„Ereignis, das uns auch heute noch tief berührt“
Schreckliches Unglück mit fünf Toten am Wendelstein 1975: „Von Titanenfaust zertrümmert“
Fünf Tote und drei Verletzte forderte eine Naturkatastrophe vor 50 Jahren am Wendelstein. Eine mit acht Personen besetzte Schneeschleuder wurde am 28. Februar 1975 von einem Schneebrett erfasst und 200 Meter in die Tiefe gerissen. Wir blicken auf das tragische Unglück zurück und haben mit den Betreibern der Wendelsteinbahn darüber geredet, wie dem Ereignis heute noch gedacht und verhindert wird, dass so etwas noch einmal passieren kann.
Brannenburg - „Gegen 7.45 Uhr wurde eine mit acht Mann besetzte Schneeschleuder von einem Schneebrett erfaßt und 200 Meter in die Tiefe gerissen. Beim Aufprall auf eine Felsnase zerbarst die Fräse“, meldete das Oberbayerische Volksblatt (OVB) in seiner Ausgabe vom 1. März 1975. Der Hüttenwirt der Mitteralm, der 38-jährige Fritz B., sei sofort tot gewesen. „Ebenfalls noch an der Unglücksstelle erlag der 40-jährige Anton B. aus Brannenburg seinen Verletzungen. Kurze Zeit nach der Einlieferung ins Rosenheimer Krankenhaus starb der 37 Jahre alte Rudi W.“ Drei Tote, drei Schwer- und drei Leichtverletzte wurden zunächst gemeldet. Bei den Rettungsarbeiten verletzten sich außerdem drei Bundeswehrsoldaten, einer kugelte sich den Arm aus, ein weiterer brach sich ein Bein, der dritte erlitt Prellungen und Abschürfungen.
Ein Mitglied der Bergwacht wird zitiert: „Es sah aus, als wäre die Schneeschleuder von einer Titanenfaust zertrümmert worden!“ Das Schneebrett hatte sich bei der Aufwärtsfahrt. In einer Höhe von etwa 1500 Metern gelöst, als die Fräse, die von einer Lokomotive geschoben wurde, den zweiten Tunnel verließ, so der Bericht weiter. „Obwohl das Schneebrett nur 25 Meter breit und an die 30 Meter lang war, kippte es die Fräse um und warf sie in den Abgrund rechts neben den Geleisen.“ Der „Schneezug“ habe aus drei Teilen bestanden: „Eine Lokomotive schiebt bei der Bergfahrt die an sie gekoppelte Schneefräse vor sich her. Hinter sich zieht sie die sogenannte Talschleuder, deren Aufgabe es ist, den Schnee bei der Talfahrt aus dem Weg zu räumen. Die Talschleuder hatte bei der Bergfahrt daher keine Bedeutung. Die acht Mann befanden sich auf der Schneefräse.“
Schreckliches Unglück mit fünf Toten am Wendelstein 1975: „Von Titanenfaust zertrümmert“
Der Lokführer habe das Unglück mit ansehen müssen, unmittelbar einen Notruf abgesetzt und sei dann mit zwei Sanitätstaschen den Verunglückten zur Hilfe geeilt. Ein 29-jähriger Maschinenschlosser aus der Besatzung habe sich außerdem noch mit eigener Kraft zur Mitteralm geschleppt, wo er zusammenbrach. „Um 8.30 Uhr wurden die Brannenburger Bergwachtler verständigt. Bereits 15 Minuten später waren die Männer einsatzbereit. In der Zwischenzeit gab es Großalarm.“ Die Polizei, die Feuerwehren von Rosenheim und Degerndorf, Wagen der Sanitätskolonne und Einsatzgruppen des Technischen Hilfswerks und auch insgesamt vier Hubschrauber von Bundeswehr und Polizei seien angerückt.
