Vermehrte Aufgriffe bei Kiefersfelden und Freilassing
Illegale Einreisen nehmen zu: Wie die Polizei gegen steigende Schleuser-Kriminalität vorgeht
Wie soll mit dem steten Strom an Flüchtlingen und illegalen Migranten umgegangen werden? Da ist sich die Bundespolitik noch immer nicht sicher. Was die Rosenheimer Bundespolizei bei Kiefersfelden und Freilassing unternimmt, um der steigenden Zahl an Schleusungen zu begegnen.
Rosenheim/Kiefersfelden/Freilassing – Das Problem mit illegalen Einreisen und der Schleuserkriminalität nimmt weiter zu. Alleine am vergangenen Wochenende (23./24. September) hat die Rosenheimer Bundespolizei rund 80 illegale Einreiseversuche und acht Schleusungsfälle erfasst. Die Migranten stammten unter anderem aus der Türkei, Syrien und Benin. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will Abhilfe schaffen und auch die bayerische Grenzpolizei verstärken.
Vorgehen gegen „menschenverachtende Schleuser”
Ab Oktober wird die Bereitschaftspolizei der Grenzpolizei jede Woche bis zu 75 Einsatzkräfte für Schwerpunktkontrollen unterstellen. „Wir setzen auf einen möglichst hohen Kontrolldruck im Grenzgebiet, um gerade menschenverachtende Schleuser aus dem Verkehr zu ziehen“, erklärte Herrmann. Ein Sicherheitsgewinn sei auch, dass alle von der Bayerischen Grenzpolizei aufgegriffenen illegal Eingereisten polizeilich überprüft werden. Der Grund: darunter könnten sich beispielsweise gesuchte Kriminelle befinden . „Je dichter unser Kontrollnetz, desto besser können wir die illegale Migration, und vor allem organisierte Schleuserbanden bekämpfen“, argumentierte Herrmann. Die zusätzlichen Einsatzkräfte sollen mehr Kontrollen im Grenzraum zu Österreich, aber auch zu Tschechien durchführen.
Aufgriffe auf der Autobahn und im Zug
Annähernd die Hälfte der am Wochenende aufgegriffenen Migranten haben die Beamten in Zügen und Bahnanlagen angetroffen. So nahmen die Bundespolizisten eine achtköpfige Migrantengruppe am Rosenheimer Bahnhof in Gewahrsam, die nach ersten Erkenntnissen aus der Türkei stammten. In einem Eurocity aus Italien trafen Bundespolizisten kurz vor Rosenheim auf eine weitere achtköpfige Reisegruppe.
An der Autobahn-Rastanlage Inntal-Ost wurde die Bundespolizei auf eine achtköpfige Fußgängergruppe aufmerksam. Eigenen Angaben zufolge handelt es sich um Syrer. Sie erklärten, zu acht in einem Pkw befördert worden zu sein. Der unbekannte Schleuser habe sie in der Nähe der Rastanlage abgesetzt und zurückgelassen. In der Kontrollstelle an der A93 auf Höhe Kiefersfelden kontrollierten die Bundespolizisten die Insassen eines Wagens mit Berliner Kennzeichen. Der Fahrzeugführer wies sich mit einem ghanaischen Reisepass sowie einer deutschen Aufenthaltsgenehmigung aus. Nach eigenen Angaben stammen seine vier Mitfahrer aus Benin. Gegen den 34-jährigen Ghanaer, der am Steuer des Autos saß, wird wegen Einschleusens von Ausländern ermittelt.
