Brenner-Nordzulauf – die Kernforderungen
Das gallische Dorf treibt den Preis hoch: Stephanskirchen bittet Bahn zur Kasse
Sie wollen keine Neubau-Bahntrasse Richtung Brenner. Die Stephanskirchner leisten Widerstand wie Asterix‘ gallisches Dorf gegen die Römer. Und treiben mit ihren Kernforderungen die Kosten hoch – nach dem Motto: „Ihr wollt hier durch? Das wird teuer.“
Stephanskirchen – „Werte Bahn, wenn Ihr 8,5 Kilometer unter unserer Gemeinde durch wollt, 30 Hektar Grund für ein Jahrzehnt oder dauerhaft nutzen wollt – dann zahlt Ihr. Und zwar richtig.“ So könnte die Zusammenfassung der Stephanskirchner Kernforderungen in Sachen Brenner-Nordzulauf (BNZ) lauten. Warum? Weil die Gemeinde Widerstand leisten und die Kosten hochtreiben will. Denn der Bundestag beschließt 2025 letztlich nicht das Projekt BNZ, sondern dessen Finanzierung
Dass Kernforderungen vorgelegt werden, sei keinesfalls als Zustimmung oder Billigung der Bahn-Pläne zu werten, die Gemeinde bleibe bei ihrer Ablehnung des Projekts. So haben es die Rechtsanwälte Roland Schmidt und Philipp Schnell in der Präambel der Kernforderungen festgehalten. Er habe schon öfter und länger mit der Bahn zu tun gehabt und das immer als – meist erfolgreicher – Gegner, stellte sich Roland Schmidt den Gemeinderäten in der jüngsten Sitzung kurz vor. Sein Kollege Philipp Schnell brauchte sich kaum vorzustellen – er ist Stephanskirchner. Noch dazu mit der Kommunalpolitik aufgewachsen.
Es bleibt dabei: Stephanskirchen lehnt den Neubau einer Bahntrasse Richtung Brenner-Basistunnel ab, bezweifelt damit auch die Sinnhaftigkeit der von der Bahn vorgelegten Trasse „Cyan“. Der Bedarfsnachweis fehle ebenso, wie die Kosten-Nutzen-Rechnung. Beides sei vor- und komplett offenzulegen, inklusive Gutachten und Berechnungen. Und zwar so weit vor dem Planfeststellungsverfahren, dass die Gemeinde ausreichend Gelegenheit zu einer Stellungnahme habe.
Alternativenprüfung wiederholen – aber dieses Mal richtig
Außerdem müssen die Alternativenprüfung wiederholt werden, denn die sei unzureichend. So sei zum Beispiel die im Bau befindliche Strecke München-Mühldorf-Freilassing-Salzburg nicht berücksichtigt worden. Obwohl diese die Strecke München-Rosenheim nachweislich entlaste. Zudem sei ein möglicher Ausbau der Strecke Rosenheim-Wasserburg-Mühldorf-Landshut nicht in Betracht gezogen worden. Der entlaste aber den Knoten München. Auch die Innunterquerung nördlich von Rosenheim könne nicht mit dem Argument „zu teuer“ einfach vom Tisch gewischt werden.
Knackpunkt Trinkwasserschutz
Der zweite Knackpunkt: Der Trinkwasserschutz. Der Brunnenstandort im Ödenwald im östlichen Gemeindegebiet ist bereits wasserrechtlich genehmigt, das Schutzgebiet wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2024 ausgewiesen. Die Brunnensohle und die beiden Tunnelröhren liegen in etwa der gleichen Tiefe, sind nur zirka 400 Meter voneinander getrennt. Ein Aufstauen oder Abdrängen der Grundwasserströme sei wahrscheinlich. Der Stephanskirchner Brunnen versorgt aber nicht nur die Gemeinde, er ist auch zweites Standbein eines großräumigen Trinkwasserverbundes. In einer Region, in der die Erschließung neuer Trinkwasserquellen sehr schwierig ist, wie auch das Wasserwirtschaftsamt bestätige, so die Gemeinde.
Grundwasserquellen in Innleiten gefährdet
Einige Kilometer weiter westlich sind die Grundwasserquellen der Innleiten durch das Tunnelportal gefährdet. Zumindest ist eine Beeinträchtigung nicht auszuschließen. Wird deren Nutzung erschwert oder behindert, wird die Trinkwasserversorgung inklusive Beiträge und Gebühren dadurch teurer, zahlt die St.Leonhardsquellen GmbH weniger Gewerbesteuer, kommt die Bahn für alle Folgekosten auf – dauerhaft. Für den Verein zur Wasserversorgung mit Sitz in Obernburg, der Teile der Gemeinde Stephanskirchen mit Wasser beliefert, gilt obiges.
Schäden an Denkmälern werden nicht toleriert
Das Tunnelportal in Innleiten befindet sich in einem Bereich mit dem Gefahrenhinweis „(tiefreichende) Rutschung“ nur Meter von einem FFH-Gebiet. Und nahe des in Gutes Innleiten mit Schloss, Gutshaus, Eishaus und historischen Fischbassins, zu finden in der Denkmalliste Bayern. Dazu kommen Brandgräber aus der Römerzeit sowie frühmittelalterliche Körpergräber, beides als Bodendenkmäler klassifiziert. Negative Auswirkungen auf Orts- und Landschaftsbild sowie Denkmäler sind auszuschließen. Sollte es zu Rutschen oder Setzungen kommen, muss die Bahn alle Immobilienbesitzer vollumfänglich entschädigen, inklusive des Wertverlusts der Liegenschaften.
Eigentümer von Wohnraum entschädigen
Ob in Innleiten oder in Eitzing, Scheiberloh, Weinberg, Sonnenholzen und weiteren Ortsteilen sind die Eigentümer der Häuser und Wohnungen für die Inanspruchnahme während der gesamten Bauzeit – derzeit auf acht bis 15 Jahre geschätzt, je nachdem wen man fragt – und den Wertverlust im vollen Umfang zu entschädigen. So wie die Gemeinde für bauliche Folgelasten im Verkehr. Ach, ja: Ein Alternativstandort für den 14 Hektar großen Verladebahnhof zwischen Eitzing und Weinberg, der solle auch noch gesucht werden.
Steffi Panhans (SPD), die Dritte Bürgermeisterin, machte dann den Deckel drauf: „unvorhergesehene Folgeschäden“ zahlt auch die Bahn. Der Passus ging diskussionslos mit in die Kernforderungen hinein. Das Schreiben geht ans Landratsamt und die DB Netze AG, das beschloss der Gemeinderat genauso einstimmig, wie die enthaltenen Kernforderungen.
