Pro-Kopf-Verschuldung steigt
Rekord-Haushalt verabschiedet: So will OB März Rosenheim voranbringen
Neue Schulden und sinkende Einnahmen: Die Pandemie, der Ukraine-Krieg und die steigenden Preise sind auch am städtischen Haushalt nicht spurlos vorbeigegangen. Stillstand bei den Investitionen muss man dennoch nicht befürchten - in einige Bereiche soll besonders investiert werden.
Rosenheim – Am Ende gab es nur zwei Arme, die unten blieben. Franz Opperer und Peter Weigel – die beiden Stadträte der Grünen – haben gegen den Haushalt 2023 gestimmt. „Ich nehme meine Aufgabe als Opposition ernst“, sagte Opperer einen Tag nach der Entscheidung am Telefon. Es sei seine Aufgabe, zu kontrollieren, zu kritisieren und Alternativvorschläge anzubieten.
Zwar würden viele Dinge in die richtige Richtung gehen, gleichzeitig gebe es aber nach wie vor Entscheidungen, die er so nicht mittragen wolle - und könne. Er nennt die Verkehrspolitik als Beispiel, kritisiert, dass die Sanierung der Städtischen Galerie und des Museums Jahr um Jahr geschoben werden und auch die Planungen für die Biovergärungsanlage noch in der Luft hängen. Aus diesen Gründen blieb sein Arm - und der von Peter Weigel - bei der Abstimmung unten. Anders als die seiner Fraktionskollegen.
Höchste Zustimmung, die Haushalt jemals erhalten hat
Mit 38:2 Stimmen war es eine der höchsten Zustimmungen, die ein Haushalt in der Stadt Rosenheim jemals erhalten hat. „Wir haben einen Rekordhaushalt mit 236 Millionen Euro Aufwendungen“, sagte Oberbürgermeister Andreas März (CSU) gleich zu Beginn seiner Rede. 51 Prozent davon, also knapp 120 Millionen Euro, fließen in die Aufgabenbereiche Schule, Kinderbetreuung, Jugend, Soziales, Kultur und Sport. „Das sind über zwölf Millionen Euro mehr als in diesem Jahr“, ergänzte der Oberbürgermeister. Mit diesem Geld finanziert die Stadt unter anderem den Betrieb von 41 Kindertageseinrichtungen und 15 Schulen, den Betrieb des Lokschuppens sowie die Jugendarbeit in den Vereinen.
35 Millionen Euro für da Baudezernent
35 Millionen Euro aus dem Haushalt fließen in das Dezernat von Levente Sárközy. Er ist für die Bereiche Stadtplanung, Bauwesen und Umwelt zuständig. Mit einem Teil des Geldes unterhält die Stadt die notwendigen Infrastruktureinrichtungen, die Grünanlagen und schafft planerische Grundlagen für die weitere Entwicklung.
200.000 Euro für den ÖPNV
Für den Bereich Sicherheit und Ordnung sind Aufwendungen in Höhe von knapp 25 Millionen Euro vorgesehen. 4,6 Millionen Euro davon fließen in den Brand- und Katastrophenschutz, 4,4 Millionen Euro in die Integrierte Leitstelle und 4,1 Millionen Euro in den ÖPNV. Zum Vergleich: Im Haushalt 2022 waren für den ÖPNV 2,1 Millionen Euro veranschlagt. „Gerade die bemerkenswerte Steigerung der Aufwendungen beim ÖPNV zeigt die Bemühungen der Stadt in diesem Bereich“, unterstrich März. Für einen möglichen MVV-Beitritt seien zudem 200.000 Euro eingeplant.
Schlüsselzuweisungen in Höhe von 30,7 Euro
Doch es gibt auch einen Wermutstropfen. So liegt der Ergebnishaushalt, also die Gewinn- und Verlustrechnung der Stadt aus den laufenden Kosten, bei einem Minus von rund 600.000 Euro. Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, gibt es dennoch nicht. Woran auch die Schlüsselzuweisungen in Höhe von 30,7 Millionen Euro vom Freistaat nicht ganz unbeteiligt sind. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag die Schlüsselzuweisung bei 25,3 Millionen Euro. „Das ist eine gute Nachricht. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die hohe Schlüsselzuweisung ein Ausdruck der geringeren Steuerkraft ist“, sagte März. Er mahnte deshalb, dass der Fokus nicht nur darauf liegen dürfe, dass die Stadt für die Menschen attraktiv bleibt, sondern auch für Gewerbebetriebe.
