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Nach Warnungen vor „Paracetamol-Challenge“

Gefährliche Social Media Trends: Wie Eltern Kinder schützen können – Rosenheimer Experte gibt Tipps

Gerade die „politische Mitte“ sollte TikTok laut Benjamin Grünbichler jetzt nutzen, um junge Wähler zu erreichen.
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Viele Tiktok-Mutproben sind harmlos, manche können gefährlich werden. Doch wie können Eltern ihre Kinder vor gefährlichen Mutproben schützen? Benjamin Grünbichler von Neon Rosenheim gibt Eltern Tipps.

Viele Social Media Challenges sind harmlos, manche hingegen können sehr gefährlich werden. Zuletzt haben sich Warnungen vor einer „Paracetamol-Challenge“ gehäuft. Doch wie können Eltern ihre Kinder vor gefährlichen Mutproben schützen? Ein Rosenheimer Experte erklärt, was die Risikofaktoren sind und warum hinter solchen Trends oft mehr stecken kann als nur jugendlicher Übermut.

Rosenheim Benjamin Grünbichler, Suchtexperte und Geschäftsführer von Neon Rosenheim, ist besorgt. Denn: Schon wieder häufen sich die Medienberichte über eine Tiktok-Challenge. Ziel dieser sogenannten „Paracetamol-Challenge“ sei es demnach herauszufinden, wer nach einer Überdosis länger im Krankenhaus bleibt. Ob eine solche Challenge tatsächlich auf TikTok die Runde macht, ist allerdings zumindest umstritten. TikTok erklärt, keine Beweise für einen solchen Trend gefunden zu haben. Dennoch nehmen die Warnungen davor zu, was sicherlich auch an den drastischen Folgen liegt, die eine solche Mutprobe haben würde.

Ein langsamer, qualvoller Tod

So warnt auch der Rosenheimer Arzt und Leiter des ärztlichen Kreisverbands Michael Iberer vor den Konsequenzen einer solchen Challenge. „Erst einmal spürst du gar nichts, das ist das Teuflische an dem Zeug“, sagt er. Allerdings würde die Leber nach und nach absterben, bis es dann innerhalb von zwei Tagen zum akuten Leberversagen komme. Das bedeute am Anfang: Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden und Gelbsucht. „Ab da können sich alle möglichen Symptome bilden, bis zur Bewusstseinstrübung und schließlich dem Tod durch Multiorganversagen“, sagt Iberer.

Aufzuhalten sei der Prozess nicht mehr, sobald die ersten Symptome auftreten. „Die Leber ist unwiederbringlich beschädigt. Wer überlebt, muss in vielen Fällen mit einer Lebertransplantation rechnen.“ Für Iberer sei eine solche Challenge eine Form von Selbstmord – dazu noch ein sehr langsamer und qualvoller.

Ein Leben für Likes

Bleibt die Frage, warum Jugendliche bereit sein sollten, so etwas in Kauf zu nehmen. „Es geht darum, sich zu messen und zu zeigen, wer der Krasseste ist“, sagt Benjamin Grünbichler. In manchen Internet-Gruppen bekämen die Jugendlichen viele positive Rückmeldungen und Aufmerksamkeit, wenn sie Herausforderungen wie diese durchführen. So ganz versteht er die Wahl des Medikaments aber nicht. „Paracetamol hat keine berauschende Wirkung – es ist einfach nur ein Schmerzmittel“, sagt er.

Dabei sei der Drang danach, Grenzen auszutesten und nach Anerkennung zu streben, nicht grundsätzlich schlecht. „Im Sport ist das etwa eine gute Sache – man probiert verschiedene Techniken, entwickelt sich weiter und kann sich im Wettkampf mit anderen messen“, sagt Grünbichler. Allerdings vermute er, dass Jugendliche, die zu lebensgefährlichen Challenges wie einer Paracetamol-Challenge neigen, zu einer speziellen Zielgruppe gehören. „Ich glaube, die Teilnehmer der Challenge sind psychisch nicht ganz in Balance“, sagt er.

Ist mein Kind gefährdet?

Ob das eigene Kind zu der Zielgruppe solcher gefährlichen Challenges gehört, könne man in vielen Fällen schon vorher erkennen. „Man muss als Elternteil sein Kind einschätzen – ist es eher zurückhaltend oder risikobereit?“, sagt er. Dabei sei keines dieser Wesenszüge schlecht, solange sie in richtige Bahnen gelenkt werden. Es sei wichtig, dass die Jugendlichen positive Erfahrungen im Leben abseits des Bildschirms machen. „Der größte Schutzfaktor ist ein starkes Selbstwertgefühl“, sagt er. Ein selbstbewusster Jugendlicher könne unter anderem Mutproben besser einschätzen und seine Grenzen dort ziehen, wo das Risiko zu hoch ist.

„Es ist wichtig, die Kinder in ihren Stärken zu fördern – egal ob musikalisch, sportlich oder in anderen Hobbys“, sagt Grünbichler. Auch bei Videospielen und in Social Media könnten Kinder und Jugendliche einen Selbstwert aufbauen, solange die Balance zur realen Welt und echten Menschen gelingt. „Wenn das Kind die positiven Erfahrungen nur in der digitalen Welt macht, dann kann es süchtig nach Likes werden“, sagt er. Unter Umständen könne es sich dann den lebensgefährlichen Challenges anschließen.

Umgang mit Social Media

Grünbichler sei kein Fan von Social-Media-Verboten. „Wenn man einem Jugendlichen, der von Social Media abhängig ist, die Plattform verbietet, nimmt man ihm das Einzige weg, was ihm etwas bedeutet“. Stattdessen rät er zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Medien – auch für die Eltern.

„Wir bei Neon sehen, dass nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene mit Social Media oft überfordert sind“, sagt Grünbichler. Er finde, dass der Umgang mit Social Media von klein auf Schritt für Schritt gelernt werden müsse. „Das ist wie beim Straßenverkehr – Kleinkinder wissen bereits, dass sie bei Rot nicht über die Straße dürfen. Aber sie dürfen trotzdem noch nicht Auto fahren“.

Erst die reale Welt, dann die digitale

So rate er Eltern, den Kindern erst ab zwölf Jahren ein eigenes Smartphone zu geben und Social Media Apps nicht vor 16 Jahren zu erlauben. „Kinder müssen zunächst in der realen Welt Fuß fassen, bevor sie sich in sozialen Medien bewegen“, sagt Grünbichler. Die digitale und reale Welt sollen sich seiner Meinung nach ergänzen, nicht gegenseitig ausschließen.

Grundsätzlich empfiehlt Grünbichler, dass Eltern sich nicht zu sehr auf einzelne Gefahren im Netz fokussieren sollen. Solange die Eltern mit den Kindern im Gespräch bleiben, das Kind ein gesundes Selbstwertgefühl, gute Freundschaften und eine positive schulische Einbindung hat, sei die Gefahr für die Jugendlichen gering.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Artikels fehlte der Hinweis, dass TikTok keine Beweise für eine „Paracetamol-Challenge“ auf der Plattform gefunden habe. Der Artikel wurde entsprechend aktualisiert.

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