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Apothekerverband klärt auf

Medikamenten-Mangel auch in Rosenheim? Darauf müssen sich Kunden im Herbst einstellen

Annette Reindl, Leiterin der Christ-König Apotheke und der im Bahnhof Rosenheim
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Die Lieferengpässe sorgen für Unruhe in den Apotheken: Auch bei Annette Reindl, Leiterin der Christ-König-Apotheke und der im Bahnhof Rosenheim. In der Not wird sie auch mal kreativ.

In Apotheken fehlen Blutdrucksenker, Hustensäfte, Fiebermedikamente – und die Liste wird immer länger. Kritisch wird es dann, wenn ein Patient auf ein bestimmtes Medikament angewiesen ist. Schon im Winter 2022 kam es zum Medikamenten-Engpass. Spitzt sich die Lage in Rosenheim erneut zu?

Rosenheim – Die Situation ist angespannt. An einigen Tagen in der Woche muss Annette Reindl ihren Kunden erklären, warum sie ihre Medikamente derzeit nicht vorrätig hat. Der Leiterin der Apotheken Christ-König und im Bahnhof Rosenheim reicht es. Der Medikamentenmangel ist so nicht mehr hinzunehmen. „Es hat Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung der Patienten“, sagt Reindl. Dramatisch ist die Lage dann, wenn ein Patient auf ein bestimmtes Präparat angewiesen ist. Und das sei mittlerweile keine Seltenheit mehr.

Fehlende Rohstoffe sind Teil des Problems

Seit dem Winter 2022 ist der Medikamentenmangel bekannt. Doch das Problem gibt es schon länger, sagt Reindl. Wie viele Medikamente derzeit in ihren beiden Läden fehlen, weiß sie nicht. „Man verliert den Überblick, weil es tagesaktuell zu Lieferengpässen kommt“, sagt die Apothekerin. Doch das Problem liegt nicht nur bei den nicht funktionierenden Lieferketten. Auch werden Rohstoffe nicht freigegeben, die dringend benötigt werden. Und auch das Verpackungsmaterial sei mittlerweile knapp.

„Die Wirtschaftlichkeit für viele pharmazeutische Unternehmen ist nicht mehr gegeben“, sagt Reindl. So werden einige Präparate nicht mehr produziert oder auf dem deutschen Markt angeboten. „Weil einfach zu wenig Vergütung gezahlt wird“, sagt Reindl. Im Kinderbereich fehlt es an Antibiotika. Denn auch hier ist es immer schwieriger, an die Wirkstoffe heranzukommen.

Der Frust über die Lieferengpässe steigt und das nicht nur bei Annette Reindl.

Keine Verbesserung der Versorgungslage

Aus diesem Grund hat sich Reindl etwas einfallen lassen. Sie geht einen Schritt weiter und wird kreativ. Es ist nicht bei jedem Wirkstoff möglich, aber einige Medikamente für Kinder produziert sie nun selbst. Doch das ist nur der letzte Ausweg. „Wir versuchen erst großflächig die verschiedenen Hersteller anzufragen, ob sie die Medikamente vorrätig haben“, sagt Reindl. Oft werden kleinere Mengen bei verschiedenen Herstellern bestellt, um die Reserven wieder aufzufüllen.

Das Verständnis der Kunden auf diese Problematik ist in der letzten Zeit deutlich angestiegen. Diese Unterstützung bekommt auch die Bahnhof-Apotheke Francesconi zu spüren. „Die Kunden haben viel Verständnis für die schwierige Situation der Apotheken, die nichts unversucht lassen, um die Patienten mit Arzneimitteln zu versorgen“, sagt Dr. Rudolf Haase. Die aktuelle Lage geht auch nicht an ihm vorbei, der Angestellte spricht sogar von einem „massiven Mangel, der weiter ansteigt.“

Auf einer sogenannten Defektliste tragen Apotheker die ihnen fehlenden Medikamente ein. „Aktuell fehlen in unserer Apotheke 540 Medikamente“, sagt Haase. Nicht nur Antibiotika für Kinder und Erwachsene stehen auf dieser Liste, sondern auch für manche Patienten notwendige wie Blutdruckmittel. Der Grund dafür ist für Haase deutlich. „Das Hauptproblem ist, dass es momentan keinerlei Anzeichen für eine Verbesserung der Versorgungslage gibt“, sagt er. Auch bei ihm ist der Frust deutlich zu spüren: „Es fühlt sich so an, als ob zu wenig seitens der Politik unternommen wird.“

Kein Überblick mehr, was fehlt?

Doch wie ernst ist nun die Lage? Die Lieferengpässe sind in ganz Deutschland zu spüren. Welche bestimmten Arzneimittel fehlen, könne mittlerweile nicht mehr eingegrenzt werden. „Sie betreffen das komplette Portfolio – von Schmerzmitteln über Blutdrucksenker, Antidepressiva und Insuline, es sind im Grunde alle Bereiche betroffen“, teilt Pressesprecher Florian Nagele vom Rosenheimer Apothekerverband mit.

In dieser Lage seien die Apotheker gezwungen, kreativ zu werden. So halten viele Apotheker Rücksprache mit den Ärzten, um Alternativen für die Patienten zu finden. Beispielsweise werden Medikamente mit anderen Dosierungen verkauft. Doch dies sei für die Angestellten „aufwendiger, schwieriger und vor allem auch zeitintensiver.“

Gründe für die Lieferengpässe gibt es laut Nagele zahlreiche. Seit vielen Jahren spitzt sich die Ökonomisierung in der Arzneimittelversorgung zu. „Drastisch ausgedrückt: der Sparwahn der gesetzlichen Krankenkasse hat dazu geführt, dass die Wirkstoffproduktion aus Kostengründen nahezu komplett in den chinesischen und indischen Raum verlagert wurde“, sagt Nagele. Dadurch kommt es immer mehr zu unzuverlässigen Lieferketten. Ein weiterer Grund ist das niedrige Preisniveau auf dem deutschen Markt. „In anderen Ländern wird einfach mehr für die Arzneimittel bezahlt, wodurch der deutsche Markt für die pharmazeutischen Unternehmen uninteressant wird“, sagt Nagele.

Es muss sich etwas ändern

Der Frust wächst bei den Apothekern und dem Apothekerverband. Seit Jahren weisen sie auf diese Problematiken hin und drängen die Politik, endlich etwas zu unternehmen. „Inzwischen wird versucht gegenzusteuern, zum Beispiel durch Rückverlagerung der Wirtstoffproduktion nach Europa“, sagt Nagele. Doch das ist ein Prozess, der viele Jahre in Anspruch nimmt.

Bis sich die Situation wieder entspannt, werde es wohl noch lange dauern. Klar ist für Nagele: „Es muss für die Unternehmen wieder wirtschaftlich werden, in Europa zu produzieren.“ Es ist deutlich, wer nun handeln muss. „Hier ist die Politik gefordert, endlich aktiv zu werden“, sagt Nagele.

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