Wegen Mehrwertsteuer: Gaststätten vor dem Aus?
Die Angst vor den 19 Prozent: Rosenheimer Gastronomen fürchten „große Katastrophe“
Ein Bier für 3,50 Euro, ein Spezi für 3,00 Euro. Vor nicht allzu langer Zeit waren das gängige Preise im Wirtshaus. Das ist vorbei. Und es wird sich weiter verteuern. Sollte die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder auf das Niveau vor Corona angehoben werden, fürchten Wirte um ihre Zukunft.
Rosenheim – Sieben oder 19? Dieser Unterschied kann für viele Gastronomen über Leben und Tod ihres Gasthauses entscheiden. 2020 war im Zuge der Corona-Hilfspakete die Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants ein ermäßigter Steuersatz von sieben Prozent eingeführt worden. Damit sollte den strauchelnden Gastwirten unter die Arme gegriffen werden. Diese Ermäßigung war allerdings zeitlich gebunden.
Im Oktober 2022 hat der Bundesrat zugestimmt, den niedrigeren Steuersatz um ein Jahr zu verlängern. Grund hierfür waren die stark gestiegenen Energiekosten. Ab Januar 2024 soll nun aber wieder der alte Steuersatz von 19 Prozent gelten. „Für die Branche ist das eine große Katastrophe”, sagt Theresa Albrecht, die Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga in Rosenheim gegenüber unserer Zeitung. „Die Auswirkungen sind noch gar nicht absehbar, viele Gastronomien werden nicht überleben.”
Was kostet der Schweinebraten künftig?
Hauptgerichte für unter zehn Euro, das scheint ein Preis der Vergangenheit zu sein. Typisch bayerische Gerichte wie Schweinsbraten oder Schnitzel werden sich künftig näher an der 20 Euro als an der 10 Euro Marke bewegen. Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat die gestiegenen Preise in der Gastronomie der letzten Jahre ausgewertet. Im Vergleich zum Januar 2020 sind die Preise für eine Hauptspeise bis zum Mai 2023 um 18,9 Prozent gestiegen, alkoholische Getränke um 15,6 Prozent, und der Besuch eines Fast-Food-Restaurants kostet sogar 22,7 Prozent mehr. Im selben Zeitraum stieg auch die Inflation von 0,5 Prozent 2020 auf 6,9 Prozent im vergangenen Jahr. In diesem Jahr liegt die Inflation bisher bei 5,6 Prozent.
Auswirkungen auf Branche und Tourismus
Theresa Albrecht ist sich sicher, dass viele kleinere Betriebe schließen müssen, wenn der alte Mehrwertsteuersatz wiederhergestellt werden würde. „Besonders in den ländlichen Gebieten werden die dann auch nicht mehr aufmachen. Brauereien tun sich schon jetzt schwer, neue Pächter zu finden.”
Bundesweit geht die Dehoga davon aus, dass mehr als 12.000 Betriebe schließen müssten. „Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2024 hätte fatale Folgen für die Betriebe unserer Branche und ihre Beschäftigten, aber auch für die Gäste und die Tourismuswirtschaft in Deutschland“, erklärte Dehoga-Präsident Guido Zöllick.
Dieser Meinung ist auch Bayerns Finanzminister Albert Füracker. „Wir müssen die Branche stärken und nicht durch höhere Steuern schwächen”, sagte er kürzlich. „In den aktuellen Krisenzeiten die Mehrwertsteuer im Gastronomie- und Hotelbereich zu erhöhen, hätte auch sehr nachteilige Auswirkungen für die Tourismuswirtschaft in Bayern!“ Um die Gastronomie und auch die Hotellerie in den letzten Jahren zu unterstützen, hat nicht nur Deutschland die Mehrwertsteuer für diese Branche gesenkt. Für die Gastro gilt noch immer in 23 von 27 EU-Mitgliedsstaaten ein reduzierter Steuersatz.
Sargnagel für kleine Betriebe?
Laut der Dehoga lag die Inflation bei Lebensmitteln im April 2023 bei mehr als 17 Prozent, bei Energie bei 21 Prozent. Sollte nun auch die Mehrwertsteuer wieder steigen, wären die Betriebe gezwungen, die Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben. „Eine Steuererhöhung wäre fatal für die 35.000 gastgewerblichen Betriebe mit ihren rund 447.000 Erwerbstätigen allein im bayerischen Gastgewerbe“, sagt Bayern-Landesgeschäftsführer Thomas Geppert. „Wir haben Vollbeschäftigung, der Staat verzeichnet Steuermehreinnahmen, jetzt sind Steuersenkungen statt -mehrauflagen angesagt.“
Existenzängste innerhalb der Branche
Die Corona-Krise und die damit verbundenen Schließungen der Gastronomie während der Lockdowns hat der Branche nachhaltig stark zugesetzt. Waren 2019 noch 222.000 Betriebe bundesweit gemeldet, ist die Zahl auf 186.000 im Jahr 2021 zurückgegangen. Bis heute haben die Umsätze noch nicht wieder das Niveau von vor Corona erreicht.
„Alleine für die Mehrwertsteuer von 19 Prozent müssten wir unsere Preise um 12 Prozent erhöhen und dann ist immer noch nicht mehr verdient”, klagt Theresa Albrecht. „Schon jetzt merken wir, dass sich die Gästestruktur ändert. Es kommen kaum noch einheimische Familien ins Restaurant.” Wenn die Preise nun noch weiter steigen, sei das „nicht mehr lebenswert.”
