Was die „Einzelkämpferin“ jetzt vorhat
Warum für Henrike Hambergers „Second Chance“-Shop in Kolbermoor Schluss ist – so geht es weiter!
Nach 25 Jahren in einer völlig anderen Branche erfüllte sich Henrike Hamberger 2020 einen Traum. Mit „Second Chance“ traf sie einen Nerv und fand ihr Glück in Kolbermoor. Warum damit jetzt Schluss ist und wie es für sie dennoch weitergeht.
Kolbermoor – „Gell du hörst auf?“, fragt eine Kundin, die gerade ein Kleid vom Bügel genommen und dabei ein paar Gesprächsfetzen von der Kasse aufgeschnappt hat. Obwohl das Geschäft in wenigen Augenblicken über Mittag schließt, herrscht im „Second Chance“ in der Rosenheimer Straße in Kolbermoor reges Treiben. „Gibt‘s das noch in einer anderen Größe?“, fragt eine Frau und stöbert anschließend in den gut bestückten Regalen. Inhaberin Henrike Hamberger kümmert sich in Ruhe um ihre Kundschaft, der Austausch wirkt freundschaftlich. Doch auch wenn sie die Ladentüre nach der Mittagspause wieder aufschließt, sind die Tage, an denen die Kolbermoorer hier nach ausgewählten Klamotten suchen können, gezählt.
Gerade um ihre Stammkundinnen wird es ihr dabei leidtun, erzählt die 52-Jährige im Gespräch mit dem OVB. Denn in nur wenigen Wochen wird Hambergers Laden in der Mangfall-Stadt schließen. „Freilich ist Wehmut dabei, ich wäre auch gerne geblieben, Kolbermoor hat sich in den letzten Jahren super entwickelt“, gibt die Inhaberin einen Einblick in ihre Gefühlslage. Ihr Entschluss stehe dennoch fest, zumal die Auswahl an freien Ladenflächen in Kolbermoor „sehr begrenzt“ sei.
Warum ist in Kolbermoor bald Schluss?
Hintergrund für die Schließung sind die Mietbedingungen, die Hamberger nicht mehr mittragen möchte. Und auch wenn sie sich in der Rosenheimer Straße sehr wohlfühlt, war sie deshalb zuletzt auf der Suche nach neuen Geschäftsräumen, in denen sie ihr Konzept mit „qualitativ hochwertiger Second Hand-Mode“ weiterführen wollte. Da sie in Kolbermoor nichts fand, musste sie sich anderswo umsehen. „Durch einen glücklichen Zufall habe ich Claudia Heidig auf einem Mädchenflohmarkt kennengelernt“, erzählt Hamberger. Und wie der Zufall so wollte, führt Heidig zusammen mit ihrem Mann die „Trachteria“ in der Bad Aiblinger Kirchzeile, die in einigen Wochen schließen wird.
Da die Räume frei werden, kann Hamberger mit ihrem Laden dort als Untermieterin einziehen. Ab 1. Mai startet sie also neu. Wobei „neu“ nicht ganz richtig ist. Zwar lebt sie mit ihrer Familie seit vielen Jahren in Kolbermoor. Die 52-Jährige kommt aber ursprünglich aus Bad Aibling, kehrt gewissermaßen auch zu ihren Wurzeln zurück. Doch dass die geschäftliche „Einzelkämpferin“ überhaupt ihr Glück mit einem Second Hand-Shop gefunden hat – danach sah es lange Zeit in ihrem Leben gar nicht aus. Denn: „Ich habe 25 Jahre als Rechtsanwaltsangestellte gearbeitet“, erzählt sie und blickt dabei auf einen völlig anderen Berufsalltag zurück.
Weg vom „Flohmarkt-Muffel-Charakter“
Irgendwann, so erinnert sich Hamberger an den entscheidenden Moment, habe sie nochmal etwas anderes machen wollen. Getreu dem Motto „Reisen bildet“ sammelte sie bei einem Trip mit ihrer Tochter vor allem im Bereich der Second Hand-Mode viele Eindrücke aus London. „Danach war klar: das will ich machen.“ Vor allem der Nachhaltigkeitsgedanke habe ihr dabei immer gefallen. „Außerdem wollte ich aus den Köpfen diesen ‚Flohmarkt-Muffel-Charakter‘ herausbringen.“ Es müsse nicht immer etwas Neues sein. Gerade im Kleidungsbereich könne man sich noch vieles von anderen Branchen abschauen. „Zum Beispiel beim Auto ist es ja schon lange normal, dass man sich ein gebrauchtes kauft.“
Und Hamberger zufolge könne Second Hand schön und vor allem einzigartig sein. Denn viele Kleidungsstücke, die sie anbietet, finde man im Handel überhaupt nicht mehr. Um sich von anderen Second Hand-Konzepten abzugrenzen und um ein exklusives Profil zu schärfen, hat sich die Kolbermoorerin für ihren „Boutique-Charakter“ entschieden. Und das komme an. Seit Dezember 2020 und nach Pandemie bedingten Maßnahmen wie „Click & Collect“ hat sich in der Rosenheimer Straße ein beliebtes Fashion-Geschäft etabliert. Dass ihr Laden Corona überlebte, hänge dabei auch mit ihrer beruflichen Vita zusammen, sagt sie. „Es hat auf jeden Fall geholfen, dass ich mich mit Bürokratie und diversen Anträgen auskenne.“
Was wird aus der Ladenfläche in Kolbermoor?
Seit ihrem Laden-Start setzt Hamberger bei ihren Produkten, die neben Bekleidung auch Schuhe, Handtaschen oder Schmuck beinhalten, auf „alles, was die Frauen lieben“. Von H&M bis Armani sei für jede Kundin etwas dabei. Bei der fast ausschließlichen Kommissionsware, die ihr angeboten wird, verkauft sie ausgewählte Stücke, an denen sie dann anteilig mitverdient. „So erspare ich zum Beispiel den Frauen die Arbeit, die sie mit Ebay oder auf Flohmärkten selber hätten.“ Und was ist eigentlich mit den Männern?
„Die Herren habe ich bislang tatsächlich vernachlässigt“, sagt Hamberger schmunzelnd. Zwar werde ihr durchaus auch von Männern Ware angeboten. „Wenn es ums Kaufen geht, dann sind die Männer, glaube ich, auf diesem Gebiet aber noch nicht so weit.“ Dies hänge gar nicht unbedingt mit Second Hand zusammen. Vielmehr würden Männer generell eher ungern zum Klamotten-Shoppen kommen.
Doch dass sie irgendwann auch Männer-Mode anbietet, will Hamberger nicht ausschließen. Das gilt auch für ihr neues Geschäft in Bad Aibling, in dem sich verglichen mit dem jetzigen Shop nicht viel ändern soll. Über die genauen neuen Öffnungszeiten müsse sie sich aber noch Gedanken machen. Klar ist: In Kolbermoor wird sie noch bis mindestens Mitte April geöffnet haben. Nach dem Umzug geht es dann im Mai in der Nachbarstadt weiter. Was indes aus den dann leer gewordenen Kolbermoorer Räumen wird, ist bislang unklar. Der Vermieter des Gebäudes in der Rosenheimer Straße teilt auf OVB-Nachfrage mit, dass man sich derzeit mit einer entsprechenden Nachnutzung beschäftige.
