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Menschenwürde verletzt?

Klage gegen Rosenheimer Polizei: Warum mussten sich die Aktivisten fast komplett ausziehen?

Nach einer Hausbesetzung im April 2023 wurden drei Aktivisten festgenommen. Auf der Wache mussten sie sich bis auf die Unterwäsche ausziehen – jetzt haben sie Klage eingereicht.
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Nach einer Hausbesetzung im April 2023 wurden drei Aktivisten festgenommen. Auf der Wache mussten sie sich bis auf die Unterwäsche ausziehen – jetzt haben sie Klage eingereicht.

Schwere Anschuldigungen gegen die Rosenheimer Polizei: Aktivisten werfen den Beamten vor, dass sie sich in der Zelle bis auf die Unterwäsche ausziehen mussten. Jetzt haben sie Klage eingereicht. Was bisher bekannt ist – und wie eine Anwältin die Chancen der Aktivisten einschätzt.

Rosenheim – Für Alina B. scheinen es bange Stunden gewesen sein. So zumindest geht es aus der Anklageschrift hervor, die seit einigen Tagen beim Verwaltungsgericht in München liegt. Die junge Frau gehörte zu jenen Aktivisten, die im April 2023 ein leerstehendes Haus an der Münchener Straße in Rosenheim besetzt hatten. Nach einem stundenlangen Einsatz räumten die Polizisten das Gebäude – und nahmen die Aktivisten mit auf die Wache.

Im Gewahrsam gefroren

Dort wurde die damals 19-Jährige – so heißt es in einer Pressemitteilung des Bündnisses „Versammlungsrecht Rosenheim“ – vollständig durchsucht. „Ich musste mich in der Zelle bis auf die Unterwäsche ausziehen und so die gesamte Zeit im Gewahrsam frieren“, sagt sie. Während ihrer Zeit auf der Wache seien immer wieder männliche Polizisten in die Zelle gekommen, um sie zu befragen. Ein Telefonat sei ihr untersagt worden.

Ähnliche Erfahrungen sollen die beiden anderen Aktivisten gemacht haben. Auch sie mussten sich bis auf die Unterwäsche ausziehen. Die damals 19-Jährige hat jetzt Klage gegen die Rosenheimer Polizei eingereicht. Sie wirft den Beamten vor, rechtswidrig gehandelt zu haben.

Persönlichkeitsrecht und Menschenwürde berührt

„Ich rechne mir hier große Erfolgschancen aus“, sagt Rechtsanwältin Antonella Giamattei. So sei bei allen staatlichen Maßnahmen, die mit Entkleidung zu tun haben, das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die Menschenwürde der Betroffenen berührt. „Solche Maßnahmen sind nur gerechtfertigt, wenn es gute Gründe dafür gibt. Im Falle meiner Mandantin aber sind keine sachlichen Gründe für die Entkleidung ersichtlich gewesen“, sagt sie auf OVB-Anfrage.

Aus diesem Grund geht die Anwältin davon aus, dass ihr das Gericht Recht geben und die Maßnahme für rechtswidrig erklären wird. „Es scheint wohl eine gängige Praxis bei der PI Rosenheim zu sein“, fügt sie hinzu. Ob dem tatsächlich so ist und wieso sich die Aktivistin bis auf die Unterwäsche ausziehen musste, dazu äußert sich die Polizei vorerst nicht. „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir derzeit keine Angaben machen“, sagt Hauptkommissar Robert Maurer.

Kein Einzelfall

Dass es immer wieder vorkommt, dass sich Menschen in Polizeigewahrsam bis auf die Unterwäsche ausziehen müssen, zeigt eine Internetrecherche. In Kempten wurde ein 20-jähriger Klimaaktivist nur mit der Unterhose bekleidet in eine Gewahrsamszelle gesperrt. Ähnlich gingen Polizisten bei einem 24-jährigen Mitglied der „Letzten Generation“ vor, das an einer Klebeprotestaktion in Wien teilgenommen hatte. Auch der 24-Jährige musste sich bis auf die Unterwäsche ausziehen.

In einem Urteil aus dem Jahr 2022 heißt es vonseiten des Bayerischen Obersten Landgerichts, dass eine Entkleidung im Polizeigewahrsam nur zulässig ist, wenn Gefahr für Leib oder Leben im Einzelfall vorliegt – und zwar entweder für die Betroffenen oder die Beamten. 2021 urteilte das Verwaltungsgericht Augsburg zudem, dass „Maßnahmen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen“.

Aufsichtsbeschwerde eingereicht

Neben der Klage hat der Aktivist Stefan G. noch eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Polizei eingereicht. „Dabei geht es um die Versagung der sogenannten opponierenden Teilnahme bei einer AfD-Versammlung“, erklärt seine Rechtsanwältin Antonella Giamattei. Die Polizei hat ihr zufolge jetzt die Möglichkeit, sich mit der Beschwerde auseinanderzusetzen und zu erklären, wie sie die Sach- und Rechtslage einschätzt.

„Im besten Fall wird uns die Polizei mitteilen, wie sie Versammlungen in Zukunft handhaben wird, damit es nicht zu den von uns monierten Verstößen gegen die Versammlungsfreiheit kommt“, fügt sie hinzu.

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