Auch Vorwürfe gegen die Polizei
„Gewaltbereitschaft hat mich schockiert“: Klimakleber kritisieren Rosenheimer Bevölkerung
Auch Tage danach sorgt der Vorfall für Gesprächsstoff: Am Freitag, 30. Juni, haben fünf Aktivisten der „Letzten Generation“ die Rathausstraße in Rosenheim blockiert. Jetzt ziehen die Demonstranten ein erstes Fazit – und kritisieren vor allem die zum Teil gewalttätigen Passanten.
Rosenheim – So richtig fassen kann es Judith Beadle auch Tage später nicht. Sie ist Mitglied der „Letzten Generation“ und war eine der fünf beteiligten Aktivisten, die am Freitag, 30. Juni, die Rathausstraße in Rosenheim blockiert hatten. „Wir wollten den Alltag stören und auf das Versagen der Regierung in der Klimakrise aufmerksam machen“, sagt sie auf OVB-Anfrage.
Haare zum Teil ausgerissen
Gestört habe sie vor allem die zum Teil gewalttätigen Passanten. So habe sie ein älterer Mann mehrmals von der Straße gezerrt, indem er sie an den Haaren gepackt habe. „Er hat mir auch Haare ausgerissen, was sehr schmerzhaft war“, erinnert sich Judith Beadle. Einige Passanten hätten den Mann angefeuert, andere nur zugesehen, ohne einzugreifen.
„Ich habe mich schon an vielen Protesten beteiligt und auch vorher schon Gewalt erfahren, aber diese Gewaltbereitschaft und passive Täterschaft hat mich sehr schockiert“, sagt sie. Von ähnlichen Ereignissen berichtet Regi, die ebenfalls an dem Protest in Rosenheim teilgenommen hat.
Mit Regenschirm auf die Aktivisten losgegangen
Sie erzählt von teils aggressiven Passanten, die mit dem Regenschirm auf sie losgegangen seien und sie am Hals gezogen hätten. „Ich hatte große Angst in der Situation, bin aber sitzen geblieben. Die Angst ändert nichts daran, dass unser Protest notwendig ist“, sagt Regi.
Anders als die Polizei gibt sie an, dass sie von Anfang an kommuniziert hätten, die Straßen in der Stadt kein zweites Mal blockieren zu wollen. Umso unverständlicher sei es für sie gewesen, dass sie trotzdem in Gewahrsam genommen worden seien. „Wir mussten uns im Flur bis auf die Unterhose ausziehen, nackt zur Zelle gehen und haben da eine Decke bekommen“, erinnert sich Regi. Nach zehn Stunden – gegen 22 Uhr – hätten sie die Polizeiinspektion wieder verlassen dürfen.
Größte Herausforderung der Menschheit
Von den Vorkommnissen in Rosenheim beirren lassen, wollen sich die Aktivisten nicht. „Ich hoffe weiterhin darauf, dass wir als Gesellschaft noch rechtzeitig zusammen kommen und das Schlimmste verhindern können“, sagt Judith Beadle. Die Klimakrise sei die größte Herausforderung der Menschheit und könne nur „gemeinsam angegangen werden“.
Kritik an den Passanten aber auch an den Aussagen von Oberbürgermeister Andreas März äußerte zudem Tobias Hüther. Er ist Bundespolizist, Klimaschützer und ebenfalls Mitglieder der „Letzten Generation“. Er störe sich vor allem daran, dass März die Aktivisten als „Klimachaoten“ bezeichnet hat. „Chaoten sind dabei nicht die, die kurzfristig den Verkehr durch eine Blockade-Aktion lahm gelegt haben, sondern vor allem diejenigen, die durch heftiges Wegzerren, körperverletzende Handlungen mittels eines Regenschirms und lautstarke Beleidigungen gegen den friedlichen Protest vorgehen“, kritisiert Hüther.
Schwere Körperverletzung?
Eine erste Einschätzung zu den Vorfällen äußerte jetzt Rechtsanwältin Sabine Rechmann: „Meines Wissens liegt in diesem Fall eine Strafanzeige gegen den Herrn mit Hut und Regenschirm vor. Aufgrund der Brutalität des Angriffs und der öffentlichen Aufmerksamkeit gehe ich davon aus, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Mann ermitteln wird – der Vorwurf der schweren Körperverletzung steht im Raum.“