Zum 100. Geburtstag von Otfried Preußler
„Ich habe in den Büchern gelebt“: Liebevolle Erinnerungen an einen Geschichten-Erzähler
Neugierig auf seine Mitmenschen war Otfried Preußler immer. Das muss man vielleicht als wirklich guter Schriftsteller auch sein. Aber wer war eigentlich der Mensch Otfried Preußler?
Stephanskirchen – Echtes Interesse für andere Menschen und nicht selten auch fast liebevolle Freundlichkeit zeichneten Otfried Preußler aus. Erlebt hat das Helga Bauer. Sie war junge Lehrerin in Fürstett und traf bei einem gemeinsamen Lehrerausflug auf Otfrid Preußler, der damals an der Evangelischen Grundschule in Rosenheim unterrichtete. Preußler fragte Helga Bauer nach ihrem Ausbildungsweg und dabei erzählte sie ihm, dass sie eine Zeit lang auch Japanologie studiert hatte. „Ein paar Tage später stand Preußler auf unserem Schulhof in Fürstett und überreichte mir den Räuber Hotzenplotz in der japanischen Übersetzung“.
Kleine Geschichten erinnern an großen Schriftsteller
Es waren diese kleinen Geschichten, erzählt von Menschen, die Otfried Preußler persönlich gekannt hatten, die die Veranstaltung am Tag seines 100. Geburtstages zu einer besonderen machten. Ort der Feier natürlich – es hätte nicht anders sein können – die Otfried-Preußler-Schule in Stephanskirchen.
Man erfuhr an diesem Abend, der von Florian Schrei moderiert wurde, übrigens auch, dass es gar nicht einfach gewesen war, der Schule diesen Namen zu geben. Ausgangspunkt war, dass der damalige Schulleiter Peter Hessen erfahren hatte, dass sich auch die Grundschule in Raubling mit dem Gedanken trage, Otfried Preußler zum Namenspatron zu machen. Eile war also geboten, Hessen sprach bei Preußler vor und der gab sein Einverständnis. Nicht so die Ministerialbürokratie. Die berief sich auf ihre Grundsätze, die besagten, dass nichts nach noch lebenden Personen benannt werden dürfe: Keine Straße, keine Schule, kein Baum.
Das Lehrerkollegium aber ließ nicht locker und fand – damals noch ganz ohne Internet – heraus, dass es in Bayern bereits eine Schule gab, die nach Albert Schweitzer benannt worden war, als dieser noch lebte. Mit diesem Argument bewaffnet, so erzählt Hessen, sei man den Herren im Ministerium so lange auf den Wecker gegangen, bis der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber schließlich zähneknirschend klein beigegeben habe.
Kinder sind die besseren Menschen
Immer präsent an dem Abend waren natürlich auch der Räuber Hotzenplotz, der kleine Wassermann, die kleine Hexe und das kleine Gespenst. Dass das „klein“ hier so prominent sei, komme dabei nicht von ungefähr, so sagte Bürgermeister Karl Mair bei seiner kleinen Eröffnungsrede. Preußler habe „die Kleinen“, die Kinder für die eindeutig mitfühlenderen und oftmals auch gewitzteren Mitmenschen gehalten. Wohl auch von daher kommt die Begeisterung, die Kinder bis heute ganz tief in seine Geschichten eintauchen lässt.
„Ich habe in den Büchern gelebt“, erzählte etwa Christine Annies, die spätere langjährige Sekretärin von Otfried Preußler. „Und hab mir in meiner Begeisterung den Autor dieser Bücher wie einen Prinzen, als Lichtgestalt vorgestellt – wer so etwas schreiben konnte, konnte nichts anderes sein“. Um so enttäuschter war sie, als sie den echten Preußler einmal sah, als er an ihrer Schule vorbeiging. „Unsere Lehrerin hatte uns ans Fenster gerufen und der Herr, der da vorbeiging, hatte so gar nichts von einem Prinzen: mehr Glatze als Haare und eine große dunkle Brille. Er hat uns sogar zugewunken, aber ich war so aus meiner Welt gefallen, dass ich gar nicht zurückwinken konnte.“
Die Protagonisten seiner Geschichten aber blieben ebenso märchenhaft wie lebendig und alle Gäste des Abends, die Otfried Preußler noch selbst als Lehrer erlebt hatten, waren sich einig: Sein Vorlesen seiner Geschichten – die oft noch im Stadium des Manuskriptes waren – gehört zu den unvergesslichen Höhepunkten der Schulzeit.
Otfried Preußler wurde an diesem Abend in vielen Facetten wieder lebendig, der deshalb ein würdiger Höhepunkt des Stephanskirchner Otfried-Preußler-Jahres war. Denn man darf vermuten, dass Otfried Preußler der Abend samt dem, was über ihn erzählt wurde, gefallen hätte. Und mehr kann man von einer Feier zum hundertsten Geburtstag eigentlich nicht erwarten.