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Sie lassen sie nicht einfach so gehen

Rettung für Arielle: Stammgäste laufen Sturm gegen Schließung des „Sweety Siam“ in Bad Aibling

„Arielle darf nicht schließen“:  Sarah, Elias, Jasmin und Manu (von links) gehören zu den Stammgästen, die sich nicht vorstellen können, nicht mehr bei Arielle Arabie in Bad Aibling einkehren zu können.
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„Arielle darf nicht schließen“: Sarah, Elias, Jasmin und Manu (von links) gehören zu den Stammgästen, die sich nicht vorstellen können, nicht mehr bei Arielle Arabie in Bad Aibling einkehren zu können.

„Das würde uns das Herz brechen!“ Als ihre Gäste mitbekamen, dass Arielle Arabie sich gezwungen sieht, ihr kleines thailändisches Lokal in Bad AIbling zu schließen, war schnell klar: „Das darf nicht sein.“ Denn das „Sweety Siam“ ist für sie mehr als „nur ein Restaurant“.

Bad Aibling – Was sich beinahe nur ganz leise vollzogen hätte, mündete sozusagen in einem Aufschrei. Ein paar Tage zuvor hatte Arielle Arabie mit ihr noch über den neuen Schriftzug für ihr Lokal „Sweety Siam“ gesprochen. Da bekam Nicole Kammerer eine WhatsApp-Nachricht, in der ihr die gebürtige Thailänderin mitteilte, dass sie sich gezwungen sieht, zu schließen, und sie ihr den zur Verfügung gestellten Kinderstuhl zurückgeben wolle.

Mit den Worten „Das darf nicht sein!“ startet Nicole Kammerer daraufhin ihren allerersten Hilfs-Aufruf per Social-Media-Video: „Ihr Lieben, ich hab ja sowas noch nie gemacht, aber das können wir nicht so stehen lassen. Nicht eh hier nicht alles probiert wurde!“ Das kleine Lokal ist nicht nur ihr ans Herz gewachsen, wie man aus den Reaktionen im Netz erkennt.

Nicole Kammerer startete den inständigen Appell in den sozialen Medien, damit Arielle Arabie ihr Sweety Siam nicht schließen muss.

Mit seinen 16 Plätzen ist es zwar in der Regel auch schnell ausgebucht, aber in den Wintermonaten blieben die Reservierungen nicht kalkulierbar. Arielle Arabie, die das Restaurant seit Mai 2023 führt, beschloss, die Reißleine zu ziehen und Ende Januar 2025 ihren Traum vom eigenen Restaurant mit authentischer thailändischer Küche schweren Herzens zu begraben.

Arielle Arabie bei ihrer großen Leidenschaft in ihrem „Sweety Siam“. Hier kommt nur selbst Zubereitetes mit frischen Zutaten auf den Tisch.

Doch diese Rechnung hatte sie buchstäblich ohne ihre treuen Gäste gemacht. Die Reaktionen haben sie im ersten Moment förmlich überrollt. Unter den Posts im Internet fanden sich jede Menge Interessierter, die das Lokal nicht kannten, sich aber von dem Konzept, das Nicole Kammerer schilderte, sehr angetan zeigten. Und auch alle Freunde meinten: „Man kennt das Sweety Siam bloß zu wenig. Aber jeder, der mal hier gegessen hat, kommt garantiert wieder.“ Authentische thailändische Küche. Nur frische Zutaten. Vegetarisch und vegan. Fast alle Snacks glutenfrei. Und mit Ari eine Gastgeberin, bei der man sich sofort wie Zuhause fühlt – das sind nur einige Attribute, die jeder Gast nennt, mit dem man über das Lokal spricht.

