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„Streichbruder“ im Exklusiv-Interview

Eine Million Follower auf TikTok – So „tickt“ Simon „Streichbruder“ Both aus Rosenheim

Simon auf dem Münchner Hauptbahnhof mit seiner Musikbox. Er wird gerade mit einem Handy gefilmt
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Simon Both – auch bekannt als „Streichbruder“ – aus dem Rosenheimer Landkreis hat bereits mit 17 Jahren ein Millionenpublikum auf den sozialen Medien

Seine erste Million Follower erreichte Simon Both Ende 2024 – somit zählt der 17-Jährige aus dem Rosenheimer Landkreis zu den internationalen Stars in den sozialen Medien. Mit seinen Tanzvideos zum russischen Lied „Sigma Boy“ wird Both aber auch kontrovers diskutiert. So geht der Jugendliche mit seiner Berühmtheit und der Kritik um.

Rosenheim/München – Simon Both dreht die Musikanlage laut auf – mitten im Münchner Hauptbahnhof. Der Jugendliche aus dem Rosenheimer Landkreis tanzt zu dem Lied „Sigma Boy“ vom russischen Duo Svetlana Chertischeva und Maria Yankovskaya, legt seinen Zeigefinger auf die Lippen und macht einen Rückwärtssalto. Rund 30 Menschen folgen ihm. Sie richten ihre Handykameras auf ihn, singen zur Musik. Andere Menschen blicken verwirrt auf Boths Stereoanlage. Zwei Frauen tanzen mit ihm, jubeln laut „Sigma Boy“. Doch die spontane Feier findet ein jähes Ende. Die U-Bahn-Wächter schreiten ein. Both muss seine Musikanlage ausschalten. „Sie wollten mein Ticket und meinen Ausweis sehen und sagten, ich soll leise weitergehen“, sagt Both.

Simon Both ist 17 Jahre alt, hat oft einen schwarzen Hoodie an und verwendet englische Ausdrücke wie „Yo“ und „Yeah“. Bei ihm muss alles locker und vor allem spaßig sein. Der Jugendliche ist auf Instagram und TikTok mit seinen Tanzvideos im öffentlichen Raum wie Flughäfen und Bahnhöfen bekannt. Im Dezember 2024 hat er die Marke von einer Million Follower auf TikTok geknackt. „Davor hatte ich gerade eine Deutsch-Klausur geschrieben“, sagt er. Auf dem Heimweg ging er online und sah die Zahl von einer Million Followern auf seinem Account. „Das war krass. Ich hab dann daheim als Dankeschön einen Livestream für meine Follower gemacht“, sagt er.

Gibt es jetzt Ärger? Both wird von den U-Bahn Wächtern am Münchner Hauptbahnhof aufgehalten.

„Ich sterbe vor Fremdscham“ – Kritik im Internet

Die Reaktionen auf Boths Videos sind gemischt. Zwischen positiven Kommentaren gibt es auch einige kritische Nachrichten. „Was feiert man an dem jetzt so?“, schreibt ein Kommentator unter dem Video, auf dem „Streichbruder“ von den U-Bahn-Wächtern aufgehalten wurde. „Niemals hat der eine Fanbase“, schreibt ein anderer. Ein Nutzer postet „Ich sterbe vor Fremdscham“.

Doch die Kommentare stören den Influencer nicht. „Ich spiele bewusst damit, dass meine Zuschauer das eventuell unangenehm finden, mir zuzusehen“, sagt er. Mit Hasskommentaren gehe er entspannt um. „Du könntest der perfekte Mensch sein und hättest trotzdem Leute, die dich nicht mögen. Das ist einfach so – egal, wie bekannt oder unbekannt du bist“, sagt er.

Das wird ein neues Tiktok-Video: Both tanzt mit seiner Musikbox auf der Rolltreppe des Münchner Hauptbahnhofs. Ein Freund von ihm dreht die meisten Videos – wenn er mal nicht dabei ist, bittet Both seine Follower um Hilfe.

Offline habe er bisher kaum Kritik bekommen, die meisten gemeinen Kommentare gebe es nur online. Auch Ärger gibt es nur selten – bisher wurde er nur zweimal von U-Bahn-Wächtern aufgehalten.

Da Both mittlerweile viele Nachahmer hat, seien die Wächter laut ihm viel misstrauischer geworden. Doch der selbsternannte „Sigma Boy“ legt es nicht darauf an, Menschen ernsthaft zu stören. „Wenn jemand sagt, dass ich die Musik ausmachen soll, mache ich sie auch aus“, sagt er. Aus demselben Grund schaltet er seine Musikanlage erst dann ein, wenn er den Zug verlässt. „So sind die Leute nicht mit mir und der lauten Musik eingesperrt“, sagt er.

Was ist ein „Sigma Boy“?