Meist ohne Ausweis unterwegs
All diese Fälle haben eines gemeinsam: Keine der kontrollierten Personen konnte sich ausweisen. Zufall ist das nicht. „Oft nehmen die Schleuser den Menschen ihre Ausweise auf einer Etappe der Reise ab”, sagt Dr. Rainer Scharf, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion in Rosenheim. Damit hätten die Schleuser die Identitäten der Menschen in der Hand. Oft verschwindet der Ausweis auch kurz vor einer Kontrolle. „Damit will man möglicherweise verschleiern, wo man schon mal registriert worden ist bei einer Einreise in ein europäisches Land.” In das Land würde der Migrant zurückgeschickt werden. „Ein weiterer Aspekt ist aber auch, dass viele aus Syrien und anderen Gebieten, wo Krisen und Kriege herrschen, oft nicht immer die Möglichkeit haben, alle Dokumente noch zur Hand zu haben.“
Illegale Einreiseversuche steigen wieder an
Die Zahl der illegalen Einreiseversuche ist im August wieder angestiegen. Rund 330 hat die Bundespolizeiinspektion Rosenheim mit der Kontrollstelle auf der A93 im August festgestellt. Rund 220 waren es noch im Juli gewesen. Rund 180 davon (110 im Juli) wurden wieder zurückgeführt. Außerdem wurden rund 20 mutmaßliche Schleuser festgenommen, 10 waren es im Juli gewesen. „Obgleich das Groß der bayernweit, insbesondere von den Bundespolizeiinspektionen Freilassing und Passau festgestellten unerlaubten Einreiseversuchen in den vergangenen Monaten der sogenannten „Balkanroute“ zuzuordnen ist”, sagt Pressesprecher Scharf, „so hat auch die Bundespolizeiinspektion Rosenheim mit Blick auf die aktuellen Zahlen eine steigende Tendenz an versuchten illegalen Grenzübertritten im Bereich der „Brennerroute“ zu registrieren.” Diese Route führt vor allem über die A93 und die Bahnstrecke Kufstein – Rosenheim.
Einem Drittel wurde die Einreise verweigert
Von den über das Wochenende festgestellten Migranten, die ohne die erforderlichen Papiere einreisen wollten, verweigerte die Bundespolizei über einem Drittel die Einreise. Die zurückgewiesenen Personen hatten im Rahmen der vorausgegangenen grenzpolizeilichen Befragung Einreisegründe angegeben, die nicht im Zusammenhang mit Schutz oder Asyl standen. Sie wurden der österreichischen Polizei überstellt. Alle anderen leitete die Bundespolizei nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen an eine Aufnahmestelle für Flüchtlinge in München weiter.
Auch die Bundespolizeiinspektion in Freilassing hatte Anfang der Woche alle Hände voll zu tun. Alleine am vergangenen Montag (25. September) wurden 101 unerlaubte Einreisen gezählt. 5696 unerlaubte Einreisen hat die Bundespolizeiinspektion Freilassing von Januar bis August 2023 insgesamt registriert.
Kontrollen auch auf den Nebenstrecken
„Wir begegnen der Sache zum einen mit den 2015 angeordneten Grenzkontrollen, die Zeiträume werden ja immer wieder erneuert”, sagt Rainer Scharf. Neben der Kontrollstation auf der A93 werden auch Grenzkontrollen durchgeführt, ebenso auf den Nebenstrecken, also beispielsweise in Bayrischzell oder Sachrang. Dort ist die Bundespolizei aber nicht permanent vor Ort, sondern mit mobilen Teams. Es soll für die Schleuser unberechenbar bleiben. Die Beamten sind dort in zivilen Fahrzeugen unterwegs. Innerhalb eines Bereichs von 30 Kilometern von den Grenzen entfernt führt die Bundespolizei sogenannte Grenzfahndungen durch. Die meisten Feststellungen werden aber weiterhin auf den Hauptverkehrsrouten, also Autobahn und Bahn festgestellt.
Bundespolizei hat andere Aufgaben als die bayerische Grenzpolizei
Die Kontrollaktionen sind dabei nicht mit der bayerischen Schleierfahndung zu verwechseln. Die werden nicht von der Bundespolizei, sondern von der bayerischen Grenzpolizei durchgeführt. Deren primärer Fokus ist allerdings nicht Schleuserkriminalität oder unerlaubte Einreisen zu bekämpfen, sondern eher auf Kfz-Verschiebungen und Drogenschmuggel gesetzt. Sollten bei entsprechenden Kontrollen unerlaubte Grenzübertritte festgestellt werden, wird die Bundespolizei verständigt. Die Sachbearbeitung der Fälle erfolgt dann dort.