell festgestellt worden, wer der Verursacher sei und deshalb die Verantwortung trage. Das würde Halfing ebenfalls gerne wissen. Schließlich sei die Gemeinde, gegen die Grundeigentümer Ortholf von Crailsheim vor dem Verwaltungsgericht klagt, „selber ein Opfer“, so Braun. Denn es sei unbestritten, dass die Kunststoff-Granulate über das Oberflächen-Entwässerungssystem der Kommune eingeleitet worden seien. Die Entwässerungssatzung verbiete solche Einträge jedoch. Also habe Halfing ein Interesse, zu wissen, woher die Stoffe gekommen seien und den Verursacher zur Verantwortung zu ziehen.

Der immer wieder von Klägerseite zu hörende Vorwurf, die Behörden, darunter auch die Gemeinde Halfing, hätten nicht ausreichend und schnell genug reagiert, um das Problem der Einleitungen in Griff zu bekommen, weist Braun strikt zurück. In Zusammenarbeit mit den Fachbehörden wie dem Wasserwirtschaftsamt seien von Seiten Halfings zahlreiche Maßnahmen durchgeführt worden. „Wir waren alles andere als untätig.“ Unter anderem sei das Gewerbegebiet mit seinen Kunststoff verarbeitenden Betrieben bereits seit vielen Jahren komplett vom übrigen Kanalnetz getrennt. Seit 2009 könne als Folge von proaktiven Maßnahmen der Firma Profol weder von dieser, noch von einem anderen Unternehmen in Halfing, noch über die kommunale Entwässerung Granulat in den Ameranger und Zillhamer See gelangen. Deshalb geht Braun davon aus, dass die von Grundeigentümer Ortholf von Crailsheim und Fischereipächter Aki Becker bis heute gefundenen Kunststoff-Kügelchen Altmaterialien seien. Sie würden etwa bei Starkregen hoch- und angeschwemmt, bei Wind verteilt. Vor Gericht sprach ein als Zeuge geladener Experte des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim von einem „Memory-Effekt“. Braun bedauert, dass es bis heute auch noch nicht gelungen sei, das genaue Alter der Fremdstoffe zu erforschen.

Dass es nach wie vor zu neuen Einträgen komme, sei jedoch falsch, so Braun. 2020 habe die Gemeinde ein Monitoring durchgeführt, mit Schwimmbalken den Ausgang des Dorfbaches überprüft, sämtliche Sinkkästen angeschaut. „Es gibt nachweislich keine Neueinträge.“

Plakate eine „üble Nachrede“

Auch deshalb will sie als Rathauschefin nicht hinnehmen, dass die Bürgerinitiative im Freimoos große Plakate aufgestellt hat, auf denen der Stopp der Einträge aus Halfing gefordert wird. Es werde impliziert, dass es nach wie vor zu neuen Verschmutzungen komme. Dies seien „nicht haltbare Anschuldigungen“, „eine Rufschädigung“ und „üble Nachrede“, findet Braun. Sie sieht eine Verleumdungskampagne, bei der Halfing und die Kunststoff verarbeitenden Firmen in den Fokus gestellt würden. Deshalb habe die Anwältin der Gemeinde, Constanze Stichter, von Crailsheim aufgefordert, die Schilder unverzüglich zu entfernen. Er sei aufgefordert worden, eine schriftliche Unterlassungserklärung abzugeben – mit der Verpflichtung, auch im Weiteren von der Anbringung von Schildern mit diesem oder ähnlichem Inhalt Abstand zu nehmen, „bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 500.000 Euro“.

Die Plakate mit der Aufschrift „Rettet unsere Seen – Stoppt die Plastikverseuchung aus der Gemeinde Halfing“ stehen jedoch noch immer. Zu den Klagen von Grundeigentümer von Crailsheim gegen das Halfinger Unternehmen Profol vor dem Landgericht Traunstein und gegen die Gemeinde Halfing vor dem Verwaltungsgericht München könnte eine weitere hinzukommen, diesmal mit gedrehten Rollen: Halfing gegen von Crailsheim statt von Crailsheim gegen Halfing.

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