Nach Überflutungen im Stadtgebiet – mit Sturm-Video
Unwetter überschwemmen Rosenheim: Wieso es immer öfter dazu kommt – welchen Schutz es gibt
Mehrere Unwetter mit Starkregen und heftigen Windböen sind im August über Rosenheim gefegt. Vor allem die Wassermassen haben dabei an vielen Stellen für Überschwemmungen gesorgt. Wie die Stadt auf die zunehmenden Stürme vorbereitet ist und welche Wetterprognose ein Meteorologe für Rosenheim hat.
Rosenheim – Die Prognose von Reik Schaab ist düster. „Wir werden uns in Zukunft auf mehr Extremwetter einstellen müssen“, sagt der Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst. Vor allem Unwetter und Starkregenereignisse könnten in Südbayern häufiger werden. Wie heftig diese ausfallen können, haben die Gewitter in Rosenheim am Samstag, 26. August, und Dienstag, 15. August, gezeigt. Die Folgen waren ein überflutetes Herbstfest, vollgelaufene Unterführungen und unter Wasser stehende Straßen.
Wetterlage hat sich in den Jahren verändert
„Wissenschaftlich ist es aber noch nicht belegt, dass die Stürme schlimmer werden“, sagt der Meteorologe am Telefon. Subjektiv könne jedoch schon der Eindruck entstehen, da es ihm zufolge nicht mehr den „klassischen deutschen Sommer“ gibt. „Früher war das Wetter von Juli bis August bei uns meist sehr wechselhaft und nicht zu warm“, erklärt Schaab. Inzwischen sei es zunehmend heiß und trocken. Und das berge eine höhere Unwettergefahr. „Über den Südwesten, teilweise schon aus Afrika und über das Mittelmeer, zieht feucht-warme Luft nach Deutschland“, sagt Schaab. Dadurch entstehe eine „hochexplosive Luftmasse“.
Eine „weitere Zutat“ für das Entstehen der Unwetter ist die Lage Rosenheims am Alpenrand. „An den Bergen steigt die Luft auf und bildet Quellwolken, die dann irgendwann explodieren können,“ sagt der Meteorologe. Er berichtet, dass es bei den Gewittern auch entscheidende Unterschiede gibt.
Langsame Stürme bringen mehr Niederschlag
„Die Stürme, bei denen die ‚dunkle Wand‘ am Horizont schnell näher kommt, bringen meist hohe Windgeschwindigkeiten und großkörnigen Hagel mit.“ 120 Kilometer pro Stunde sei bei den Böen keine Seltenheit. „Das Gefährliche daran ist, dass die Bäume im Sommer viel Laub tragen und so eine große Angriffsfläche bieten“, sagt Schaab. Im Gegensatz dazu stehen dem Meteoreologen zufolge die langsam vorüberziehenden Unwetter. Dabei gehe das Schadenspotential eher von langanhaltendem Starkregen und kleinerem Hagel aus.
Und diese Wassermassen führen immer wieder zu Überschwemmungen. Der Grund: „In den Innenstädten sind die meisten Flächen versiegelt, es kann sehr wenig Niederschlag verdunsten oder versickern“, sagt Daniela Neuffer, Professorin für Wasser- und Umweltingenieurwesen an der Technischen Hochschule Rosenheim. Dadurch müsse der Großteil des Regenwassers ins Kanalsystem abgeleitet werden. Dort könne sich dann das Wasser derart ansammeln, dass es zu Hochwasser oder Überflutungen kommt.
Abwassersystem phasenweise überlastet
Vor allem, wenn das Entwässerungssystem innerhalb kürzester Zeit viel Wasser aufnehmen muss. Allerdings fließt das Wasser in Rosenheim „mit Ende des Starkregenereignisses in der Regel relativ schnell wieder ab“, teilt Christian Baab, stellvertretender Pressesprecher der Stadt, mit. Hin und wieder müssten hierfür die Abflusssysteme und Gullys von Gegenständen wie Blättern oder Ästen befreit werden – wie am Samstag, 26. August, auf der Loretowiese. „In dem Fall ist womöglich auch Schlimmeres verhindert worden, da die Stadtentwässerung vor Beginn des Herbstfestes alle Kanäle im Bereich der Loretowiese gereinigt und gespült hat“, sagt Baab.
Grundsätzlich sei das Rosenheimer Kanalsystem dem Pressesprecher zufolge für ein Starkregenereignis ausgelegt, dass sich statisch alle fünf Jahre wiederholt. „Diese Kanäle, deren Herstellung mit sehr hohen Kosten verbunden ist, haben einen Durchmesser von bis zu drei Metern“, sagt Baab. Zusätzlich seien sie mit Pumpwerken ausgestattet, die rund 12.000 Liter Wasser pro Sekunde abpumpen können. Ingesamt gebe es unter der Stadt reine Regenwasserkanäle mit einer Länge von 95 Kilometern – die Strecke von Rosenheim bis kurz vor Innsbruck – und Mischwasserkanäle mit einer Länge von 72 Kilometern.
Größeres Kanalsystem kaum möglich
Um diese für größere Starkregenereignisse auszubauen, braucht es größere Flächen, die aufgrund der historisch gewachsenen Bebauung nicht zur Verfügung stehen, sagt Christian Baab. Zudem sei ein Ausbau nicht wirtschaftlich und verwandle die Stadt über Jahre in eine Großbaustelle. Allerdings gebe es auch Alternativen. „Der Straßenraum wird, sofern möglich, so umgestaltet, dass das Wasser besser ablaufen kann“, teilt der Presseprecher mit. Darüber hinaus erstelle die Stadt derzeit Starkregen-Gefahrenkarten, durch die Gefahren und Risiken, lokale Schutzziele und örtliche Schutzmaßnahmen definiert werden. Dies soll bei der baulichen Entwicklung berücksichtigt werden.
Genauso wie das Schwammstadt-Konzept. Dieses Prinzip besteht als Teil eines „zukunftsfähigen und klimaangepassten Regenwassermanagements“ darin, möglichst viel Regenwasser am Ort des Anfalls zurückzuhalten, zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt wieder an die Umwelt abzugeben, erklärt Daniela Neuffer. Umsetzen könne man das Konzept zum Beispiel mit Dach- und Fassadenbegrünungen, unterirdischen Regenwasserspeichern oder sickerfähigen Pflastersteinen.
Schwammstadt-Konzept wird bereits umgesetzt
In Rosenheim werden solche Maßnahmen Christian Baab zufolge bei Neubauvorhaben bereits geprüft. Zudem werde sowohl von der Stadt als auch privaten Grundstückseigentümern teilweise sickerfähiges Pflaster verwendet. Für Verkehrsflächen sei es bisher nicht eingesetzt worden, da zum Beispiel der Reifenabrieb das Pflaster auf Dauer verstopfen könnte.
Für Reik Schaab gibt es neben all den technischen Fortschritten jedoch noch einen anderen Faktor: der Mensch. „Wir müssen uns auf das extreme Wetter auch einfach besser vorbereiten“. Sei es bei angekündigten Unwettern nicht mehr das Haus zu verlassen, die Nutzung von Warn-Apps oder Versicherungen abzuschließen.

