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Es kehrt kein Frieden ein

Schlafentzug, Dreck, Ärger: Entnervte Aiblinger fordern Stadt zum Kampf gegen Krähen auf

Der Lärm, den die wachsende Saatkrähen-Kolonie (Symbolbild) im Aiblinger Kurpark aussendet, bringt Anwohner auf die Barrikaden.
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Der Lärm, den die wachsende Saatkrähen-Kolonie (Symbolbild) im Aiblinger Kurpark aussendet, bringt Anwohner auf die Barrikaden. Sie fordern von der Stadt weitere Bemühungen, um die Population einzudämmen.

Lärm von frühmorgens bis spätabends, Schlafentzug, erhöhter Blutdruck: Anwohner der Professor-Kurt-Huber-Straße in Bad Aibling sind durch die Lautstärke der Krähen im benachbarten Kurpark völlig entnervt. In einem Schreiben fordern jetzt 16 von ihnen die Stadt zum Handeln auf.

Bad Aibling – „Der Lärm ist unerträglich. Das geht von morgens bis spätabends“, klagt einer der Unterzeichner des Briefes an die Aiblinger Stadtverwaltung, den 16 Anwohner aus der Professor-Kurt-Huber-Straße unterschrieben haben. Nur wenige Meter Luftlinie entfernt stehen die hohen Bäume des Kurparks, die zu den bevorzugten Nistplätzen der Saatkrähen zählen. Die Geräuschkulisse, die die Vögel fabrizieren, führe zu „gesundheitlichen Problemen wie Schlafentzug, erhöhtem Blutdruck, Kopfschmerzen und Gereiztheit“, klagen die betroffenen Aiblinger.

Auch sonst sehen sie sich durch das „laute Krächzen“ in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt: Gärten, Terrassen und Balkone könnten nicht mehr genutzt werden, Kot lande auf Fenstern, Autos und Rädern. Dass die Stadt bereits Maßnahmen unternommen habe, um des Problems Herr zu werden, räumen die Unterzeichner ein. Auch sei ihnen bewusst, dass die Saatkrähen unter Naturschutz stehen. „Jedoch sollte das Tierwohl nicht über dem Wohl der Bevölkerung stehen“, betonen sie und bitten die Stadt „dringendst um weitere Schritte wie zum Beispiel die Erlangung einer Entnahmeerlaubnis zur Reduzierung von Eiern, um die Vermehrung der Saatkrähen einzudämmen“.

Ernüchterung folgte auf dem Fuß

Eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung hatte die Stadt bereits im vergangenen Jahr bei der Regierung von Oberbayern beantragt und – nach der vorgeschriebenen Bestandsaufnahme der Nester – im Frühjahr auch erhalten. Allerdings auf den vorderen Teil des Kurparks beschränkt und mit der Auflage, dass Nester nur entfernt werden dürfen, wenn sich noch keine Eier darin befinden. Dazu rückte eigens ein Spezialist an. Die Ernüchterung folgte allerdings auf dem Fuß: Waren vor der Entnahme 131 Nester gezählt worden, waren es nur wenig später 154.

Martin Haas, stellvertretender Geschäftsleiter der Stadt Bad Aibling, vermutet, dass sich die durch die Nestentnahme vergrämten Krähen einfach ein paar Meter weiter niedergelassen haben – denn auch in Bäumen, die bis dahin noch nicht bevölkert waren, finden sich seither Nester –, und sich neu hinzukommende Brutpaare die „freigewordenen“ Plätze gesichert haben.

Saatkrähen zählen nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu den besonders geschützten europäischen Vogelarten. Deshalb sind möglichen Vergrämungsmaßnahmen auch enge Grenzen gesteckt. Vom Einsatz eines auf Vergrämung abgerichteten Greifvogels habe man abgesehen, nicht nur wegen der Kosten, die sich laut Haas im fünfstelligen Bereich bewegen, und weil sich damals in etlichen Nestern bereits Eier befunden hätten (weswegen der Einsatz nicht mehr erlaubt gewesen wäre): Zum einen würden nur wenige Falkner ihr aufwendig abgerichtetes Tier für die Krähenvergrämung zur Verfügung stellen, da Krähen ihrerseits gemeinsam auf solch ein einzelnes Tier losgehen würden.

