Antworten auf wichtigsten Fragen
Wo es beim Hochwasserschutz in Rosenheim noch Lücken gibt – und wo alles paletti ist
Überschwemmte Straßen, vollgelaufene Keller und Flüsse, die über die Ufer treten: Die Unwetter nehmen an Heftigkeit zu – und mit ihnen die Hochwassergefahr. In Rosenheim arbeitet man bereits seit Jahren an entsprechenden Schutzmaßnahmen. Trotzdem gibt es noch einige Schwachstellen.
Rosenheim – Christoph Wiedemann hat schon etliche Vorträge gehalten. Auch vor Politikern. Der Mann vom Wasserwirtschaftsamt schafft es, komplexe Dinge einfach runterzubrechen. So auch an diesem Nachmittag. Nachdem Grüne und ÖDP-Stadtrat Horst Halser beantragt hatten, über den aktuellen Hochwasserschutz informiert zu werden, nahm sich Wiedemann eine gute halbe Stunde Zeit, um alle Anwesenden im Stadtrat auf den neusten Stand zu bringen.
Antrag von Grünen und ÖDP
Noch gut erinnert sich Wiedemann an das Hochwasser im Juni und die Starkregenfälle Mitte September. Für Grüne und ÖDP Anlass genug, einen Antrag zu verfassen. „Infolge des Klimawandels passieren immer häufiger Hochwasserereignisse in unserer Region, deshalb ist es umso wichtiger, den baulichen Hochwasserschutz an den noch nicht sanierten Bereichen schnellstmöglich umzusetzen“, sagt Peter Rutz, Fraktionsvorsitzender der Rosenheimer Grünen. Nur so könne einer weiteren Hochwasserkatastrophe vorgebeugt werden.
In dem Antrag erinnerten die Politiker daran, dass Rosenheim als Mündungsgebiet von Inn und Mangfall noch zusätzlich das Problem habe, dass die Niederschläge als Folge des Klimawandels immer häufiger als Regen und nicht mehr als Schnee fallen.
Sehr viel Geld investiert
Christoph Wiedemann kennt die Bedenken und Sorgen. Auch deshalb gibt er gleich zu Beginn vorsichtig Entwarnung. „In der Stadt Rosenheim gibt es einen sehr guten Hochwasserschutz, auch weil Wasserwirtschaftsamt und Stadt sehr viel Geld investiert haben“, sagt er. Trotzdem gibt es ihm zufolge noch einige Stellen, an denen nachgebessert werden muss. Er klickt sich durch seine Präsentation, bleibt an einer Folie hängen, auf der ein Bild von der Hochwassersituation im Jahr 2006 dargestellt ist. „Damals standen mehrere tausend Gebäude unter Wasser“, sagt er.
Seitdem wurde der Hochwasserschutz an zahlreichen Stellen verbessert. Mit dem Ergebnis, dass bei einem 100-jährlichen Hochwasser kein einziges Haus mehr in einem Überschwemmungsgebiet steht. Zurücklehnen kann man sich im Wasserwirtschaftsamt trotz allem noch nicht. So muss unter anderem im Bereich der Kunstmühle nachgebessert werden. Bei einem möglichen Hochwasser besteht an dieser Stelle die Gefahr, dass es zu einem Rückstau der Mangfall in den Mangfallkanal kommt. Hier können zwar derzeit von Hand hölzerne Sperren am Kraftwerk gesetzt werden, dies entspricht Wiedemann zufolge aber nicht dem Sicherheitsniveau, das für eine Stadt wie Rosenheim vorgesehen ist.
Errichtung eines Fluttors geplant
Aus diesem Grund laufen Gespräche mit dem Betreiber des Kraftwerks. Geplant sei die Errichtung eines sogenannten Fluttors. Dadurch kann Wiedemann zufolge verhindert werden, dass das Hochwasser der Mangfall oberhalb der Kufsteiner Brücke über den Mangfallkanal in das Stadtgebiet gelangt. „In den vergangenen Jahren haben wir die Planungen immer weiter vorangetrieben“, sagt der Experte. Läuft alles nach Plan, soll Mitte 2025 das Wasserrechtsverfahren stattfinden.
