Erster Bürgerentscheid in Eiselfing
„Es ist ewig schad‘ um diesen Boden“: Eiselfinger wehren sich gegen Solarpark in Perfall
Am 24. September werden die Eiselfinger über den geplanten Solarpark in Perfall abstimmen – bei einem Bürgerentscheid, dem ersten in der Geschichte der Gemeinde. Warum die Initiatoren überzeugt sind, dass es dabei um mehr geht als um die Angst vor der „Industrialisierung“ der Landschaft.
Eiselfing – Es gibt Kaffee und Erdbeerkuchen: Auf der Terrasse von Monika Attenberger lassen es sich Ludwig Senft, Elisabeth Niederlechner und Josef Lebmeier schmecken. Von hier aus gibt es einen herrlichen Blick über Äcker und Wiesen Richtung Wald – kein Naturraum, der beeindruckt, aber ein Bild, das so typisch ist für das Voralpenland: friedlich, unspektakulär. Dass sich die 57-jährige Attenberger, von Beruf Köchin, nicht mit dem geplanten Solarpark, der hier in Perfall entstehen soll, anfreunden kann, weil er den Anblick von der Terrasse und aus dem Wohnzimmerfenster stark verändern wird, liegt auf der Hand. Doch die direkte Anliegerin hat bei ihren Unterschriftenaktionen und Einwendungen gegen den Bebauungsplan und bei ihrer Initiative für ein Bürgerbegehren Unterstützung bekommen von Menschen, die nicht direkt betroffen sind.
Potenzial der Dächer zuerst ausschöpfen
Ludwig Senft, 65, aus Aham gehört dazu. Der Lkw-Fahrer im Ruhestand nimmt einen kräftigen Schluck aus der Kaffeetasse und zeigt mit der Hand auf den Acker, der vor ihm liegt. „Ewig schad‘ um diesen guten Boden“, sagt er, „der darf doch nicht unter einer PV-Anlage verschwinden.“ Einen Wald würde auch niemand abholzen, um einen Solarpark zu bauen, gibt er zu bedenken. Senft findet, Freiflächen-PV-Anlagen würde für eine „Industrialisierung der Landschaft“ sorgen. Es gebe viele Bereiche, in denen Solarparks viel besser hinpassen würden: Auf Parkplätzen, an Autobahnrändern oder in Gewerbegebieten. Elisabeth Niederlechner aus Alteiselfing findet: „Erst einmal sind die Dächer dran, bevor wir in die Fläche gehen sollten.“ Sie sieht sogar in Eiselfing diesbezüglich noch viel Potenzial. Die Landwirtin ist mit gutem Beispiel voran gegangen, ebenso wie Senft und Lebmeier: Alle haben PV-Anlagen auf den Dächern ihrer Häuser und Höfe installiert. „Wir haben unseren Beitrag geleistet“, sagen sie.
Niederlechner und Lebmeier, die beide einen landwirtschaftlichen Betrieb führen, geht es um den Erhalt des Nutzgrunds. Lebmeier, der in Alteiselfing einen Bio-Milchviehbetrieb leitet, hat die Flächenknappheit am eigenen Leib erfahren. „Ich bin zehn Jahre lang täglich 17 Kilometer gefahren wegen 20 Tagwerk“, seufzt er. „Die wenigen noch verbliebenen bäuerlichen Betriebe sind angewiesen auf Nutzgrund.“ Er beispielsweise benötigt Weidefläche, weil er an einen Molkerei gebunden ist, die Weidemilch herstellt. Doch der Grund sei in den vergangenen Jahren immer teurer und immer rarer geworden: Spekulanten mischen laut Lebmeier kräftig mit im Kampf um die Fläche. Auch viele Kommunen hätten ein Auge drauf geworfen, weil sie Ausgleichsgrund für Baumaßnahmen benötigen und ihr Ökokonto aufstocken müssten. Als Folge der Energiewende, an deren Notwendigkeit die BI nicht zweifelt, habe sich der Druck weiter erhöht: durch Solarparks in der Freifläche.
„Die Landwirtschaft braucht jeden geeigneten Boden“, sagt Niederlechner. Dieser sei endlich und nicht vermehrbar. Im Gegenteil: Der Flächenfraß sei gigantisch und eine Gefahr für die Landwirtschaft und damit für die Lebensmittelproduktion. Diese dürfe nicht gegen die Energieproduktion ausgespielt werden. denn es gehe um die Ernährung der Bevölkerung und um die Notwendigkeit, sich nicht von Exporten abhängig zu machen. Wie gefährlich das sei, würden die vielen Engpässe und Lieferschwierigkeiten, die derzeit die deutsche Wirtschaft beeinträchtigen würden, doch zeigen, sagen die Mitglieder der Initiative.
Natürlich gibt es auch Landwirte, die zu Energiewirten werden und nicht nur auf Biogas, sondern auch auf Freiflächen-PV setzen. Vor diesem Schritt warnt Lebmeier. „Da sind schon viele Bauern über den Tisch gezogen worden“, betont er angesichts der Tatsache, dass es sich steuerlich oft nicht lohne.
Lebmeier engagiert sich beim Bürgerbegehren nach eigenen Angaben nicht nur als Landwirt, sondern auch „als politischer Mensch“, wie er betont. Er ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der aktuellen Energiepolitik. Eine Freiflächen-PV-Anlage, wie sie in Perfall geplant sei, werde im Sommer zu viel Strom produzieren, im Winter gar nicht. Dann müsse der Strom „sauteurer“ eingekauft werden. „Was bringt uns eine solche Anlage, wenn wir den Strom nicht speichern können? Wir brauchen Energiesicherheit“, findet er, „was spricht eigentlich gegen Atomstrom, gegen ein paar kräftige Kraftwerke, die unsere Versorgung sicherstellen? Rundum sind unsere Nachbarn im Ausland nicht so doof wie wir in Deutschland. Wir verzichten ohne Not auf eine bereits vorhandene Lösung“. Diese Politik müsse der Steuerzahler ausbaden.
Warnung vor Blendwirkung
Der 65-Jährige sieht außerdem die Gefahr, dass die Solarmodule eine starke Blendwirkung haben könnten, vor allem auch auf die Autofahrer auf der Staatsstraße 2092. „Das brennt in den Augen“, ist er angesichts eines persönlich erlebten Beispiels einer Dachanlage in Eiselfing überzeugt. Und er fürchtet, dass die Entwässerung des Solarparks zu Problemen führen könnte. Der Landwirt sieht die Gefahr von Nährstoffbelastungen durch Regenwasser, das nicht vor Ort versickern könne. All diese Themen greift auch das Bebauungsplanverfahren für den Solarpark Perfall auf. Es gibt viele Auflagen zur Entwässerung, auch zur Nachnutzung des Areals nach 20 Jahren. Doch Niederlechner, Senft, Attenberger und Lebmeier sind skeptisch. „So ein schöner Grund“, sagt Anliegerin Attenberger. Ihr graut beim Gedanken, welches Bild sich ihr demnächst von der Terrasse aus bieten könnte.
