Wiesn-Streiflichter vom Rosenheimer Herbstfest
Vom Willy Michl und der Radlermass, die vor 100 Jahren ein pfiffiger Wirt erfunden hat
Das Bobfahrerlied kennen alle, aber den Willy Michl nur die Älteren. Und woher die Radlermass kommt, wissen auch die wenigsten. Ein pfiffiger Wirt hat sie vor 100 Jahren aus einer Bier-Not heraus erfunden. Das sind die neuen Wiesn-Streiflichter vom Rosenheimer Herbstfest.
„Ned langsam, sondern schnäi“ – Willy Michls Klassiker für die Ewigkeit
Sie „woins ned langsam, sondern schnäi“: Eine Wiesn ohne das Bobfahrerlied kann man sich nur schwer vorstellen.
Wenn die Blaskapellen auf dem Herbstfest den Party-Klassiker anstimmen, dann geht’s nicht rauf auf die Bänke, sondern runter auf den Hosenboden – und für die Bedienungen gibt es dann zeitweise kein Durchkommen mehr.
Mit dem Song aus dem Jahr 1984 hat sich der bayerische Blues-Barde Willy Michl wohl ein Denkmal für die Ewigkeit gesetzt.
Willy wer? Die meisten Jüngeren kennen zwar das Lied, müssen beim Namen Michl aber passen – während der „Isar-Indianer“ bei allen älteren Rosenheimer Herbstfest-Besuchern Kultstatus genießt und für sie zu Bayern gehört wie Karl Valentin, Gerhard Polt oder der Monaco-Franze.
2017 wurde Michl (heute 73) mit dem Bayerischen Dialektpreis-Sonderpreis geehrt. Kein Wunder angesichts von Textzeilen wie: „Und in der Zielkurve werd‘s heid richtig schee, da druckt‘s uns nei, so muaß des sei, da haben wir 5G.“
5G? Auch damit können nicht alle etwas anfangen. Dabei geht es natürlich weder um irgendwelche Corona-Regeln noch um Mobilfunknetze. Die 5G aus dem Bobfahrerlied beziehen sich auf die enormen Fliehkräfte, die in den Kurven bis zu 5G erreichen – also das Fünffache der Erdbeschleunigung.
Warum die Radlermass eine Radlermass ist
Bewegung, frische Luft, keine Parkplatzsuche und in der Regel auch keine Führerscheinverlustgefahr: Kein Wunder, dass Tausende täglich zur Wiesn radeln, wo es ja auch die Radlermass gibt.
Woher der Name für die süffige Bier-Limo-Mischung kommt, wissen die wenigsten. Der Wiesnigel Ignaz aber schon. Ausführlich nacherzählt wird sie auf der Internetseite Bayerisches-bier.de.
Demnach hat die Geburtsstunde der Radlermass vor rund 100 Jahren in Oberhaching geschlagen. Der Erfinder: Wirt Franz-Xaver Kugler, eigentlich gelernter Gleisarbeiter.
Es muss ein narrisch heißer Sommer-Samstag im Jahr 1922 gewesen sein, als der Biergarten der Kugler-Alm förmlich überrollt worden sein soll – von 13 000 Radlern!
Zitronenlimo als Notlösung - weil das Bier ausging
Kein Wunder, dass dem Wirt bei dem Ansturm das Bier auszugehen drohte. Also mischte es der Franz-Xaver einfach mit dem – noch reichlich vorhandenen – Zitronenlimo und servierte seinen staunenden Gästen eine „Radlermass“ nach der anderen – „damit ihr ned schwankend hoamfahrn miaßts“.
Und so begann der Siegeszug der Radlermass, die übrigens bis in die 90er-Jahre ausschließlich der Wirt mischen durfte, weil das Biersteuergesetz bis zu seiner Neufassung 1993 die Herstellung fertiger Biermischgetränke untersagte. Erst danach eroberte das fertige Radler den Getränkemarkt.
Lesenswert ist auch die Vorgeschichte um den pfiffigen Radler-Erfinder Kugler: Der hatte in seiner Gleisarbeiterzeit damit begonnen, das Bier für die schwitzenden Kollegen mit Pferd und Wagen von der Deisenhofener Bahnhofswirtschaft zur Baustelle an der Strecke München-Holzkirchen zu fahren. Die nächste Wirtschaft war ja weit weg und die Arbeit hart.
Irgendwann nagelte er dann an der Baustelle einer Bretterbude zusammen, die zunächst noch „Kantine der Königlich-Bayerischen Eisenbahn zu Deisenhofen“ hieß und dann zur „Kugler-Alm“ ausgebaut wurde.