Mit einem Beginn der Bauarbeiten rechnet Wiedemann aus diesem Grund frühestens Ende 2026. Die Gesamtkosten für das Fluttor, das in Abstimmung mit dem Tiefbauamt geplant wird, belaufen sich auf rund 2,5 Millionen Euro. Davon muss die Stadt Rosenheim 40 Prozent stemmen – also rund eine Million Euro.
Deiche mit Innendichtung versehen
Ein weiterer Bereich, in dem nachgebessert werden muss, befindet sich zwischen dem Gelände des TSV 1860 Rosenheim sowie dem Rofa-Stadion der Starbulls. „Ein 100-jährliches Hochwasser kann bereits schadlos abgeführt werden“, sagt Christoph Wiedemann. Geplant sei jetzt, die Deiche mit einer Innendichtung zu versehen. Zudem sollen Rad- und Gehweg auf beiden Seiten neu angelegt und verbreitert werden. „Im Moment ist es dort sehr eng. Zwei Fahrräder nebeneinander haben es dort schwer“, sagt er. Läuft alles nach Plan, soll 2026 mit dem Umbau begonnen werden. Die Kosten liegen bei rund neun Millionen Euro. Auch hier ist die Stadt mit 40 Prozent beteiligt – also knapp 3,6 Millionen Euro.
Eine Innendichtung fehlt auch in dem Damm zwischen der Brücke an der Kufsteiner Straße bis hin zur Eisenbahnbrücke. Dort kann mit den Arbeiten jedoch erst begonnen werden, wenn die Bahn die geplante Errichtung ihres Lärmschutzes abgeschlossen hat. Wiedemann rechnet damit, dass es im kommenden Jahr so weit sein könnte. Da lediglich die Statik verbessert wird, der Schutz aber nicht erhöht wird, fallen für die Stadt keine zusätzlichen Kosten an.
Neue Rad- und Gehwegunterführung
Überarbeitet werden muss auch der Bereich zwischen Schwimmbadsteig und Gervais-Steg. Dort müssen die bestehenden Mauern erneuert werden. Noch nicht abschließend geklärt ist, auf welcher Seite die Mauern wieder aufgebaut werden sollen. „Wir befinden uns gerade in der Abstimmung“, sagt Wiedemann, während er durch seine Präsentation klickt. Auf Höhe Innstraße soll künftig auch eine Rad- und Gehwegunterführung entstehen.
Deich muss zum Teil erhöht werden
Auch vom Kaltenrücklaufdeich bis zur Panoramakreuzung kann ein 100-jährliches Hochwasser schadlos abgeleitet werden. Jedoch hat eine neue hydraulische Berechnung ergeben, dass der Deich in einigen Abschnitten erhöht werden muss. Grund zur Sorge gibt es Wiedemann zufolge jedoch nicht. Im Moment laufen Untersuchungen des Baugrunds.
Klimafaktor von 15 Prozent
Alle Planungen sind nicht nur für ein 100-jährliches Hochwasser gemacht, sondern auch um einen Klimafaktor von 15 Prozent erweitert. Diese 15 Prozent zusätzliche Sicherheit werden durch das Rückhaltebecken in Feldolling realisiert, das 2026 fertiggestellt werden soll. „Wenn die Schlechtwetterlage Mitte September 200 Kilometer weiter im Westen abgelaufen wäre, hätte sie uns voll getroffen. Für solche Ereignisse wäre das Rückhaltebecken gedacht“, sagt Wiedemann.
Auch am Inn ist das Hochwasserschutzsystem auf dem Stand der Technik, so der Experte. Dort sind die Stauhaltungsdämme für ein 1000-jährliches Hochwasser ausgelegt. „Aufseiten des technischen Hochwasserschutzes ist man also gut gerüstet“, sagt Wiedemann. Allerdings könnten auch moderne Deich- und Hochwasserschutzsysteme keinen 100-prozentigen Schutz liefern.
Gesetzlich verpflichtet Vorsorge zu betreiben
Es gibt ihm zufolge Hochwasserereignisse, für die auch moderne Hochwasserschutzanlagen nicht ausreichen. „Parallel zum Technischen Hochwasserschutz ist auch jeder persönlich in der Verantwortung und sogar gesetzlich verpflichtet, Vorsorge zu betreiben“, sagt Wiedemann. Beispiele hierfür wären eine Elementarschadenversicherung, das richtige Verhalten im Hochwasserfall oder auch die bauliche Vorsorge am Gebäude.