Wie groß ist der Reformbedarf?
Alarm bei Romed: Warum der Rosenheimer Klinik-Verbund in die roten Zahlen schlittert
Wann kommt der Notarzt für die kranken Kliniken? Auch bei Romed in Rosenheim herrscht Alarm. Landkreis und kreisfreie Stadt werden in die Bresche springen müssen. Was das für die Zukunft der Gesundheitsversorgung in der Region heißt.
Rosenheim - Wie krank ist das Gesundheitssystem? Wenn es nach den Zahlen geht, ist es ein Fall für den Notarzt. Auch der Rosenheimer Klinikverbund Romed schliddert aktuell tief in die roten Zahlen. Auf vier Millionen Euro schätzt Geschäftsführer Dr. Jens Deerberg-Wittram das Minus für das Jahr 2022, auf 17 Millionen steigt das Defizit womöglich im Jahr 2023.
Die Gründe sind vielfältig, beruhen im Grunde aber auf der schlechteren Auslastung. „Wir stehen vor Irrsinns-Defiziten, weil die Sperre von Betten Umsatzausfälle nach sich zieht“, sagt Deerberg-Wittram. Für 2022 sei noch ein Ausgleich gezahlt worden, berechnet nach dem Umsatz von 2019. Davon könne man aktuell für 2023 noch nicht ausgehen.
In den vergangenen Jahren hätten Krankenhäuser nicht mehr so viele Patienten behandeln können wie 2019. Diese Umsatzausfälle spielten eine viel größere Rolle als die Inflation und die hohen Energiepreise, sagt der Romed-Chef.
Stadt und Landkreis tragen das Defizit zunächst
In die Bresche springen müssen zunächst die kreisfreie Stadt und der Landkreis Rosenheim, denen Romed mit seinen vier Standorten in Rosenheim, Wasserburg, Prien und Bad Aibling zu 50 Prozent gehört. Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März (CSU) betonte, Insolvenz sei keine Option .„Wir müssen uns um die Gesundheitsversorgung keine Sorgen machen“, sagte März auf OVB-Anfragen. „Die Versorgung passt und wird aufrecht erhalten.“ Allerdings, so sagt es März, „müssen wir etwas dafür tun, damit es so bleibt“.
Landrat und Oberbürgermeister: Freistaat und Bund sind gefordert
Kurzfristig müsse den Kommunen geholfen werden, fordern März und der Rosenheimer Landrat Otto Lederer (CSU). Der Bund sei für den Betrieb zuständig, der Freistaat hingegen für Investitionen, sagt März. Auch Lederer mahnt schnelle Hilfen an. „Dringend notwendig ist ein Sofortprogramm des Bundes, um die finanziellen Schwierigkeiten der Krankenhäuser abzufedern, welche die Grundversorgung im Land aufrechterhalten.“ Nur so seien die Kommunen im Stande, die Grundversorgung ihrer Bürger auf Dauer aufrechtzuerhalten.
Warum die Krankenhausreform notwendig ist
Überlagert werden die Alarmsignale der Kommunen wegen der finanziellen Lage mit der Diskussion über die Krankenhausreform, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angestoßen hat. „Diese pauschale Kritik an Lauterbach ist nicht gerechtfertigt“, sagt hingegen Andreas März. „Die Idee hinter dieser Reform ist, wegzukommen von den Fallpauschalen und stärker in Richtung Vorhaltepauschalen zu gehen.“ Das bisherige System ermutige lediglich dazu, Fälle mit möglichst hohem Profit zu „generieren“, belohne aber die Häuser nicht, die umfangreiche Ressourcen zur Versorgung der Allgemeinheit vorhielten.
Auch der Romed-Geschäftsführer findet eine Reform im Grunde längst überfällig. „Es sind da einige richtige Überlegungen zu finden“, sagt Deerberg-Wittram. „Nicht jedes Krankenhaus kann alles machen.“ Auch die stärkere Orientierung hin zu Vorhalte-Leistungen sei richtig.
Den Reformbedarf unterstreicht auch Landrat Lederer. Dass sich etwas ändern müsse, sei „unbestritten, weil viele kommunale Häuser aktuell finanzielle Probleme haben“. Tatsächlich gibt es auch in Bayern noch weit höher belastete Betriebe. Das Klinikum Starnberg zum Beispiel, einst eines der profitabelsten Häuser, steuert auf ein Minus von 25 Millionen zu. Die Münchner städtischen Kliniken sagen ein Defizit von 75 Millionen voraus. Aus diesem Grunde wandte sich kürzlich der bayerische Städtetag an die Öffentlichkeit. „Unsere Krankenhäuser sind in Not“, sagte der Städtetagsvorsitzende, Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU).
Kritiker: Lauterbach-Konzept zu starr
Im vergangenen Jahr erst ist das Reformpaket von einer unabhängigen Kommission auf den Weg gebracht worden, Lauterbachs Projekt befindet sich also noch in einem frühen Stadium seines Weges durch die Instanzen. Und wird noch überarbeitet werden müssen, zumindest wenn man in der Region Rosenheim nachfragt. „Die Reformvorschläge greifen viel zu stark in die Planungshoheit der Länder und Kommunen ein und müssen deshalb unbedingt noch überarbeitet werden“, sagt etwa Landrat Lederer.
März kritisiert das System, wonach das Angebot der Krankenhäuser an eine bestimmte Größe gebunden sei, als zu starr. „Es gibt etliche kleine Krankenhäuser, die in ausgewählten Bereichen wie zum Beispiel der Orthopädie echte Spitzenmedizin anbieten“, sagt März.
Auch in anderen Bereichen sei das Konzept zu unflexibel. Eine Zentrale Notaufnahme (ZNA) lediglich dort zuzulassen, wo sich im Umkreis von einer halben Stunde Fahrt kein großes Krankenhaus befinde, könne letztlich das Aus für die ZNAs in Bad Aibling oder Prien bedeuten, sagt Jens Deerberg-Wittram. Die Notaufnahme in Bad Aibling betreue aber jährlich 13.000 Patienten - eine Zahl, die Rosenheim nicht zusätzlich bewältigen könne.
Krankenhaus-Not: Zu wenig Personal, oder zu wenig Flexibilität?
Die aktuelle Krise des Gesundheitssystems wollen Fachleute nicht allein auf Corona zurückführen. Doch hat die Pandemie wohl als Brandbeschleuniger gewirkt. In der Pandemie mussten viele Betten für Covid-Patienten vorgehalten werden. Diese Betten konnten aber schon wegen der Isolierpflicht nicht mit anderen Patienten belegt werden.
Was die Zahl der verfügbaren Betten weiter sinken ließ, war der steigende Personalmangel: Positiv getestete Kollegen durften nicht mehr arbeiten, zusätzlich zum Virus selbst trieb Erschöpfung den Fehlstand auf Rekordhöhen. Planbare Operationen mussten aufgeschoben werden, Romed konnte wesentlich weniger Patienten behandeln als früher.
Was Deerberg-Wittram ärgert, sind gesetzliche Regelungen, die darüber hinaus für eine „künstliche Verknappung“ des Personals sorgen. Als Beispiel nennt er die so genannte „Pflegepersonaluntergrenze“. Sie schreibt seit 2021 den Krankenhäusern vor, wie viele Patienten höchstens von einer Pflegekraft betreut werden dürfen. Dadurch fehle den Krankenhäusern Spielraum, sagt der Romed-Chef. Damit sinkt der Umsatz auf den aktuellen alarmierenden Stand. „Wir haben eigentlich kein Geldproblem“, sagt Deerberg-Wittram. „Wir haben ein Personalproblem.“