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Zeitzeugen erinnern sich

Der unbeachtete Beitrag der Preßburger: Wie Flüchtlinge Aschau an Inn zu Wohlstand verhalfen 

Die Zeitzeugen Oskar Klier, Gertrude Schwanzer und Franz Wicho erinnern an die Spuren des Krieges in Aschau Werk (von links).
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Die Zeitzeugen Oskar Klier, Gertrude Schwanzer und Franz Wicho erinnern an die Spuren des Krieges in Aschau Werk (von links).

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs flohen gut 150 Menschen aus dem slowakischen Preßburg nach Aschau - und leisteten einen wichtigen Beitrag zum Aufschwung von Aschau Werk.

Aschau am Inn – Fliegeralarm, Bombenangriff, Hungersnot, Flucht, Armut, Dunkelheit, Kälte und die Ungewissheit, ob es ein Morgen gibt. Das ist Krieg.

Eine Überlebende erinnert sich

Gertrude Schwanzer (87) aus Aschau ist die Überlebende eines Krieges. Sie flüchtete 1945 als Kind mit ihrer Familie aus Preßburg, dem heutigen Bratislava in der Slowakei, nach Aschau. Heute ist Aschau ihre Heimat, doch Preßburg bleibt es in ihrem Herzen auch.

Schwanzer hat sehr schöne, aber auch düstere Erinnerungen an ihre Kindheit: „Der Bruder meines Vaters starb 1944 bei einem Bombenangriff. Da war er gerade mal 40 Jahre alt.“

Er hinterließ eine Frau und zwei kleine Kinder. Sie weiß noch, wie sie bei einem Fliegeralarm aus der Schule nach Hause geschickt wurden und mit einem Schulfreund am Bahngleis entlang lief: „Dort schlug eine Bombe ein und mein Schulfreund wurde getötet. Er war so alt wie ich: Zehn.“

„Wir haben immer offen und ehrlich in unserer Familie darüber geredet und das sehr viel“, erzählt Schwanzer. „Egal wie schlimm das Thema war, wir redeten und das war auch gut so. Bei uns gab es keine Geheimnisse.“ Ihr Vater arbeitete in Preßburg in einem Rüstungsbetrieb, der wie die Betriebe in Aschau und auf dem Gebiet des heutigen Waldkraiburg von der „Dynamit Nobel AG“ betrieben wurde. Er war Betriebsrat. Am Karfreitag 1945 sagte ihr Vater, dass die Deutschen vor den Russen flüchten sollen. Die Preßburger Firmenleitung hatte beschlossen, den Betrieb zu evakuieren. Sie organisierte für die Maschinen, Geräte, Rohstoffe und das deutsche Fachpersonal mit Familie einen Transport nach Aschau am Inn.

„Für uns war der Krieg normal. Wir nahmen die Wertsachen mit, und ich meine Puppe. Nur das Allerwichtigste“, erinnert sich Schwanzer.

Drei Trecks für den Aufbau Aschaus

Mit drei Trecks kamen zehn Familien nach Aschau Werk. Schwanzer und ihre Familie waren mit dem Eisenbahntreck unterwegs, mussten fünf Tage und Nächte in einem Waggon ausharren.

Der zweite Treck bestand aus Lastwagen und Autos. „Es dauerte bis zu vier Wochen, bis sie endlich ankamen“, erzählt Oskar Klier (85), der von 1961 bis 1994 Leiter von Aschau Werk war. „Der dritte Treck waren Pferdegespanne mit mehr als 30 Pferden und vermutlich 15 bis 20 Wagen. Der erreichte Aschau erst Anfang Juni 1945. Da war der Krieg schon zu Ende.“

Schwanzer und ihre Familie kamen am 5. April 1945 in Aschau an. Mit ihnen waren etwa weitere 150 Preßburger geflüchtet. Sie sollten nur sechs Wochen bleiben; doch eine Rückkehr gab es nicht mehr.

In Aschau begannen sie mit dem Aufbau einer Zünderfabrik. Die Produktion währte nicht lange, ab Juni 1945 folgte unter der Leitung von Dr. Heinrich Gattineau die „Friedensproduktion“: die Herstellung von Lackwolle, Kernseife, Düngemittel, Akkumulatorensäure und Eisenvitriol.

Im September sollte der damalige Direktor der Dynamit Nobel, Karl Lamos, Personal und Material wieder zurückführen.

Nach Streitigkeiten wurde er aber in Kemating tot aufgefunden. Die Todesursache: Schussverletzung durch fremde Hand. Im November 1945 ordnete der Alliierten Kontrollrates die Einstellung der gesamten Produktion der Firma „Dynamit Nobel AG“ an. Das Werk sollte zerstört werden, Werksangehörige und die damalige örtliche Verwaltung verhinderten dies mittels zäher Verhandlungen. Sie wünschten sich neue Handwerks-, Gewerbe- und Industriebetriebe. Und sie wünschten sich Frieden und Wohlstand.

Preßburger Beitrag zu Aschaus Wohlstand

Und so hat sich Aschau Werk innerhalb von mehr als 80 Jahren zu einem prosperierenden Gewerbegebiet mit über 50 Firmen und mehr als 2000 Beschäftigten entwickelt.

Die Preßburger spielten dabei eine ganz bedeutende Rolle. Sie brachten die Industrie nach Aschau, das vor dem Krieg noch eine typische Landgemeinde war. Für Gertrude Schwanzer, Oskar Klier und Franz Wicho ist es eine Herzenssache, dass auch dieser Teil, der Preßburger Teil der Aschauer Geschichte erzählt und bewahrt wird.

Schwanzer gibt noch einen Rat mit auf den Weg: „Sachen, die du nicht ändern kannst, über die reg‘ dich nicht auf“. Sie hat den Krieg überstanden.

Sie weiß nur zu gut, was die Menschen in solchen Zeiten durchmachen müssen. Sie weiß aber auch, dass man niemals die Hoffnung verlieren darf.

Buchprojekte brauchen Hilfe

Aktuell arbeitet Oskar Klier mit dem Archivar der Gemeinde Aschau, Franz Wicho, an einer geschichtlichen Aufzeichnung über die Preßburger und ihre Bedeutung für Aschau in der Nachkriegszeit. Zeitzeugen wie Gertrude Schwanzer gibt es kaum noch, doch Klier und Wicho hoffen, dass sich in den Nachlässen ehemaliger Preßburger noch Fotos oder andere Unterlagen befinden, die ein weiteres interessantes Puzzleteil für die historische Dokumentation sind. Klier und Wicho freuen sich über jede Unterstützung und Überlassung für die Dokumentation.

Bislang wirkte Oskar Klier an fünf Büchern über das Werk Aschau mit. „Die Chronik über das Werk Aschau von 2015 ist inzwischen vergriffen und sollte neu und zeitaktuell aufgelegt werden. Auch das Thema ‚Die Preßburger’ müsste mit einem angemessenen Stellenwert noch aufgeschlüsselt und entsprechend berücksichtigt werden“, sagt Klier.

Um diese Werke als Neuauflage zu veröffentlichen bedarf es Unterstützung. Diese erhoffen sich Klier und Wicho unter anderem von der Gemeinde, da der Inhalt die Geschichte Aschaus lebendig macht.

Wer Informationen hat oder das Projekt unterstützen möchte, kann sich per E-Mail an Oskar Klier (oskar.klier@t-online.de) und Franz Wicho (franz.wicho@gmx.de) wenden.

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