Verfahren am Rosenheimer Jugendschöffengericht
Schleuser (20) versteckt Flüchtlinge auf ungesicherter Ladefläche: Retten ihn Schluchzer vor Knast?
Ein 20-jähriger Schleuser verstrickte sich vor dem Rosenheimer Jugendschöffengericht in zu vielen Lügen. Über Hunderte von Kilometern hatte er Erwachsene und Kinder ungesichert auf der Ladefläche nach Deutschland geschleust.
Kiefersfelden – Aufgefallen war der junge Syrer, als er sich in einem geschlossenen Kleintransporter am 20. März dieses Jahres gegen 19.00 Uhr so zögerlich und unsicher der Grenzkontrollstelle auf der A 93 bei Kiefersfelden näherte, dass der Kontrollbeamte aufmerksam wurde und entweder eine Alkoholisierung des Fahrers oder einen Defekt am Fahrzeug vermutete. Er stoppte den Wagen und erkundigte sich nach dem Zustand von Fahrer und Fahrzeug.
Erwachsene und vier Kinder auf Ladefläche
Auf die Frage nach der Ladung gab der Fahrer unumwunden zu, dass er im Laderaum Personen befördere. Daraufhin wurde er sofort in das Kontrollzelt geleitet, wo die Beamten vier Erwachsene und vier Kinder im Alter von 5 bis 12 Jahren vorfanden. Ohne jegliche Sitzmöglichkeit oder Sicherung waren sie einem enormen Unfallrisiko ausgesetzt.
Der 20-jährige Fahrer wurde festgenommen und nun vor dem Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richter Bernd Magiera wegen Einschleusens von Ausländern unter hohem Risiko und menschenunwürdigen Bedingungen angeklagt. Ein schmächtiger Junge wurde von den Vorführbeamten in den Gerichtssaal geführt.
Falsche Angaben und inkonsistente Erzählungen
Dort entwickelte er ein Lügengespinst, das schon mit einer falschen Wohnadresse begann, sich an Zeiten und Abläufe nicht mehr erinnern konnte oder diese wahllos falsch angab. Bis zum Ende des Verfahrens blieb unklar, ob er geistig zurückgeblieben oder einfach nur ein notorischer Lügner war. Er verstieg sich sogar zu der Behauptung, er habe nicht gewusst, dass sein Tun verboten war. Diese Behauptung war umso unglaubwürdiger, als er selbst sieben Jahre zuvor nach Deutschland eingeschleust worden war.
Freie Meinung oder Übles nachreden: Wann droht Arbeitnehmern die Kündigung?
Und darüber hinaus für diese Fahrt von den Organisatoren 12.000 Euro verlangte. Ein Preis, der für eine völlig legale und risikolose Handlung wohl kaum verlangt worden wäre. Die Tat als solche gab er zu. Da gab es kaum etwas zu bestreiten. Aber die Umstände dieser Schleusung versuchte er immer wieder zu relativieren. Auch war er bemüht, durch haltloses Schluchzen Bedauern und Reue zu inszenieren. Die Tat selbst und die gegebenen Umstände waren fotografisch festgehalten und unzweifelhaft.
In den Berichten der Jugendgerichtshilfe wurde deutlich, dass der junge Mann eine gestörte Persönlichkeit hatte. Unklar blieb jedoch, ob es sich bei den immer wieder geäußerten Suiziddrohungen nicht lediglich um Erpressungsversuche gegen die Umwelt unter widrigen Umständen handelte.
Sollte Erwachsenenstrafrecht angewendet werden? Die Debatte im Gerichtssaal
Auch die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe vermisste Anzeichen von Reue und kam nicht umhin, dem Angeklagten schädliche Neigungen zu attestieren. Diese sind für die Verhängung einer Jugendstrafe erforderlich. Die Staatsanwältin hingegen vertrat die Auffassung, dass für den Angeklagten durchaus Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommen müsse.
Vater und Sohn bei Spaziergang in Altötting zusammengeschlagen: Bewährung für die Täter
Zu überlegt sei seine Tatbegehung, zu selbstständig bereits seine Lebensführung. Auch wenn der 20-Jährige äußerlich eher wie ein Jugendlicher wirke, seien sein Lebenswandel und seine kriminelle Energie längst die eines Erwachsenen. Sie beantragte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, auch wegen diverser Vorstrafen.
Die Verteidiger Raphael Botor und Maximilian Hoh plädierten hingegen beide dafür, den Angeklagten vom Versuch freizusprechen. Immerhin habe er den Beamten sofort auf die transportierten Personen aufmerksam gemacht. Sollte es tatsächlich zu einer Verurteilung kommen, sei zweifellos Jugendstrafrecht anzuwenden. Reifeverzögerungen könnten dem Angeklagten keinesfalls abgesprochen werden. Insgesamt bedürfe ihr Mandant viel mehr der Therapie als des Strafvollzugs.
Strafe nach Jugendstrafrecht
Einen strafbefreienden „Rücktritt vom Versuch“ habe das Jugendschöffengericht keinesfalls erkennen können. „Das funktioniert nicht mehr, wenn schon ein Polizeibeamter kontrolliert“, so Richter Magiera. Dennoch wurde er nach Jugendstrafrecht verurteilt. Zwei Jahre und drei Monate Einheitsjugendstrafe lautete das Urteil. Richter Magiera: „Innerhalb der Jugendstrafe kann und wird positiv auf den jungen Mann eingewirkt. Er kann dort einen Schulabschluss nachholen, sogar eine Berufsausbildung ist möglich und empfehlenswert“.su