Finanzaushalt liegt bei mehr als 14 Millionen Euro
Dass die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und die steigenden Kosten auch am Haushalt nicht spurlos vorbeigehen, zeigt ein Blick auf den Finanzhaushalt, also das Ergebnis der Ein- und Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit. Dieser beträgt etwas mehr als 14 Millionen Euro. „Leider liegt dieser Wert in Krisenzeiten deutlich unter den Vorpandemiewerten, aber doch doppelt so hoch wie im Ansatz 2022“, sagte März.
Kredit in Höhe von 10 Millionen Euro aufgenommen
Das Geld reicht auch bei weitem nicht aus, um die geplanten Investitionen zu stemmen. Weil der Investitionshaushalt im kommenden Jahr jedoch 42 Millionen Euro umfasst, hat die Stadt einen Kredit in Höhe von 10,1 Millionen Euro aufgenommen. Zudem müsse man sich von dem Schuldenabbau verabschieden, wie er in den Jahren bis 2022 geplant worden sei.
Laut Schuldenabbaukonzept sollte der Schuldenstand Ende 2026 bei 63 Millionen Euro liegen, mit der vorgelegten Planung wird er laut März voraussichtlich einen Wert von 67 Millionen Euro einnehmen. Ende 2023 liegt der Schuldenstand bei rund 57,5 Millionen Euro. Das bedeutet eine Pro-Kopf-Verschuldung von 898 Euro.
Mit voller Kraft voraus
„Wir haben mit dem Haushalt versucht, die in den vergangenen Jahren geschaffenen Freiräume zu nutzen, um in diesen schwierigen Krisenzeiten noch fast mit voller Kraft voraus, die Klippen umschiffen zu können“, sagte März. Er machte jedoch auch kein Geheimnis daraus, dass die Reserven aus den finanzpolitisch guten Zeiten - mit Blick auf die Planungen - deutlich vermindert werden.
Investitionsvolumen von 224 Millionen Euro
Insgesamt sieht die Finanzplanung bis zum Jahr 2026 ein Investitionsvolumen von 224 Millionen Euro vor. „Das ist ein Rekord-Paket in diesen schweren Zeiten. Wir stärken damit unsere Stadt und ihre Bürger“, so März. Investiert werden soll unter anderem in den Ausbau der Kindergarten- und Krippenplätze, die Verbesserung von ÖPNV und Radverkehrsinfrastruktur sowie Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Sicherstellen, dass sich Menschen wohlfühlen
„Mir ist völlig klar, dass nicht jeder investierte Euro bei jedem auf grenzenlose Begeisterung stößt. Das erwarte ich auch nicht“, sagte März an die Stadträte gewandt. Dennoch sei er überzeugt davon, dass viele der Millionen Euros sicherstellen, dass sich möglichst viele Menschen in Rosenheim möglichst wohl fühlen und in der Stadt gut und sicher leben können.
Die Stimmen der Stadträte und Fraktionen zum Zahlenwerk:
Überraschend dürfte in diesem Jahr gewesen sein, dass die Mehrheit der Grünen-Stadträte für den städtischen Haushalt gestimmt hat. Grünen-Fraktionsvorsitzende Sonja Gintenreiter nannte das einen „Vertrauensvorschuss in eine politische Zusammenarbeit“. Rosenheim stehe aufgrund der momentanen Entwicklungen vor Herausforderungen, bei denen es nicht nur darum gehe, finanziell handlungsfähig zu sein, sondern auch die Stadtgesellschaft zusammenzuhalten. Im Investitionsprogramm zeigt sich ihrer Meinung nach „Luft nach oben“, wobei „Tendenzen in die richtige Richtung erkennbar sind“. Zentral für ihre Fraktion sei auch weiterhin das Thema Klimaschutz. „Diesem wird in einigen Investitionen immer noch zu wenig Rechnung getragen“, kritisierte sie. Sie forderte, die Maßnahmen des Radentscheids noch schneller umzusetzen und beim ÖPNV über eine attraktivere Liniengestaltung am Wochenende oder in der Nacht nachzudenken. Anstelle eines Straßenprojekts sollte lieber in den ÖPNV und die Fahrradinfrastruktur investiert werden. Auch eine Parkraumbewirtschaftung der Loretowiese brauche es. Desweiteren sei es ihrer Fraktion ein Anliegen, verantwortungsbewusst mit den Grünflächen umzugehen und Kitaplätze zu schaffen.
