„Gefühl von Kahlschlag“
Über 150 Jahre alt: Warum wurden riesige Buchen in Bad Aibling abgeholzt?
Die Fällung von zwei alten, großgewachsenen Buchen in Bad Aibling sorgt für Empörung. Wurden auf einem Privatgrundstück grundlos Bäume entfernt? Die Stadt äußert sich jetzt zu den Mutmaßungen.
Bad Aibling – Immer wieder sorgen diverse Baumfällungen für Unverständnis und Empörung. Oftmals steckt jedoch ein unausweichlicher Grund dahinter. Doch welche Umstände führten dazu, dass kürzlich zwei uralte Buchen in Bad Aibling geopfert werden mussten? Ein Anwohner aus dem Stadtgebiet hatte dem OVB davon berichtet und von einem „Gefühl von Kahlschlag“ gesprochen. Niemand aus der Nachbarschaft habe einen Anstoß für die Fällung der Bäume gegeben, die auf einem Privatgrundstück gestanden hatten.
Dennoch seien innerhalb eines Tages „zwei über einhundert Jahre alte Buchen durch den Einsatz von Monsterfahrzeugen in Hackschnitzel im zweistelligen Kubikmeter-Bereich verwandelt“ worden. Das Baum-Paar sei für den etwa 250 Meter langen Straßenzug ein „unübersehbares Geschenk der Natur“ gewesen. „An ihrer Stelle klafft nun gähnende Leere“, beklagt der Nachbar, der fast 50 Jahre lang unmittelbar neben den Baumriesen gelebt hat. Er bedauert zudem den Wegfall des Lebensraums für Singvögel, die sich im weit ausladenden Geäst wohlgefühlt hätten.
Gesunder Baum einfach abgeholzt?
Zudem kritisiert er, dass durch die Fällungen der CO₂-Haushalt deutlichen Schaden genommen habe. Und: „Nichts ersetzt die kühlenden Schattenzonen, die mit dem Klimawandel eine so hohe Bedeutung erlangen werden.“ Dennoch gibt er auch zu, dass einer „der beiden Baumriesen“ durch Sturm und Schneelast beschädigt worden sei, was auf längere Sicht auch eine Gefahr für die Umgebung dargestellt hätte. Sein Unverständnis aber: Der zweite Baum sei seines Wissens gesund gewesen, so der Anwohner. In diesem Zusammenhang hinterfrage er nun die Sinnhaftigkeit der städtischen Baumschutzverordnung.
Doch was ist dran an den Vorwürfen? Wurde hier wirklich ein gesunder Baum kurzerhand abgeholzt, obwohl gar kein Anlass dazu bestand? Auf OVB-Anfrage bestätigte Stadtgärtnermeister und stellvertretender Bauhof-Leiter Andreas Arnold die beiden Fällungen. Jedoch stellt er auch klar, dass eine Notwendigkeit hinter der Maßnahme steckte.
Risiko für die Umgebung
Die Ursache für die unausweichliche Fällung liege im Sommer des Vorjahres. Durch starken Wind sei damals ein dicker Ast mit etwa 70 bis 80 Zentimetern Durchmesser „rausgedrückt“ worden und habe die Straße blockiert. Da die Sicherheit für die Umgebung nicht mehr gewährleistet war, stand nun die Fällung dieser betroffenen Buche an. Dass der zweite Baum schließlich auch weichen musste, hatte laut Arnold mehrere Gründe.
„Zum einen lag es an der Freistellung, hier also durch die Entfernung des Nachbarbaumes“, sagt Arnold. Beide eng beieinander stehenden Buchen hätten zuvor gewissermaßen eine gemeinsame Baumkrone gebildet, sich gegenseitig stabilisiert. Durch den Wegfall des einen Baumes, habe sich gezeigt, dass die Stabilität des anderen deutlich verringert wurde. Das wiederum könnte beispielsweise durch starken Wind zu einem Risiko für die Umgebung führen. So musste die Entscheidung, auch den zweiten Baum zu entfernen, vor Ort getroffen werden, erzählt Arnold, der selbst zugegen war. Mit der ausführenden Firma sowie mit der Grundstücksbesitzerin sei er dabei in Kontakt gestanden.
„Sonnenbrand“ für Bäume?
Die generelle Problematik einer Freistellung bestätigen auch Informationen des Sachverständigenbüros „Baumsicht“, das etwa für diverse Kommunen Bäume kontrolliert. Demnach passen sich Bäume im Laufe der Zeit an ihren Standort an. Veränderungen im Umfeld würden sich meist negativ auswirken, wozu beispielsweise eben das Entfernen von Nachbarbäumen gehört. „Der freigestellte Baum ist plötzlich dem Wind ausgesetzt, vor dem er vorher geschützt war“, so die Experten. Bei Starkwindereignissen könne es zu einem Bruch von Ästen oder des Baumes und zu Entwurzelung kommen.
Ein weiteres Problem, das auch Arnold betont, sei das nun eintreffende Licht, das bei der übrigen Buche zum „Sonnenbrand“ führen kann. „Außerdem ist dann noch aufgefallen, dass der Baum unter Pilzbefall leidet“, so der Stadtgärtnermeister. Und so stand fest, dass letztlich schweren Herzens beide großgewachsenen und alten Buchen gefällt werden mussten. „Leider musste man hier Abstriche machen“, bedauert Arnold. Und das, obwohl die riesigen Bäume mindestens 150, wenn nicht sogar über 200 Jahre alt gewesen seien. Immerhin stellt Arnold klar: „Es wird definitiv Ausgleichspflanzungen geben.“