Apotheker-Streik in Rosenheim
„Der Winter wird schwierig“: Werden in Rosenheim bald die Medikamente knapp?
Die Apotheken in Deutschland haben mit massiven Problemen zu kämpfen – und keiner weiß es. Daher haben Apothekerverbände für Mittwoch (22. November) zum Streik aufgerufen. Wenn sich nichts ändert, fürchten sie schwere Folgen. Welche Apotheken in der Region Rosenheim trotzdem geöffnet bleiben.
Rosenheim – Ein Berg an Bürokratie, hohe Kosten, fehlende Medikamente und mangelnder Nachwuchs. Mit diesen Sorgen müssen sich Apothekenbetreiber in ganz Deutschland auseinandersetzen. Bisher hat sich kaum etwas getan. Und das, obwohl schon im Juni etliche Apotheken in ganz Deutschland gestreikt und ihre Filialen für einen Tag dichtgemacht hatten.
Jetzt hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. (ABDA) erneut zum Streik aufgerufen. Am Mittwoch, 22. November, soll es dem Verein zufolge flächendeckende Apothekenschließungen in Süddeutschland geben. Auch in Rosenheim müssen zahlreiche Kunden damit rechnen, vor verschlossenen Türen zu stehen.
Rosenheimer Apotheker schimpft gegen Lauterbachs Politik: „Kontraproduktiv“
So beispielsweise bei der Bahnhof-Apotheke in der Münchener Straße. Seit einer Woche weist ein Zettel am Eingang darauf hin, dass am 22. November geschlossen ist. „Die öffentlichen Apotheken sind unterfinanziert. Es gibt ein massives wirtschaftliches Problem“, erklärt Dr. Rudolf Haase von der Bahnhof-Apotheke auf OVB-Anfrage. Daher fordert die ABDA, den Festzuschlag zu erhöhen, welcher zum Ausgleich der fixen Betriebskosten der Apotheken eingeführt wurde. Derzeit liegt dieses bei 8,35 Euro – benötigt würden zwölf Euro, fordern die Apotheker.
Doch nicht nur die Unterfinanzierung sei ein Problem. Auch die inzwischen schon seit über einem Jahr bestehenden Lieferengpässe bei verschiedenen Medikamenten belasten die Apotheker. Dadurch komme es laut Haase nämlich nicht nur zu einem Umsatzausfall, auch der bürokratische Aufwand steige immer weiter. Haase zufolge seien die Lieferengpässe größtenteils politisch verursacht. Sein Lösungsvorschlag: „Die Rabattverträge der Krankenkassen sollten abgeschafft werden. Nur so wird Deutschland auch für die pharmazeutischen Hersteller wieder attraktiv.“
So funktionieren die Rabattverträge der Krankenkassen
Rabattverträge sind Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern. Das Ziel dieser Verträge ist es, die Kosten für Medikamente zu reduzieren. Krankenkassen verhandeln dabei mit Pharmaunternehmen über Rabatte für bestimmte Medikamente. Im Gegenzug sichern die Krankenkassen den Herstellern zu, dass ihre Produkte bevorzugt an die Versicherten abgegeben werden, vorausgesetzt, die Qualität und Wirksamkeit der Medikamente entsprechen den Standards.
Wenn ein Arzt ein Medikament verschreibt, das unter einen Rabattvertrag fällt, erhält der Patient in der Apotheke in der Regel das preisgünstigere, rabattierte Arzneimittel. Für die Versicherten ändert sich dabei nichts an der Qualität oder Wirksamkeit der Medikation, da alle Medikamente, die in Deutschland zugelassen sind, strenge Prüfverfahren durchlaufen müssen.
Zudem macht er deutlich, dass er wenig von Lauterbachs Gesundheitspolitik hält. Was der Bundesgesundheitsminister vorschlägt, sei „durchwegs kontraproduktiv“. Ein Modell mit „Pseudo-Apotheken“, welche als Video-Pharmazie-Stellen funktionieren, „werden die strukturellen Probleme nicht lösen.“ „Die Gesundheitsversorgung ist massiv gefährdet“, warnt Haase. Genau deshalb seien Streiks nun ein wichtiges Mittel, um auf die Lage der Apotheken aufmerksam zu machen.
„Wir arbeiten quasi für die Vergütung von vor 20 Jahren“, ärgert sich Haase. Daher fordern die Apothekerverbände unter anderem einen Inflationsausgleich. Dieser würde zudem nicht einmal die Kunden, sondern viel mehr die Krankenkassen treffen.
Welche Apotheken am Streiktag in Rosenheim nicht schließen
Nicht alle Apotheken sehen einen Streik inklusive Filialschließung als probates Mittel gegen die Problematiken. Annette Reindl, Leiterin der Christkönig-Apotheke und der Apotheke im Bahnhof, wird ihre Filialen am 22. November nicht komplett schließen, wie sie auf OVB-Anfrage erklärt. „Ich halte den Streik nicht für die richtige Form. Dieser trifft schließlich am Ende die Kunden – und die können nichts für die Lage der Apotheken“, sagt Reindl. Sie wünscht sich von den Vertreterverbänden und Vereinen, dass ein anderes Mittel gefunden wird, um die Interessen durchzusetzen.
Auch Nadja Wehner von der Rosenapotheke in Happing war sich zunächst unsicher, wie sie mit der Situation umgehen soll. Sie hat mit denselben Problemen zu kämpfen, wie alle anderen Apotheken auch. Dennoch fühlt sie sich ihren Kunden, die zu 80 Prozent Stammkunden sind, besonders verpflichtet. Sie stehe zwar komplett hinter den Forderungen der Apothekerverbände, hat sich am Ende aber für eine Kompromisslösung entschieden. Sie wird am 22. November ihre Filiale nur am Nachmittag geschlossen haben. Da viele Ärzte am Mittwoch ohnehin geschlossen hätten, würde dies die Kunden nicht allzu stark treffen. Wehner vertritt dieselbe Meinung wie Reindl. Sie wünscht sich beispielsweise Demos, anstatt die Problematik auf dem Rücken der Kunden auszutragen.
Streik hin oder her: Apotheken sind ein Grundstein der Gesundheitsversorgung. Und gerade im Winter, mit steigender Anzahl an verschiedensten Infektionskrankheiten, werden sie wieder einmal Hochsaison haben. Doch Haase hat hierfür eine düstere Prognose: „Aufgrund der aktuellen Lieferengpässe und der zu erwartenden Krankheitswelle glaube ich, dass der Winter hinsichtlich der Versorgungslage schwierig wird“, sagt der Apotheker. „Aber ich hoffe, dass ich mich irre.“
