Hitzige Wortwechseln
Einkaufsbummel in Kolbermoor endet in wüster Schlägerei: Notwehr oder Körperverletzung?
Eine harmlose Einkaufstour eines Paares geriet in Kolbermoor zur dramatischen Auseinandersetzung. Anstatt den naheliegenden Zebrastreifen zu nutzen, zogen es die beiden vor, die belebte Staatsstraße 2078 direkt zu überqueren - eine Entscheidung, die unerwartet weitreichende Folgen hatte.
Kolbermoor – Am 16. Juli 2023 wollte ein 45-jähriger Türke mit seiner Ehefrau in Kolbermoor gegen 17 Uhr zum Einkaufen gehen. Zu diesem Zweck musste er die Staatsstraße 2078 überqueren. Anstatt aber zum naheliegenden Zebrastreifen für Fußgänger zu gehen, fasste er seine Frau am Arm und zerrte sie „gefährlich knapp“, so der Angeklagte, vor einem herannahenden Pkw über die Straße. Der war gezwungen abzubremsen und schimpfte aus dem Fenster auf die beiden Gefährder.
Als „Übeltäter“ beschimpft
Damit aber nicht genug. Wenige Meter weiter stoppte er seinen Wagen auf einem Parkplatz, stieg aus und beschimpfte, ja beleidigte die „Übeltäter“. Dies ließ sich dieser nicht gefallen und schimpfte zurück. Darauf hin überquerte der Autofahrer die Straße. Es entwickelte sich ein gegenseitiges Geschimpfe.
Beleidigungen und Geschubse führten zu einer regelrechten Prügelei mit Schwitzkasten und Schlägen. Als dann noch weitere Passagiere aus dem Wagen hinzustießen, setzte es noch Hiebe und einen Fußtritt.
Der Angeklagte gestand, dass er sich wohl wirklich nicht gefahrlos über die Straße bewegt habe. Jedoch habe er sich einer unangemessenen Attacke durch den Autofahrer ausgesetzt gesehen.
Ja, er habe sich zu unangemessenen Verbalinjurien hinreißen lassen. Aber eben lediglich als Antwort auf dessen Angriffe. Mehrmals habe er den Mann gebeten abzulassen.
An den Haaren gezogen und bedrängt
Schließlich habe er sich lediglich verteidigt. Als dann die anderen Passagiere noch in das Handgemenge eingriffen, ihn an den Haaren zerrten und bedrängten, habe er zur Verteidigung um sich geschlagen. Ja er habe eine junge Frau die ihn an den Haaren zerrte geschlagen und einen jungen Mann mit einem Tritt abgewehrt. Aber niemanden zu Boden geschlagen und schon gar nicht am Boden getreten.
Das Tatopfer behauptete, er habe den Angeklagten lediglich belehren wollen, eine solche Verkehrsgefährdung künftig zu unterlassen. Er sei schließlich Berufskraftfahrer und mit einem Tanklastzug unterwegs. Immerhin hätte er, eine Pkw-Kolonne im Rücken, eine Vollbremsung vollführen müssen. Der Angeklagte hätte nur wenige Meter weiter einen Fußgänger-Übergang mit Ampelschaltung zur Verfügung gehabt. Ein unbeteiligter Verkehrsteilnehmer, der in seinem Wagen unweit ebenfalls zum Halten kam, berichtete als Zeuge, dass der Autofahrer tatsächlich angehalten und das Fahrzeug verlassen habe.
Er habe dessen Reaktion nicht verstanden. Auch habe er wahrgenommen, dass es zu einem Handgemenge und zu Beschimpfungen gekommen sei. Einen Schlag gegen die junge Frau habe er gesehen. Wer aber die körperliche Auseinandersetzung begonnen habe, könne er nicht mit Bestimmtheit sagen. Weil nicht alle Zeugen geladen werden konnten, wurde die Verhandlung vertagt.
Am zweiten Verhandlungstag berichtete eine weitere Zeugin, dass sie wohl nicht dem Straßenverkehr angemessen über die Straße gelaufen seien. Dies aber ohne jede böse Absicht. Völlig unangemessen habe sich aber der Fahrer des Pkw verhalten, der zunächst aus dem Auto heraus gepöbelt habe, dann aber zu allem Überfluss ausgestiegen sei. um weiter zu schimpfen und zu beleidigen.
In jedem Fall sei die Aggression von dem Autofahrer ausgegangen. Die Staatsanwaltschaft hielt den Angeklagten für schuldig der dreifachen Körperverletzung.
Das auch angesichts der Tatsache das dieser – wenn auch schon länger zurückliegend – einschlägig verurteilt worden war. Sie beantragte, ihn zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten zu verurteilen. Der Verteidiger Rechtsanwalt Hans Sachse verwies darauf, dass sich sein Mandant in einer Notwehrsituation befunden habe. Deshalb beantragte er, seinen Mandanten freizusprechen. Das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richterin Isabella Hubert erkannte im Falle der Auseinandersetzung mit dem aggressiven Autofahrer tatsächlich auf Notwehr.
Schlag gegen das Mädchen
Nicht aber bei dem Schlag gegen das Mädchen und dem Tritt gegen den jungen Mann, die er selber eingeräumt hatte. Deshalb erging ein Urteil wegen lediglich zweifacher Körperverletzung und Beleidigung, was zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten führte.
Diese wurde allerdings zur Bewährung ausgesetzt. Dazu wird er einem Bewährungshelfer unterstellt, sowie gemeinnützige Arbeit ableisten und ein Anti-Aggressions-Training absolvieren müssen.