Sofort nach Bekanntwerden der Katastrophe sei Staatssekretär Erich Kiesl (CSU) in München in einen Hubschrauber gestiegen und nach Brannenburg geflogen. „Bei einer Konferenz, zu der sich auch Landrat Knott und Landtagsabgeordneter Walter Schlosser einfanden, bescheinigte Kiesl den Rettungsmannschaften, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hätten, um den Verunglückten Hilfe zu bringen. Der Geschäftsführer der Wendelsteinbahn erklärte erschüttert, es sei nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn das Schneebrett einen vollbesetzten Fahrgastzug erfasst hätte. In einem einzigen Waggon finden rund 50 Personen Platz.“ - „In Brannenburg und Degerndorf konnten die Kirchen die vielen Trauergäste, die aus dem Inn- und Mangfalltal gekommen waren, kaum fassen“, berichtete die Zeitung dann am 5. März. „Degerndorfs Pfarrer Aichers besonderes Mitgefühl habe den schwergeprüften Eltern, die nunmehr das dritte ihrer sechs Kinder durch einen tragischen Unfall verloren hätten, gegolten. „Aber auch der Frau und den Kindern des Verunglückten galt die Anteilnahme des Geistlichen.“
Weitere Tote in den folgenden Tagen
„Den Seelengottesdienst für Rudi W. zelebrierte Pfarrer Stempflejauer in Brannenburg. Mit trostreichen Worten versuchte der Geistliche, das schwere Leid, das seiner Familie, seiner Mutter und seinen drei Geschwistern zuteilwurde, etwas zu lindern. In einem langen Trauerzug wurden beide Särge von Kollegen der Verunglückten zu ihren letzten Ruhestätten auf dem Brannenburger Friedhof geleitet.“ Am Tag darauf wurde dann über die Beerdigung von Hüttenwirt Fritz B. berichtet: „Er wurde am Mittwoch im Beisein einer großen Trauergemeinde auf dem Rosenheimer Friedhof zu Grabe getragen.“ Noch am selben Tag musste dann vermeldet werden, dass einer der Schwerverletzten, Peter R. seinen Verletzungen erlegen sei. Auch zu seiner Beerdigung erschienen zahlreiche Trauergäste, die einen „endlosen Trauerzug“ bildeten, wie das OVB am 8. März berichtete. Am 10. März musste schließlich das fünfte Todesopfer vermeldet werden: Zugführer und stellvertretender Fahrdienstleiter Alfred G. war im Krankenhaus verstorben.
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„Das Lawinenunglück von 1975, bei dem vier Mitarbeiter der Wendelsteinbahn sowie der damalige Mitteralmwirt tragisch ums Leben kamen, ist ein Ereignis, das uns auch heute noch tief berührt“, berichtet Claudia Steimle, zuständig für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit bei der Wendelsteinbahn GmbH in Brannenburg, „Seitdem wurden entlang der Strecke umfassende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, um das Risiko solcher Unglücke bestmöglich zu minimieren. Wie bereits Herr Vogt 2009 im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen betonte, wurden an allen kritischen Stellen Lawinenverbauungen errichtet, die auch weiterhin regelmäßig überprüft und instand gehalten werden. Des Weiteren wurde damals eine neue Schneeschleuder beschafft, die über weitergehende Sicherheitsfunktionen verfügt. An Abschnitten, die aufgrund der natürlichen Gegebenheiten nicht verbaut werden konnten, wurden sog. Sprengbahnen gebaut, die eine Lawine kontrolliert auslösen können.“
„Umfassende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, um Risiko bestmöglich zu minimieren“
„Ein wesentlicher Faktor für die Sicherheit ist darüber hinaus unser erfahrenes und geschultes Personal. Unsere Mitarbeiter durchlaufen regelmäßig Schulungen und Unterweisungen zum Verhalten und Ablauf bei Betriebsstörungen oder Unfällen, dabei wird auch der Umgang mit Verschüttetensuchgeräten trainiert. Die Mitarbeiterausrüstung ist stets auf dem neuesten Stand“, betont Steimle, „Speziell ausgebildete Sprengmeister verfügen über umfangreiche Kenntnisse zur Lawinenentstehung und Risikoeinschätzung und werden dabei zudem von der örtlichen Lawinenkommission und vom Lawinenwarndienst Bayern unterstützt. In Zusammenarbeit mit Bergwacht sowie Feuerwehr wurden bereits Notfallübungen bei den Wendelsteinbahnen durchgeführt.“
„An der Unglücksstelle befindet sich eine Gedenktafel, die regelmäßig mit frischen Latschen und Kerzen geschmückt wird. Zu jedem Jahrestag gedenkt die Mannschaft bei der ersten Schleuderfahrt den verstorbenen Kollegen mit einer Schweigeminute. Unabhängig davon wird allen im Lauf der über 100jährigen Geschichte verstorbenen Mitarbeitern der Wendelsteinbahn jedes Jahr im Rahmen einer kirchlichen Andacht gedacht“, so Steimle abschließend, „Unser Fokus liegt darauf, aus der Vergangenheit zu lernen und die höchsten Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Durch umfassende Lawinenschutzmaßnahmen, geschultes Personal und regelmäßige Notfallübungen setzen wir alles daran, dass sich ein derartiges Unglück nicht wiederholt. Wir sind überzeugt, dass wir unseren verstorbenen Kollegen am besten im stillen gedenken und sind sicher, es wäre so in ihrem Sinne und im Sinne ihrer Angehörigen.“ (hs)