Auch die Bezeichnung „Snackbar“, die an dem eher unscheinbaren Eingang am Rande eines großen Gebäudekomplexes unmittelbar nach dem Bahnübergang an der Rosenheimer Straße zu lesen ist, sei irreführend, sagen ihre Stammgäste.. „Sterneküche müsste es heißen“, denkt Jasmin, eine ihrer Stammgäste, groß. „Das Sweety Siam ist das Beste, was Bad Aibling zu bieten hat, das müsste in jedem Reiseführer stehen“, stimmt Sarah mit ein. Auch sie ist vom ersten Besuch an Stammgast – daraus hat sich längst eine Freundschaft mit „Ari“, wie sie von den meisten liebevoll genannt wird, entwickelt.

An Abenden, an denen viel los ist, helfen auch mal Freundin Senta (links) und Schwester Barbie mit.

Arielle Arabie ist von Beruf Buchhalterin. Doch gekocht hat sie schon immer für ihr Leben gern. Gelernt hat sie es von ihrer Urgroßmutter in Thailand, in Nonthaburi. Dort ist es üblich, dass schon die Kinder in der Küche mitwirken. „Ich habe ihr täglich fasziniert zugesehen, wie sie wertvolle Zutaten mit zauberhaften Aromen und betörenden Düften zu Speisen für die Familie zubereitet hat. Ich liebte ihre Reiskekse aus gerösteten Reiskörnern, gerösteten Kokosflocken vermengt mit Kokosblütenzucker.“

Auch als sie im Alter von 13 Jahren nach Deutschland kam, zog es die leidenschaftliche Hobbyköchin immer wieder an den Herd. „Das Kochen verbindet mich emotional mit meiner Herkunft, meinen Wurzeln und meiner Familie.“ Sie begann zu variieren, zu probieren, zu „komponieren“. Verzichtete auf Fleisch, und schließlich größtenteils ganz auf tierische Produkte. Experimentierte mit Gewürzen, mit Saucen, stellt beispielsweise die in der thailändischen Küche unverzichtbare Chilipaste selbst her, gibt nicht auf, bis sie die für sie perfekte Konsistenz und den perfekten Geschmack erreicht hat.

„Das geht nur mit einwandfreien und naturbelassenen Produkten“, sagt sie. Die meisten Zutaten sind in Bio-Qualität, Glutamat kommt ihr nicht in die Küche, sie verwendet Kräuter und selbst zusammengestellte Gewürze, die dem als Fleischersatz gehandelten Seitan, Tofu, Pilzen und vielem mehr einen Geschmack verleihen, den viele ihrer Gäste überhaupt nicht – oder höchstens von Reisen durch Thailand – kennen.

Gurkensuppe als Vorspeise zum Geburtstagsessen von Christine aus Berlin. Wenn sie in Bad Aibling ist, führt sie der Weg zusammen mit Familie und Freunden stets zu Arielle Arabie.

Das bekräftigt auch Christine, die an diesem Abend ihren Geburtstag im „Sweety Siam“ feiert. „So etwas wie hier bekomme ich sonst nur in Thailand selbst.“ Sie kommt aus Berlin, hat das „Sweety Siam“ durch Schwiegertochter Lisa kennengelernt, die „quasi einmal in der Woche hier ist“. Auch sie hat Arielle Arabie längst ins Herz geschlossen. Zur geschlossenen Gesellschaft an diesem Abend gehört auch Tuntenhausens Bürgermeister Georg Weigl, der Arielles Küche ebenfalls sehr schätzt und gerne mit Familie hier herkommt.

Besonders schätzen die Gäste das Konzept des „Sweety Siam“. Dort gibt es keine ellenlangen Speisekarten, sondern in der Regel zwei Tagesgerichte. Zum Beispiel Pad Thai, also Reisbandnudeln in selbstgemachter Tamarinden-Soße, Seitan, Tofu und Wok-Gemüse. Oder Gaeng Gari – Wok-Gemüse in gelbem Curry, Sojageschnetzeltes und Thai Sweet Basilikum. „Wobei Arielle nicht nur zu jedem Gericht eine Besonderheit zu erzählen weiß, sondern auch auf jeden Gast einzeln eingeht“, schwärmt Jasmin.

