So dramatisch war der Unfallhergang
Kutschen-Unfall in Breitbrunn: Bad Endorferin (56) lebensgefährlich verletzt – Ein Augenzeuge berichtet
Dramatische Szenen im Herzen von Breitbrunn: Am Freitag (6. September) ereignete sich ein schwerer Kutschen-Unfall, bei dem eine Frau lebensgefährlich verletzt wurde. Was ist genau passiert? OVB hat mit einem Augenzeugen über den Unfallhergang gesprochen.
Prien/Breitbrunn – Freitag, 6. September, 12.40 Uhr: Blauer Himmel, strahlender Sonnenschein, gleißende Sommerhitze von 30 Grad. Der Start ins letzte Ferienwochenende könnte besser nicht sein. Alle wollen das herrliche Wetter genießen: Die Straßen rund um den Chiemsee sind voll. Auch in Breitbrunn. Lkw, Wohnwagen, Pkw, Motorräder, Räder – und mittendrin eine Pferdekutsche.
Die ist in Richtung Gstadt unterwegs, berichten Augenzeugen dem OVB. An der Plötzinger Straße will die Kutscherin, eine 56-jährige Frau aus Bad Endorf, rechts abbiegen. Das Gespann muss warten, weil aus der engen Straße ein Fahrzeug kommt. Gleichzeitig nähert sich im Gegenverkehr auf der Gstadter Straße ein Lkw.
Pferd scheut und flüchtet in Richtung Heimatstall
„Das Pferde fühlte sich offenbar bedrängt, war gestresst und drehte um“, beschreibt ein Augenzeuge die brenzlige Situation. Erfahrene Rosserer bestätigen gegenüber dem OVB, dass es sehr schwer ist, in solch einer Situation wieder die Kontrolle über das Pferd zu behalten. Im konkreten Fall galoppierte das Tier mit der Kutsche und den beiden Insassen wieder bergab in Richtung Ortsmitte von Breitbrunn. „Pferde sind Fluchttiere. In einer solchen Ausnahmesituation wollen sie zurück in den Heimatstall“, erläutert ein Pferdekenner aus Prien.
Die Kutscherin hat keine Chance. Sie verliert die Kontrolle über das Gespann. Das Pferd will zurück in Richtung Eggstätt. Im Kreuzungsbereich von Breitbrunn hat die Kutsche wieder Gegenverkehr. Aus Richtung Eggstätt kommt ein Pkw. Das Pferd scheut erneut und rennt geradeaus gegen die Verkehrsschilder. Die beiden Insassen werden aus der Kutsche geschleudert.
Kutscherin musste 10 Minuten reanimiert werden
Zur gleichen Zeit sitzen Gäste auf der Terrasse des nahegelegenen Cafés. Sie beobachten den schweren Unfall, leisten Erste Hilfe. Auch ein Allgemeinarzt eilt an den Unfallort. „Es waren dramatische Szenen“, berichten Augenzeugen.
Die 56-jährige Frau erleidet schwere Verletzungen. „Sie wurde etwa zehn Minuten lang reanimiert“, beschreiben Passanten den Kampf um ihr Leben. Im Rettungswagen wird sie so lange stabilisiert, bis sie im Rettungshubschrauber ins Klinikum nach Traunstein gebracht werden kann. Über ihren aktuellen Zustand liegen dem OVB keine Informationen vor. Auch ein 64-Jähriger aus Oberschleißheim, der mit in der Kutsche saß, wird leicht verletzt. Ihm geht es inzwischen aber wieder gut.
Vor Ort waren 15 Kameraden der Feuerwehr Breitbrunn, außerdem Einsatzkräfte des Rettungsdienstes, der Polizeiinspektion Prien sowie des Zentralen Einsatzdienstes Bad Aibling mit der Reiterstaffel. Nach Polizeiinformationen haben Besucher des Cafés nicht nur Erste Hilfe geleistet. Ein Ehepaar, das dem Kriseninterventionsdienst des BRK Rosenheim angehört, übernahm auch die Betreuung der Unfallbeteiligten und unmittelbaren Augenzeugen.
Pferd wird bei Unfall nicht verletzt
Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Rosenheim wurde ein unfallanalytisches Gutachten durch einen Sachverständigen angeordnet und vor Ort durchgeführt. Die Straße war für circa 1,5 Stunden voll gesperrt.
Das Pferd hat sich Augenzeugenberichten zufolge bei dem Unfall nicht verletzt. Es wurde von einem Tierarzt untersucht und dann mit dem Anhänger in seinen Heimatstall gebracht. Warum das Tier in der geschilderten Verkehrssituation durchgegangen ist, ist nicht bekannt. Wie ein Priener Rosserer auf Nachfrage des OVB erklärt, erhalten Kutschenpferde eine spezielle Ausbildung. Dabei müssen sie sich an Fahrgeschirr und Kutsche gewöhnen. Doch nicht nur das: Als Fluchttiere können sich Pferde im Straßenverkehr leicht erschrecken. Deshalb werden potenzielle Kutschpferde auch auf plötzliche laute Geräusche vorbereitet, beispielsweise mit Goaßlschnoizern.
Nur mit Kutscherführerschein auf den Bock
„Mit dem Pferdegespann zu fahren, ist ein Traum, aber es kann eben auch mal etwas passieren“, sagt ein Breitbrunner Pferdehalter. Deshalb darf nur auf den Bock, wer eine Ausbildung absolviert hat und einen Kutschenführerschein besitzt. Diesen kann man unter anderem beim Pferdekutschbetrieb von Herrenchiemsee erwerben.
Im Frühjahr und Herbst finden dort Zweispännerfahrkurse statt, bei denen die Teilnehmer sich nicht nur in Pferdepflege, sondern auch im praktischen Fahren üben und den sicheren Umgang mit einem Gespann lernen. „Ein hervorragender Ausbildungsbetrieb, da werden die künftigen Kutscher solide geschult“, so der Breitbrunner Pferdehalter. Nach Informationen der Chiemgauer Rosserer soll die verunglückte 56-jährige Frau aus Bad Endorf das Pferd gelenkt haben. Auch sie verfüge über einen Kutschenführerschein.