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Eine vollendete Tragödie

Mythos Titanic im Rosenheimer Lokschuppen: Warum die neue Ausstellung unter die Haut geht

Modell Titanic am Grund
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Ein Modell der Titanic auf dem Meeresgrund.

Am Freitag (14. März) eröffnet die neue Titanic-Ausstellung im Rosenheimer Lokschuppen. Ihr Schicksal ist auch heute, über hundert Jahre nach dem Untergang, noch allgegenwärtig. Was die Titanic zum Mythos macht und warum sich ein Besuch lohnt.

Rosenheim – Die Titanic ist ein Mythos – auch hundertdreizehn Jahre nach ihrem Untergang noch. Warum das so ist, möchte eine Ausstellung im Lokschuppen ergründen, die am Freitag (14. März) eröffnet wird. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn Mythen zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie immer aufs Neue und damit auch immer anders zu erzählen sind. 

Der Untergang der Titanic wird auf einer großen Leinwand nachgestellt.

Natürlich gehört zur Geschichte der Titanic, dass hier 1.496 Menschen fast schlagartig aus dem Leben gerissen wurden – eben noch in behütetem Luxus auf einem vermeintlich unsinkbaren Schiff und dann - gegen dreiviertel zwölf an diesem Abend des 14. April 1912 - mehr oder weniger von jetzt auf gleich in eiskaltes Wasser und in den Tod gestoßen. Für alle, die seither darauf blicken, eine vollendete Tragödie klassisch-griechischen Ausmaßes.

Kampf ums Überleben

Mit viel Raum für Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit: Da sind die, die ums eigene Überleben kämpfen, ohne Rücksicht auf Verluste, da sind andere, die im Angesicht des sicheren Todes über sich selbst hinauswachsen, Mitmenschen vor das eigene Überleben stellen. Mit einigen von diesen Passagieren bringt einen die Ausstellung näher in Kontakt, vom Einschiffen über ihre ersten Eindrücke von der Fahrt bis hin zur Kollision mit dem Eisberg und ihrem Tod – oder ihrer Rettung.

Ergreifende Eindrücke – dennoch: So weit wäre die Ausstellung im Lokschuppen noch keine Besondere. Und Joan Randall, die Tochter einer Überlebenden des Untergangs, hätte keinen Anlass gehabt, bei der Eröffnungsveranstaltung zu betonen: „Ich habe viele Ausstellungen über die Titanic gesehen. Doch diese hier in Rosenheim gehört mit zu den allerbesten“.

Joan Randall, die Tochter einer Überlebenden des Untergangs, ist extra nach Rosenheim gereist.

Ausstellung will Zukunftseuphorie begleiten

Da ist aber der Anspruch der Ausstellungsmacher, einen weiteren Punkt zu beleuchten, der die Titanic zum Mythos macht. Sie war damals der Inbegriff eines Zeitgeistes, der die Menschheit dank seiner Beherrschung der Technik vor ungeahntem, ja schier grenzenlosem Aufschwung sah. Eine Zukunftseuphorie, die einem heute so fremd vorkommt, dass es richtiggehend schwerfällt, sich in das damalige Zeiterleben einzufühlen. Vielleicht deswegen ist vielfach in den Erzählungen zur Geschichte der Titanic immer gleich der Verweis auf die menschliche Hybris zu finden, die Warnung, dass Hochmut vor dem Fall kommt. 

In dieses Schema verfällt die Ausstellung nicht, bewusst nicht, wie die Kuratoren um Ausstellungsleiterin Dr. Jennifer Morscheiser, Dr. Peter Miesbeck und Siebo Heinken bei der Eröffnung sagten. Es ist durchaus so, dass auf die Folgen hingewiesen wird, die ein ungebremster Fortschrittsglaube haben kann. Aber dem Positiven dieses damaligen Lebensgefühls, dass Zukunft zu gestalten ist, und dass dieses Gestalten die Welt verbessert – diesem Zeitverständnis wird breiter Raum eingeräumt.

Der Eingang zur Titanic-Ausstellung im Lokschuppen.

Schnitt durchs Schiff

Und wer in den ersten Räumen der Ausstellung steht, in der diese Aufbruchsstimmung fast zu greifen ist, fängt, trotz aller Skepsis eines heutigen Menschen, langsam an zu verstehen. Auch die immensen Ausmaße des Schiffes, dargestellt auf großen Bildprojektionen sowie einem Schnitt durch das Schiff, der sich über eine gesamte Raumbreite erstreckt, tragen dazu bei.

Natürlich könnte man einwenden, dass heutige Kreuzfahrtschiffe teils viel größer sind als die Titanic. Doch das sind unförmige schwimmende Hotels, die mit dem Musterbild eines Schiffes, das man in seinem Kopf trägt, nur wenig zu tun haben. Die Titanic aber war eine echte Schönheit und auch diese Tatsache hat wohl Anteil an ihrem Mythos.

Was die Titanic zum Mythos macht

Und dennoch bleibt die Ausstellung nicht an dieser Oberfläche. Immer schwingt die Frage mit, ob das Schicksal des Schiffes nicht doch in gewissem Sinn eine Allegorie auf die Menschheitsgeschichte ist. Denn auf dem Schiff waren alle vereint: Die Privilegierten ebenso wie das normale Volk. Und ob es vielleicht nicht dieses Bewusstsein ist, das die Titanic zum Mythos werden ließ.

Christian von Aster, der viele Texte an den Hörstationen eingesprochen hat, brachte diesen Gedanken bei der Eröffnung auf den Punkt: „Was wäre, wenn wir auch schon im Sinken begriffen wären und es nur nicht wahrhaben wollten, beschlossen hätten, das Knirschen im Rumpf und die langsam zunehmende Schräglage einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen?“

Die Propeller der Titanic sind riesig.

Ein Gedanke, der wortmächtig auch in einer großen Videoinstallation angesprochen wird, in der die letzten zweieinhalb Stunden der Titanic aufgegriffen werden. Es sind Sätze von Hans Magnus Enzensberger, die im Gedächtnis haften bleiben: „Der Anfang vom Ende ist immer diskret“ heißt es da. Und etwas später: „Was ist los? Oh, es ist nichts!“ Und die Erklärung: „Es ist, als hätten die Passagiere Tabletten geschluckt“

Etwas Aufbruchsstimmung kann nicht schaden

Trotz dieser Gedanken verlässt man die Ausstellung keineswegs bedrückt und in Weltuntergangsstimmung. Der Kopf ist vielmehr voll von den zahlreichen Eindrücken, die geradezu danach verlangen, die Ausstellung noch einmal zu besuchen – und möglicherweise sogar mehr als dieses zusätzliche eine Mal. Vielleicht unter der kundigen Führung von Menschen wie Elke Steiner, die sich mit rund zwanzig Kolleginnen und Kollegen seit November auf ihre Aufgabe vorbereitet hat.

Und schließlich gilt wohl auch, was Oberbürgermeister Andreas März in seiner Begrüßungsansprache meinte: Bei aller Skepsis gegen einen überbordenden Zukunftsglauben, etwas von der Aufbruchsstimmung und der anpackenden Zuversicht, die den Zeitgeist damals prägte, könnte uns heute nicht schaden.

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