Eine Ära geht zu Ende
„Die Rosenheimer Tafel war mein Leben“: Warum Leiterin Elisabeth Bartl nach 20 Jahren aufhört
In der Rosenheimer Tafel geht eine Ära zu Ende: Elisabeth Bartl hört nach 20 Jahren auf. Leicht fällt der Leiterin der Abschied nicht, auf ihren neuen Lebensabschnitt freut sie sich trotzdem. Über eine Frau, die sich jahrelang für die bedürftigen Menschen in Rosenheim eingesetzt hat.
Rosenheim - Die Entscheidung war für Elisabeth Bartl nicht einfach. „Die Tafel hat mein Leben geprägt. Natürlich schwingt da Wehmut mit“, sagt die Leiterin. 20 Jahre lang hat sich ihr Alltag um die Rosenheimer Einrichtung gedreht. Sie hat Lebensmittel eingekauft, Ehrenamtliche akquiriert und Bedürftige versorgt. Erst in einem kleinen Raum im Klepperpark, später an der Westermayer- und Tannenbergstraße und seit einigen Wochen an der Samerstraße. Jetzt zieht sie einen Schlussstrich. Um auch mal wieder Zeit für sich zu haben, den Lebenspartner und die drei Kinder. „Vermissen werde ich die Arbeit trotzdem“, sagt sie.
Lust, etwas Sinnvolles zu machen
Noch gut erinnert sich Bartl an ihre Anfänge bei der Tafel. Durch Zufall habe sie vor 23 Jahren von der Gründung des Rosenheimer Standorts erfahren. Weil sie neben ihrer Tätigkeit bei der Bank und ihren drei Kindern Lust auf etwas Neues hatte, nahm sie Kontakt zur Vorstandschaft auf. „Ich wollte etwas Sinnvolles machen“, erinnert sie sich. Nur kurze Zeit später - im Jahr 2005 - wurde ihr die Leitung angeboten. Sie habe sofort zugesagt. „Ich bin damals durchaus blauäugig an die Sache herangegangen“, sagt sie. Denn während die Essensausgaben nur an Dienstagen und Donnerstagen stattfinden, ist Bartl als Leiterin auch an den anderen Tagen eingespannt.
Über die Jahre sei das Pensum noch einmal gestiegen. Statt 80 Menschen versorgt die Einrichtung jetzt 1000 Kunden. „Viele Rosenheimer kommen aufgrund der Inflation nicht mehr alleine klar“, sagt Bartl. Unterstützung gibt es bei der Tafel. Doch genau hier liegt laut Bartl auch das Problem: „Die Politik verlässt sich zu sehr auf die Tafel.“ Immer wieder komme es vor, dass sie Leuten erklären muss, dass die Tafel kein Vollversorger ist. „Viele sind enttäuscht, wenn sie die Tasche aufmachen und die Waren sehen. Sie fragen sich dann, wie sie damit durch die Woche kommen sollen“, sagt Bartl. Diese Denkweise muss sich laut der Leiterin ändern. Hier müsse auch die Politik in die Pflicht genommen werden. „Armut muss nicht negiert, sondern bekämpft werden.“
Regel: Keine Lebensmittel sollen dazugekauft werden
In der Rosenheimer Einrichtung legt man unter anderem Wert darauf, dass keine Lebensmittel dazugekauft werden - außer es spendet jemand Geld mit dem expliziten Wunsch, dass es für Nudeln, Hygieneartikel und Co. ausgegeben wird. Kunden selbst müssen während der Ausgabe einen Betrag von einem Euro pro Person bezahlen. „Das ist mehr ein symbolischer Wert“, erklärt Bartl. So sei die Hemmschwelle, die Tafel zu besuchen, ohnehin schon groß. Würden die Kunden die Waren umsonst bekommen, würde es das Gefühl, Almosen zu erhalten, nochmals verstärken.
Und genau das wollen Elisabeth Bartl und ihre 60 Mitarbeiter so gut es geht verhindern. Einige Kunden kennt Bartl bereits von Anfang an, andere seien erst kürzlich dazugekommen. Von fast allen kennt sie die Namen und einen Teil ihrer Geschichte. „Viele hatten Tränen in den Augen, als ich ihnen gesagt habe, dass ich aufhöre“, sagt sie. Auch für ihre Mitarbeiter muss die Nachricht ein herber Schlag gewesen sein. Obwohl das Elisabeth Bartl selbst nie so sagen würde. Wann immer man mit der Leiterin spricht, hebt sie ihre Kollegen in den Vordergrund:„Ohne mein Team wäre all das nicht möglich gewesen. Die ganze Arbeit steht und fällt mit dem Ehrenamt.“
Ein Wellness-Urlaub und jeden Tag Sport
Sie erzählt von Freundschaften, die über die Jahre entstanden sind und von dem engen Zusammenhalt im Team. Das sei auch beim Umzug in die Samerstraße deutlich geworden. „Viele haben sogar ihr Wochenende geopfert“, erinnert sich Bartl. Es ist der Umgang mit genau diesen Leuten, den die Leiterin nach ihrer Zeit bei der Tafel am meisten vermissen wird. Aber sie freut sich auch auf die freie Zeit. Ein paar Tage Wellness-Urlaub sind geplant, danach will sie wieder mehr Sport machen. Jeden Tag eine Runde spazieren gehen und hin und wieder ihre Kollegen in der Samerstraße besuchen.
Über diese Besuche freuen, werden sich auch ihr Nachfolger Dr. Horst Steppi und Sebastian Kurz, Geschäftsbereichsleiter bei der Diakonie Rosenheim. „Elisabeth Bartl ist verantwortungsvoll, bestens vernetzt und hat immer ein offenes Ohr“, sagt Kurz. Für sie habe immer die Bedürftigkeit der Kunden im Vordergrund gestanden. „Sie hat alle Menschen mit offenen Armen empfangen“, lobt der Bereichsleiter. Genau so soll es auch in Zukunft weitergehen - nur eben ohne Elisabeth Bartl an der Spitze.