Schleuser-Kriminalität nimmt zu
Unterkünfte werden knapp: Ist die Region für steigende Flüchtlings-Zahlen gerüstet?
Die Zahl der Flüchtlinge, die an den heimischen Grenzen ankommen nimmt erneut zu. Die Migranten kommen nicht nur auf legalem Weg nach Deutschland, die Bundespolizei entdeckt mit steter Regelmäßigkeit Schleuser. Wie ist die Region darauf vorbereitet?
Rosenheim - Die Flüchtlingssituation ist angespannt, heißt es aus dem Rosenheimer Rathaus. Derzeit sind rund 520 Flüchtlinge in städtischer Zuständigkeit untergebracht, in den kommenden Tagen werden 50 weitere erwartet. Derzeit sind sie in einigen größeren Unterkünften, kleineren angemieteten Immobilien und der Luitpoldhalle untergebracht. Darüber hinaus hat die Stadt beschlossen, eine neue Mobilheimsiedlung zu erstellen. Im Frühjahr 2023 soll diese fertiggestellt werden. Noch sei ein wenig Platz, aber viele Unterkünfte seien bereits voll, hieß es auf OVB Anfragen.
An den Grenzübergängen bei Freilassing und Kiefersfelden kommt es immer wieder zu Aufgriffen von Personen, die illegal nach Deutschland einreisen wollen. Erst kürzlich hat die Bundespolizei bei Grenzkontrollen an der A93 drei Schleuser Fälle hintereinander festgestellt. Bei den geschleusten Personen handelt es sich um zwei Afghanen, einen Eritreer, drei Palästinenser und sechs Russen. Einer der russischen Staatsangehörigen gab an, dass die Entscheidung zur Flucht mit der in Russland angeordneten Einziehung zum Militär zusammenhänge.
Ein Fall, der laut Rainer Scharf, dem Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Rosenheim, bislang noch nicht erneut vorgekommen ist.
Auf OVB Nachfragen vermeldeten Rathaus und Landratsamt, dass derzeit keine russischen Flüchtlinge in Stadt und Landkreis Rosenheim registriert wurden. Aus dem Rathaus ist weiter zu hören, dass die Stadtverwaltung eine adäquate Unterbringung sicherstellen würde, sollte die Stadt mit russischen Flüchtlingen konfrontiert werden.
Zahl an Flüchtlingen nimmt zu
Grundsätzlich hat jeder Migrant das Recht, in Deutschland Asyl zu beantragen. Ob dies dann auch gewährt wird, ist immer eine Einzelfallentscheidung.
Wird der Migrant aus politischen Gründen in seiner Heimat verfolgt, hat er gute Aussichten, Asyl zu bekommen. Voraussetzung ist allerdings, dass er nicht über ein sicheres Drittland nach Deutschland einreist. Hier liegt dann die Krux der Sache. Alle Migranten, die auf dem Landweg Deutschland erreichen, reisen aus einem sicheren Land, einem deutschen Nachbarland, ein. Sollten sie bereits in einem anderen Land Asyl beantragt haben, werden die Migranten an der Grenze zurückgewiesen. Dies kommt laut Rainer Scharf immer wieder vor. Hier kommt die europäische Datenbank Eurodac ins Spiel. Dort ist einsehbar, ob der Migrant bereits in einem anderen EU-Land Asyl beantragt hat, dort aber nicht bleiben will, weil er beispielsweise keine Arbeit gefunden hat. Diese Wirtschaftsflüchtlinge werden an der Grenze abgewiesen und wieder zurückgeschickt.
An der deutsch-österreichischen Grenze ist laut Rainer Scharf letztens auch wieder ein merkbarer Anstieg an Flüchtlingen zu erkennen.
Schleuserkriminalität kein Einzelfall
Und damit auch die Fälle von Schleuserkriminalität. Wo in den vergangenen Monaten an jedem zweiten Tag ein Schleuser an der Grenze festgenommen wurde, waren es im Oktober deutlich mehr. “An 20 von 30 Tagen wurde ein Schleuser aufgegriffen. Dieser Anstieg ist schon spürbar”, sagt Scharf. Die Bundespolizei ermittelt in diesen Fällen selbst weiter. In Einzelfällen gelingt es, auch die Hintermänner ausfindig zu machen. Gegen die geht dann die zuständige Staatsanwaltschaft, als leitende Stelle im Ermittlungsverfahren, weiter vor. Bei aufwändigen Verfahren im Bereich der organisierten Schleuserkriminalität übernimmt die Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung die Ermittlungen.
An jedem Tag seien es fünf bis 20 Migranten, die ohne Papiere aufgegriffen werden. In Autos, Zügen oder Bussen. Bei jedem wird eine sogenannte grenzpolizeiliche Befragung durchgeführt, bevor die Personen im Anschluss nach München und an das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) überstellt werden.
Eingepfercht in engen Fahrzeugen
Die meisten Schleusungsversuche passieren in ganz normalen PKWs. Die Flüchtlinge sitzen als Passagiere im Fahrzeug, können sich dann aber bei einer Kontrolle an der Grenze nicht ausweisen. Aber auch in Transportern versuchen die Schleuser Menschen über die Grenze zu bringen. Rainer Scharf erinnert sich an einen erst kürzlich geschehenen Fall, als mehrere Menschen auf der Ladefläche eines Transporters aufgefunden wurden.
Große Schleusungen mit mehr als zehn Personen seien aber in der letzten Zeit nicht mehr vorgekommen. Wenn große Gruppen versuchen einzureisen, dann passiert das meistens mit dem Zug. Auch das komme im Moment vermehrt vor.
“Das ist aber noch lange kein Vergleich zu dem großen Flüchtlingsstrom in den Jahren 2015 und 2016”, sagt Scharf weiter. An den Herkunftsländern habe sich auch nicht viel geändert. Die meisten Flüchtlinge kommen laut dem Polizeipräsidium noch immer aus der Türkei, aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.
Wie die Migranten an die deutschen Grenzen kommen, könne man nicht so einfach sagen. Die Route über den Balkan sei noch immer gut genutzt, aber vor allem an der Grenze zu Kufstein, also Richtung Brenner, sei eine erhöhte Anzahl an Schleusungen festgestellt worden.
Gut die Hälfte aus der Ukraine
Im Landkreis Rosenheim sind derzeit 4213 Flüchtlinge untergebracht. Die meisten davon, gut 2200, kommen aus der Ukraine, gefolgt von Afghanistan, Nigeria und Syrien. Jede Woche kommen laut Angaben des Landratsamtes 50 weitere hinzu, die aus den Ankerzentren heraus auf die bayerischen Kreise verteilt werden. Die Flüchtlinge werden in angebotenen Unterkünften untergebracht. So wird auch die Sporthalle des Raublinger Gymnasiums seit dieser Woche wieder als Unterkunft genutzt. Man arbeite aber intensiv daran, zusätzlich zu den angemieteten Wohnräumen auch Unterkünfte aus Containern und Holzmodulen zu errichten. Die Unterbringung in Sporthallen solle laut dem Landratsamt nach Möglichkeit vermieden werden.