SPD-Fraktionsvorsitzender Abuzar Erdogan wünschte sich für die Zukunft eine verantwortungsvollere Finanzierungspolitik. Zwar stimme er dem Haushaltsentwurf der Verwaltung zu, fordert jedoch an einigen Stellen mehr Engagement der Stadt. Zum einen ist Erdogan der Meinung, dass der ÖPNV attraktiver gestaltet werden müsse, damit er sich in Zukunft wieder selbst finanzieren könne. Kritik übte er auch an den Investitionen, die man vorgenommen habe, die aber niemals umgesetzt wurden. „Wir sind nicht in der Lage, unsere eigenen Investitionen umzusetzen, obwohl die Mittel gegeben sind”, sagte Erdogan. 64,5 Millionen Euro habe man 2022 für Investitionen angesetzt, davon seien lediglich 17,6 Millionen Euro umgesetzt worden. Dies sei eine Mahnung für die Verwaltung und den Stadtrat: „An Mitteln fehlt es nicht, aber organisatorisch geht noch mehr.”
Andreas Kohlberger, Fraktionsvorsitzender der AfD, bedankte sich bei Oberbürgermeister März und Kämmerer Heinz Bösl. Er sei mit dem Haushaltsplan 2023 zufrieden und blicke mit „freudigen Augen“ in die Zukunft.
Robert Multrus, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler/UP, forderte auch für die Zukunft ein „vorsichtiges Haushalten“. Ein großer Teil der Ausgaben sei durch gesetzliche Vorgaben festgelegt. So seien beispielsweise die Personalkosten ein „großer Kostenposten“, der nicht zu reduzieren ist, in einigen Bereichen jedoch unzureichend sei. Viele Einnahmen seien schwer zu prognostizieren. Aus diesem Grund bleibe nur ein beschränkter Spielraum, wofür nach eigenem Ermessen Geld ausgegeben werden könne. Multrus plädierte aus diesem Grund unter anderem dafür, geplante Maßnahmen - unter anderem die barrierefreie Gestaltung des Max-Josefs-Platzes - zu überprüfen. Ein Augenmerk sollte auf der positiven wirtschaftlichen Entwicklung, dem Erhalt der ausgewogenen Struktur in Gewerbe und Handel, der Ansiedlung von Dienstleistern und Institutionen der Technischen Hochschule, dem Ausbau des Arbeitsmarktes in der Stadt, Wohnungen, ÖPNV sowie dem Fahrradverkehr liegen. Es sei ihm wichtig, dass das Leerstandsmanagement nicht mehr dem City-Management überlassen wird. Zudem brauche es ein gemeinsames Wirken der Verwaltung und der Gremien mit den Akteuren in Stadt, Handel, Gewerbe sowie Investoren im Baubereich.
ÖDP-Stadtrat Horst Halser setzte sich in seiner Rede für die Sanierung des Max-Josef-Platzes ein, die Optimierung des Verkaufsangebots und ein Ende des Geschäfte-Sterbens. Die Fahrradwege in der Stadt sind seiner Meinung nach größtenteils nur symbolisch und „Gefahr für Leib und Leben“. Der ÖPNV sei zu teuer, der von ihm geforderte Shuttlebus sei in Vergessenheit geraten. Kritik gab es daran, dass Museen an Sonn- und Feiertagen geschlossen sind. Der Grüne Markt verdiene seinen Namen nicht und das Angebot müsse dringend ausgeweitet und optimiert werden.
FDP-Stadträtin Maria Knott-Klausner setzte sich in ihrer Rede dafür ein, den Ausbau von Photovoltaikanlagen zu erhöhen und mehr Schnellladesäulen für E-Autos zur Verfügung zu stellen. Der Ausbau der Kitaplätze muss ihrer Meinung nach schneller vorangehen. Zudem sei der Bau einer neuen Grundschule notwendig.
Herbert Borrmann, Fraktionsvorsitzende der CSU, begrüßte, dass der Haushaltsentwurf auch Spielraum für Unvorhergesehenes lasse. Er plädierte für die vermehrte Vergabe an Planungsbüros. „Das zu lange Warten auf Bebauungspläne und Straßenplanungen erfordert eine Intensivierung in diesem Punkt“, sagte er. Wichtig sei es, neue Mitarbeiter für die Stadt Rosenheim zu gewinnen. Der Haushaltsüberschuss sollte genutzt werden, alle machbaren Dinge zu erledigen. Die Reihenfolge sei im Einklang mit anderen Maßnahmen abzustimmen. Er lobte den Rosenheimer Verkehrsverbund und machte noch einmal deutlich, dass ein MVV-Eintritt nur dann sinnvoll ist, wenn die Finanzierung geklärt sei. Die Umsetzung der Kanalbrücke in der Äußeren Münchener Straße bleibe für seine Fraktion auch weiterhin wichtig, um für Fußgänger und Radfahrer eine sichere und ampelfreie Überquerung zu gewährleisten. Um eine Versiegelung von Flächen zu vermeiden und gleichzeitig die Nachfrage abzumildern, brauche es eine zusätzliche Bebauung in die Höhe - vor allem in den Wohnquartieren.