Der Begriff „Sigma Boy“ und „Sigma Man“ bedeutet in der amerikanischen Internetkultur in etwa „Einzelgänger“. Über die Jahre hat sich der Begriff international etabliert und wurde von den russischen Sängerinnen Svetlana Chertischeva und Maria Yankovskaya aufgegriffen. Diese singen in ihrem Lied von einem „Sigma Boy“ – ein ruhiger, selbstbewusster Junge, der unter den Mädchen sehr begehrt ist.

Simon Both bekam den Spitznamen „Sigma Boy“ weil er durch Tanzvideos zu dem Lied bekannt geworden ist. „Für mich hat der Begriff ‚Sigma Boy‘ keine ernsthafte Bedeutung – im Internet wird er eher als Witz verwendet“, sagt er.

Doch genauso oft, wie er irritierte Blicke bekommt, wird er auch erkannt und freudig begrüßt. „Tanzt du heute wieder?“, fragt ein Passant, der Both aus den Internetvideos kennt. Als Both an einer Gruppe Schüler vorbeigeht, wispern die Kinder „Sigma Boy“ und blicken ihm nach. Auch eine Familie aus Colorado, die gerade in München Urlaub macht, spricht den Jugendlichen an, möchte ein Foto mit ihm machen. „Du bist auf der ganzen Welt bekannt – meine Tochter sagte zu mir ‚schau mal, das ist der verrückte deutsche Junge‘“, sagt der Familienvater.

„Ein Tanzvideo auf dem Oktoberfest ging viral“ - Der Anfang

„Streichbruders“ Erfolgsgeschichte fing an, als er mit zwei anderen Freunden auf TikTok Videos produzierte, auf denen die Drei Passanten in Rosenheim Streiche spielten. Daher auch der Name „Streichbruder“. Mit der Zeit verloren die anderen beiden die Lust, Both führte den Account alleine weiter. Neben seinen Streich-Videos drehte er gelegentlich auch eins seiner heute bekannten Tanzvideos. Er erinnert sich noch, wie nervös er bei seinem ersten öffentlichen Tanzvideo war. Doch die Nervosität legte sich schnell. „Ein Video von mir auf dem Oktoberfest ging viral“, sagt er. Seitdem konzentriert er sich vor allem auf die Tanzvideos. Und verlegte seine „Bühne“ von Rosenheim nach München. „Da sind mehr Leute und größere Menschenmassen“, sagt er.

Sekunden vor dem „Desaster“: Both weiß noch nicht, dass er bald von den U-Bahn Wächtern aufgehalten werden wird. Um ihn herum bildet sich eine Menschenmenge, die ihm gespannt zusieht.

Auch wenn Both privat unterwegs ist, wird er immer wieder erkannt. „Ich fahre gern Ski und selbst da werde ich angesprochen“, sagt er. Grundsätzlich mache es ihm nichts aus, um Fotos oder Autogramme gefragt zu werden. „Im Privaten stört es dann aber doch – da will ich mich aufs Skifahren konzentrieren“, sagt er. Simon Both hat neben dem Skifahren viele sportliche Hobbies: Fußball, Basketball, Boxen, Trampolin. Den Rückwärtssalto habe er mit elf Jahren beim Parkourslaufen gelernt. „Ich war so stolz darauf, dass ich den Rückwärtssalto gelernt habe. Seitdem mache ich ihn regelmäßig, damit ich ihn nie mehr vergesse“, sagt er.

Redakteurin Cordula Wildauer und Simon Both

Mittlerweile ist er mit seinem Salto auch ins Guinness Buch der Weltrekorde gekommen. Er schaffte 19 Saltos aus dem Stand in 30 Sekunden. „Das war nicht schwer – ich mache jeden Tag mindestens einen Rückwärtssalto, ich bin also in Übung“, sagt er. Sein Alltag besteht aus Reisen, Videodrehs und Fantreffen. Und nebenbei besucht er eine Fachoberschule, bereitet sich auf das Fachabitur vor.

Große Pläne für die Zukunft

Nach dem Abitur will er sich auf seine Tätigkeit als Influencer fokussieren und durch die Welt reisen. „New York wäre toll. Oder die Pariser Metros. Einmal um die Welt, um Videos zu drehen. Das wäre mein Traum“, sagt er. Bisher war er abgesehen von München schon in Wien, Berlin und Barcelona. Ansonsten will er einfach das machen, was ihm Spaß bereitet. „Vielleicht konzentriere ich mich noch auf weitere Accounts mit anderen Themen, etwa Straßenumfragen“, sagt er. Auch in der Musikwelt möchte er Fuß fassen. So veröffentlichte er am 27. Dezember die Single „Sigma Energy“, die zwei Wochen später bereits zehntausend Aufrufe auf Spotify hat. „Sobald ich volljährig bin, geht es richtig los – dann kann ich mich online verifizieren lassen und habe viel mehr Unabhängigkeit mit meinen Videos“, sagt Simon Both. Bis dahin muss er sich aber noch gedulden – sein 18. Geburtstag ist im Frühling.

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