Grundsteuerhebesätze bleiben 2025 gleich
Damit „Bürger vernünftig davon kommen“: Stephanskirchen verzichtet womöglich auf viel Geld
Die Gemeinde Stephanskirchen verzichtet auf Steuereinnahmen. Weil sie sich’s leisten kann. Zumindest im kommenden Jahr. Deswegen bleiben die Hebesätze für die Grundsteuern A und B im nächsten Jahr unverändert. Das sind die Gründe für die Entscheidung der Kommunalpolitiker.
Stephanskirchen – Zwei Wochen vor der Gemeinderatssitzung sah die Sache noch anders aus. Da lag der Vorschlag auf dem Tisch des Haupt- und Finanzausschusses, die Grundsteuer-Hebesätze – eine von zwei Berechnungsgrößen – von 270 auf 310 zu erhöhen. Dagegen regte sich bei den Ausschussmitgliedern Widerstand. Was Bürgermeister und Verwaltung sichtlich nicht begeisterte.
In die Gemeinderatssitzung ging die Verwaltung dann mit dem Vorschlag, die Sätze ab 1. Januar 2025 nicht zu verändern. Bürgermeister Karl Mair (Parteifreie Bürger) hatte zwar angemerkt, dass „wir nicht wissen, was uns nach der Grundsteuerreform erwartet. Das ist auch nicht abzusehen“.
Er berichtete aber auch von einem Treffen der Landkreis-Bürgermeister. Dort habe eine Vertreterin des Bayerischen Gemeindetages erklärt, dass im kommenden Jahr die meisten Kommunen bei gleichbleibenden Hebesätzen mehr Einnahmen hätten. Weil die Bemessungsgrundlage eine andere sei. Daher habe die Verwaltung vorgeschlagen, dass zunächst alles beim alten bleiben soll.
Die Aussage seiner Kollegin, dass die Einnahmen bei gleichbleibenden Hebesätzen steigen, wollte Hans-Peter Mayer, Geschäftsführer des Bayerischen Gemeindetages, so nicht stehen lassen. „Wir haben alle denkbaren Entwicklungen“, erklärte er auf Anfrage der OVB-Redaktion. Einige Gemeinden müssten massiv erhöhen, andere könnten senken, die dritten auf dem gleichen Level bleiben – um am Ende vergleichbare Einnahmen wie 2023 oder 2024 zu haben.
„Die Gemeinden sollten auf ihre prognostizierte Finanzlage 2025 schauen und dann so entschieden, dass die Bürger vernünftig davon kommen“, so Mayers Rat. Genau so war auch der Tenor im Stephanskirchner Gemeinderat. „Wir sollten mehr Datenfutter abwarten, dann wissen wir eher, wo die Reise hingeht“, formulierte es Herbert Bauer (Parteifreie Bürger).
Eine Einstellung, die in der Kämmerei gut angekommen sein dürfte. Denn dort heißt es, dass die bisher übermittelten Messbetragsbescheide eine Fehlerquote von rund 20 Prozent aufweisen. Die in der Kämmerei nachgeprüften Messbescheide deuten darauf hin, dass die Einnahmen aus der Grundsteuer etwa gleich bleiben. Allerdings sind erst zehn Prozent verarbeitet, sodass sich da noch Änderungen ergeben können.
Grundsteuer A und B – was ist das eigentlich?
Die Grundsteuern A und B sind neben der Gewerbesteuer die einzigen Steuern, über deren Höhe Kommunen selbst entscheiden. Die Grundsteuer, so erklärt es Hans-Peter Mayer, Geschäftsführer und Finanzexperte des Bayerischen Gemeindetages, wird erhoben für Leistungen der Daseinsvorsorge, die nicht durch Beiträge oder Gebühren gedeckt sind. Zur kommunalen Daseinsvorsorge gehören unter anderem Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Straßenunterhalt, Schulen, Büchereien und Museen. Die Grundsteuer wird sowohl auf alle Flächen erhoben, die dem Wohnen dienen oder dienen könnten (Grundsteuer B), als auch auf alle landwirtschaftlichen Flächen (Grundsteuer A). Eselsbrücke für alle, die sich merken wollen, welche Grundsteuer welche ist: A = Agrar, B = Bau.