Als das Radl nach dem Ersten Weltkrieg immer beliebter wurde, ließ Kugler einen Radweg quer durch den Wald zu seiner „Alm“ anlegen, eine bis heute beliebte Ausflugsstrecke.
Bodenständig und dankbar sein – auch das gehört zum Rosenheimer Herbstfest
Auch das gehört zum Rosenheimer Herbstfest und ist eine wunderbare Tradition: Nicht nur ausgelassen feiern, tanzen, trinken, essen, obandln und sich durchschütteln lassen; sondern auch einen Augenblick innehalten, dankbar sein und uns Gedanken darüber machen, wer wir sind, woher wir kommen, warum es uns so gut geht und woher das Festmärzen, der Radi, die Schweinshaxn und die Wiesnbrezn kommen, die wir uns alle so genussvoll auf der Zunge zergehen lassen. Umso schöner, dass sich der Himmel zum großen Erntedank zur Wiesn-Halbzeit von seiner weißblauesten Seiten zeigte.
So wurde der Gottesdienst im Mangfallpark zu einer farbenfrohen und stimmungsvollen Zeremonie. Die vielen Trachten waren dabei erneut Ausdruck von großer Tradition, Heimatliebe und Bodenständigkeit. Dem Landwirtsehepaar Bernhard und Elisabeth Niederthanner aus Nußdorf blieb es diesmal vorbehalten, die Gaben – Brot und Weintrauben – zum Altar zu bringen. Die vier gut gelaunten jungen Frauen auf dem Bild (vorne) in fescher Tracht hinter der Pruttinger Erntekrone sind Ella Perr, Franziska Hochhäuser, Viviana Tarcher und Andrea Schlam.
Weder Zander noch Wolli
Halbzeit is‘. Der Wiesnigel Ignaz stellte dazu eine kulinarische Vermisstenliste auf: Zum Beispiel beging er gerne mit seiner Igelfrau den „Ochsenmontag“ – weil er kein Maurer ist. Doch den Ochs am Spieß gibt’s nicht mehr, aber dafür immerhin im neuen „Auer-Stadl“ das dunkle Märzen im Halbekrug. Leider bietet die Fischbraterei Bierbichler auch heuer keine Zwei-Personen-Steckerlfische in Form von Zander und Hecht an – da der Einkauf zu teuer sei. Dafür täte der Ignaz aber gerne auf Anderes verzichten, denn bei keiner anderen Zubereitungsart entfalten die beiden Raubfische besser ihr Aroma – was früher auch die ehemalige Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (den Titel „Alt-OB“ vergibt der Ignaz bei ihr noch lange nicht) sehr zu schätzen wusste. Alternativ entschädigen immerhin die Schmankerl und Weine auf der „Bel étage“ der Bierbichlers. Ach ja, die ehemals benachbarte „Pizzamacherin“ Herta Fahrenschon vermisst der Ignaz samt ihrem Hund „Wolli“ ebenfalls sehr – da kommt kein Hotdog mit...
„Volle Hütten“ und Glückspilze im Biergarten: Super-Wiesnwetter sorgt für Rekord-Andrang
Nach den regnerischen, kalten Tagen unter der Woche „brummte“ es am Wochenende auf der Wiesn so richtig. Freitag und Samstag war Herbstfest-Bilderbuchwetter angesagt – entsprechend groß war der Andrang. Eine „volle Hütte“ vermeldete nicht nur die Bierbichler-Fischbraterei, während draußen auf dem Festgelände ein schönes Gedrängel herrschte. Die größten Glückspilze waren jene, die es sich auf einem der heiß begehrten Plätze im Biergarten gemütlich machen konnten.
Schallschutz in den Boxen?
Der satte Sound in den Bierburgen: Die einen finden ihn „subba“, den anderen ist er zu laut. Etwas genervt von der abends in beiden Biertempeln stark anschwellenden Beschallung, die auch in den vom Musikpodium weiter entfernteren Reihen eine Unterhaltung mit dem jeweiligen Gegenüber erheblich erschwert, kam dem Wiesnigel Ignaz plötzlich eine (Schnaps-)Idee: Je weiter die Lautsprecher von der Musikkapelle entfernt sind, umso weniger könnte man sie „bedröhnen“ – schließlich wird zum Beispiel in den Brauerei-Boxen wesentlich seltener auf den Bänken getanzt als vor dem Podium.
Hieß es doch in den Eröffnungsansprachen: „Auf eine gmiatliche Wiesn“ – und nicht: „Auf eine zugedröhnte Wiesn.“
Zusammengestellt von Ludwig Simeth, Hendrik Heuser, Peter Schlecker, Franz Ruprecht und Ludwig Stuffer