„Diese Namen kann sich kein Mensch merken, aber es schmeckt einfach genial.“

Stammgast Jasmin

Auch wer eigentlich schon satt ist, lässt sich ungern ihre Snacks entgehen. Herzhafte wie Kaow Tord (Reistaler mit Kaffirblatt und hausgemachter Sauce aus Reisessig und frischen Gurken). Oder Süßes wie die sagenhaften Lotus-Cookies (Khanom Dok Jok), Tapioka-Perlen mit Mango-Creme oder schwarzer Klebereis mit Tarowurzeln. „Diese Namen kann sich kein Mensch merken, aber es schmeckt einfach genial“, lacht Jasmin. Und auch Elias ließ sich gerne überzeugen: „Ich bin eigentlich überhaupt nicht so für Süßes, aber das hier schmeckt so außergewöhnlich, dass ich gar nicht sagen kann, was meine Lieblingsnachspeise ist.“

Arielle macht nicht nur die Schürzen aus thailändischen Stoffen selbst. Sie gibt auch Kochkurse. Ihre Stammgäste Jasmin und Manu sind begeistert. Ihr erstes Date haben sie im Sweety Siam verbracht – als einzige Gäste mitten im tobenden Schneesturm.

Dadurch, dass das Lokal so klein ist, kommen die Gäste auch leicht ins Gespräch. „Hier sind schon viele Freundschaften entstanden“, bestätigt Sarah das, was zuvor schon Nicole Kammerer sagte. „Bei Ari fühlt man sich wie im Wohnzimmer, die Atmosphäre ist wunderbar und ihr Essen ist ,Essen für die Seele‘.“ Jasmin und Manu hatten sogar ihr erstes Date im „Sweety Siam“. Es war in mehrerlei Hinsicht unvergesslich: „Es war am ersten Adventssamstag 2023, als in Bad Aibling damals der krasse Schneesturm tobte. Wir kamen spät an und waren die einzigen im Lokal, wir hatten es ganz für uns. Ari hat uns ein ,Dinner for two‘ gezaubert“, erinnern sich die beiden. „Wir sind sowieso oft die Letzten, die kommen, und die, die am längsten bleiben“, lachen sie.

Gäste aus Salzburg und Berlin

Manu kommt aus Traunstein. Doch auch aus Salzburg, wo Arielle Arabie vorher gekocht hat, folgen ihr Gäste bis nach Bad Aibling. Auch, um an ihren Kochkursen teilzunehmen. Was früher oder später offenbar jeder ihrer Gäste mal macht. Sarah sowieso, und auch Elias. „Sie erklärt wirklich alles ganz genau, vom Gemüseschneiden und richtigen Mörsern über das Anbraten bis hin zum raffinierten Würzen“, sagt Elias. „Wir essen viel vegan, aber so, wie Ari Seitan zubereitet, das haben wir alle noch nicht gekannt“, sagt die geschlossene Gesellschaft an diesem Tisch.

Das Lokal ist ihr Lebenstraum

Währenddessen rührt Arielle Arabie im Topf, ihre Freundin Senta richtet den Salat an und ihre Schwester Barbie serviert mit dem Tablett. Alle gewandet in schmucke bunte Schürzen, die Arielle Arabie aus thailändischen Stoffen ebenfalls selbst herstellt – was ihr nicht selten die Nachfrage seitens der Kundschaft einbringt. Bis auf die gelegentliche Zuarbeit ihrer Helferinnen schmeißt Arielle Arabie ihr Herzensprojekt alleine.

Dass es weitergeht, hoffen ihre Gäste alle. So war das Lokal in den letzten Tagen die meiste Zeit ausgebucht, die Abholer gaben sich die Klinke in die Hand. „Ich bin immer noch völlig überwältigt von der unglaublichen Hilfsbereitschaft von so vielen Menschen“, sagt Arielle Arabie bewegt. „Überwältigt und glücklich. Wenn es so weiter geht wie letzte Woche, dann stehen die Sterne für mich und mein kleines Lokal in Bad Aibling mehr als gut.“

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