Jacqueline Aßbichler (CSU) fand den Vorschlag, die Hebesätze ab 1. Januar 2025 beizubehalten und die Entwicklung zu beobachten „absolut richtig“. Zumal eine Erhöhung vor allem Mieter träfe, auf die diese Erhöhung umgelegt werde. Und Landwirte, wie Robert Zehetmaier (Bayernpartei) anfügte. Petra Schnell (Unabhängige Fraktion) hingegen sprach sich für die ursprünglich angedachte Erhöhung der Hebesätze auf 310 aus. „Wir haben so viele anstehende Investitionen, so viele Wünsche der Bürger, dass wir jeden Euro brauchen können. Und das Geld kommt ja den Bürgern wieder zugute.“
Da waren sie wieder, die „magischen 310 v.H“ bei den Hebesätzen. Die hatte Stephanskirchen in den Jahren 2016 bis 2019 schon einmal, dann wurden sie gesenkt. Und die 310 sind der sogenannte Nivellierungssatz. Der wird Berechnungen für Umlagen und Zuschüssen zu Grunde gelegt. Nicht allen Zuschüssen, die für Feuerwehrfahrzeuge zum Beispiel sind fix. Aber bei vielen Bauvorhaben. Kämmerin Susanne Wittmann führte als – längst abgerechnetes – Beispiel Umbau und Erweiterung der Otfried-Preußler-Schule an. Nach den neuen Spielregeln hätte die Gemeinde dafür ihrer Ansicht nach mindestens zehn Prozent weniger Zuschuss bekommen. Bei einem 8,5-Millionen-Euro-Projekt kommt da schnell eine sechsstellige Summe zusammen.
Finanzprobleme über Hebesätze lösen? Gemeindetag will Bund und Länder in die Pflicht nehmen
Hebesätze der Grundsteuern und der Gewerbesteuern sind nicht in Stein gemeißelt. Sie sind in jedem Jahr wieder Bestandteil der Haushaltssatzung. Und könnten damit jährlich erhöht oder gesenkt werden. Was nach Ansicht von Experten zunehmend der Fall sein könnte. Denn Gemeinden kümmern sich längst nicht mehr nur um ihre ureigensten Aufgaben, bekommen immer mehr von Bund und Land aufgebrummt. „Die Finanzprobleme der Gemeinden werden immer größer“, bestätigt Hans-Peter Mayer vom Bayerischen Gemeindetag. Sie übernehmen inzwischen 25 Prozent aller öffentlichen Aufgaben, bekommen dafür aber nur 14 Prozent der Einnahmen. „Wir haben eine Unwucht“, nennt es Mayer. Zumal die Kommunen über Kreis- und Bezirksumlage zusätzliche Aufgaben mitfinanzieren. „Die Ausgaben fliegen uns um die Ohren“, sagt Mayer. Bund und Länder müssten dringend nachdenken, wie die Kommunen entsprechend mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden.
Erschwerend hinzu kommt, dass der Nivellierungssatz auch bei der Berechnung von Umlagen angenommen wird. Was sich zum Beispiel bei der Kreisumlage bemerkbar machen wird. Diese ist in vielen Gemeinden, auch in Stephanskirchen, heute schon der größte Ausgabenposten, betrug 2024 rund 7,8 Millionen Euro. Dass Stephanskirchen durch seinen Grundsteuerhebesatz von 270 eine größere Summe liegen ließ, interessiert den Landkreis nicht. Ebenso wenig wie es Bund und Land bei anderen Umlagen interessiert. In vielen Gemeinden, auch in Stephanskirchen, ist der Anteil an der Einkommenssteuer längst der größte Einnahmeposten, 2024 hatte die Kämmerin 8,7 Millionen angesetzt. Auch hier legt die Staatsregierung 310 v.H. zu Grunde. „Ja, wir verschenken mit dieser Entscheidung möglicherweise viel Geld“, sind sich Bürgermeister und Kämmerin einig. Aber die Bürger werden nicht unnötig belastet.