Ein Wüstenbussard im Kurpark?

Zum anderen sei in dem Bescheid zur Ausnahmegenehmigung ausdrücklich festgehalten, dass es sich um einen Wüstenbussard handeln müsse. Ein Falkner habe ihm aber versichert, dass dieser das falsche Tier für diesen Zweck sei. Man benötige einen einheimischen Greifvogel, so Haas.

Den Kopf über manche Behörden schütteln kann auch Kurdirektor Thomas Jahn nur noch. Dabei gebe es in seinen Augen durchaus so etwas wie Hoffnung. Als man im Frühjahr von einem Pilotprojekt zur letalen – also todbringenden – Vergrämung der Saatkrähen gelesen habe, welches die Bayerische Staatsregierung auf den Weg bringen will, hätten sich er und Bürgermeister Stephan Schlier sofort mit einem Schreiben an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Umweltminister Thorsten Glauber und Landrat Otto Lederer gewendet.

Hoffnung liegt auf Pilotprojekt

Während das Landratsamt an die Höhere Naturschutzbehörde verwiesen habe, habe sich der Innenminister klar auf die Seite der Stadt gestellt und gesagt, „dass er uns unterstützt und diesbezüglich auf Glauber zugeht“. Der Umweltminister habe in einem Schreiben dann auch mitgeteilt, dass die Aiblinger Saatkrähenkolonie und -situation in dieser Betrachtung Berücksichtigung finden werde. Welche Maßnahmen geeignet seien und zum Einsatz kämen, hänge von den Einzelfällen ab.

Kurdirektor sauer: „Völliger Quatsch“

„Und jetzt erreicht uns ein Schreiben vom Bayerischen Landesamt für Umweltschutz, das dem Fass den Boden ausschlägt“, empört sich Jahn. Darin werde geraten, Bestand und Ursachen der anwachsenden Population genau zu analysieren und gegebenenfalls Nahrungsquellen zu entziehen. Eine solche potenzielle Nahrungsquelle könne die Kompostieranlage in Bruckmühl sein. Für Jahn „völliger Quatsch! Wenn das der Grund für unser Problem sein soll und wir den Betreibern beibringen sollen, dass die Anlage abgedeckt werden muss, dann hat der Spaß einfach ein Loch! Die Krähen brauchen gar nicht bis nach Bruckmühl fliegen, denn zwischen Kurpark und Kompostieranlage liegen große landwirtschaftliche Flächen, wo sie sich zuerst bedienen.“

Sollen wir warten, bis die alle an Altersschwäche sterben?

Kurdirektor Thomas Jahn

Der Kurdirektor ist richtig sauer: „Dann wird mir auch noch empfohlen, die Mülleimer im Park abzudecken. Das haben wir getan, für 30.000 Euro wurden Behälter angeschafft, aus denen die Vögel keine weggeworfenen Essensreste mehr rausholen können. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“ Vor allem: „Das Problem haben wir doch jetzt, in diesem Moment! Selbst wenn die Kompostieranlage der Grund für die große Anzahl wäre: Die über 300 Vögel fallen deswegen ja nicht vom Baum, bloß weil man da einen Deckel drauf macht. Die lärmen und verkoten weiter. Sollen wir warten, bis die alle an Altersschwäche sterben?“

„Stadt tut, was sie tun kann“

Man werde sich weiter um Abhilfe bemühen und auch auf dieses Schreiben der Behörde hin wieder in die Tasten greifen. Auch wenn ihm als Antwort „auf so einen Blödsinn auf Anhieb erst mal gar nichts Intelligentes mehr einfällt“, macht der Kurdirektor seinem Unmut weiter Luft. Aufs Schreiben setzt auch Martin Haas und weist zudem auf einen runden Tisch hin, bei dem auch die lärmgeplagten Anwohner Gehör finden. Er versichert: „Wir tun, was wir als Kommune tun können und geben alles andere auch an die zuständigen Stellen weiter.“

Man plane unter anderem einen Text für ein Schreiben an die Naturschutzbehörden, den möglichst viele Bürger verschicken, um den Beschwerdedruck zu verstärken: „150 einzelne Briefe haben im doppelten Sinn mehr Gewicht als ein Schreiben mit 150 Unterschriften.“

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