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OVB-Exklusivinterview

Zwei Ehefrauen und ein Todesfall: Diese skurrilen Geschichten erlebt ein Rosenheimer Bestatter

Michael Hartl, Geschäftsführer des Rosenheimer Bestattungsunternehmen Hartl, hat in seinem Beruf schon mit vielen eigenartigen Todesfällen zu tun gehabt.
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Michael Hartl, Geschäftsführer des Rosenheimer Bestattungsunternehmen Hartl, hat in seinem Beruf schon mit vielen eigenartigen Todesfällen zu tun gehabt.

Tabuthema Tod: Über die Arbeit von Bestattern wird wenig bis gar nicht gesprochen. Warum das so ist, weiß Michael Hartl. Der 40-Jährige führt seit vielen Jahren ein Bestattungsunternehmen in Rosenheim. Im Gespräch erzählt er von skurrilen Momenten, der Angst vor dem Sterben und der Bedeutung von Trauer.

Rosenheim - Der Mann, der Menschen unter die Erde bringt: Michael Hartl führt seit Jahren ein Bestattungsunternehmen in Rosenheim. Im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen verrät er, wie es ist, jeden Tag mit dem Tod konfrontiert zu sein, was die Todesursache mit der Trauer zu tun hat und welche skurrilen Geschichten er in über 20 Jahren erlebt hat.

Herr Hartl, wie wollen Sie bestattet werden?

Hartl: Auf gar keinen Fall erdbestattet. Ich will eine Feuerbestattung.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Michael Hartl: Nein, aber sterben möchte ich jetzt trotzdem noch nicht (lacht). Dazu habe ich zu viel Spaß am Leben und will noch einiges erleben.

Denken Sie als Bestatter mehr über den Tod nach als andere?

Hartl: Das schon. Vor allem bei tragischen Sachen. Da denkt man schon: Hey schau, so schnell kann es gehen. Das Bewusstsein für das Leben ist höher als bei Menschen, die nicht dauernd mit dem Tod konfrontiert werden. Es darf einen aber nicht wahnsinnig machen.

Warum sind Sie Bestatter geworden?

Hartl: Gute Frage. Früher habe ich mir das überhaupt nicht vorstellen können und das, obwohl ich in einem Bestattungs-Familienunternehmen aufgewachsen bin.

Also kein Kindheitstraum.

Hartl: Nein, als Kind gab es nur Fußball (lacht). Aber Beisetzungen und Tod waren für mich schon damals greifbarer als für andere Kinder. Unser Unternehmen war früher auf unserem Hof in Prien und es war ganz normal, dass trauernde Angehörige bei uns angerufen haben oder einfach vor der Tür standen. Oder zum Beispiel, dass Leichenfahrzeuge in der Einfahrt standen und die Särge im Keller hergerichtet wurden.

Und wie gings dann weiter?

Hartl: Ich habe lange nicht gewusst, was ich machen möchte. Ich habe erst eine kaufmännische Ausbildung gemacht und bin dann in die Firma eingestiegen. Und das hat mir so Spaß gemacht, dass der geprüfte Bestatter und der Bestattungsmeister hinzukamen.

Was ist die Faszination an diesem Beruf?

Hartl: Die Bindung, die zu den Angehörigen entsteht. Das ist kein normales Kundenverhältnis, sondern eine sehr vertrauliche Aufgabe. Für uns ist die richtige Verabschiedung das A und O. Ich versuche immer die Trauernden zu motivieren und zu begleiten, dass sie richtig Abschied nehmen können. Auch am offenen Sarg. Da wird der Tod bildlich und begreifbarer. Was auch schön ist, ist die Dankbarkeit vieler, wenn die schwierige Zeit überstanden ist.

Ist es nicht schwer, täglich mit dem Tod und trauernden Menschen zu tun zu haben?

Hartl: Ja und nein. Ja, weil du dich nicht davor schützen kannst, dass dich eine Situation berührt. Ganz besonders bei tragischen Schicksalen, die jeden Moment durch die Tür kommen können und einen erstmal umhauen. Das darf mich nicht so sehr beschäftigen, dass es mich nicht mehr loslässt. Da ist auch die Arbeit im Team um darüber sprechen zu können oder Sport als Ausgleich ganz wichtig für mich. Andererseits kann man Menschen helfen und für sie der Fels in der Brandung sein. Ich will das Gefühl vermitteln, dass ich da bin und versuche zu helfen, soweit es geht. Die Trauer kann man nicht nehmen, aber eine positive Trauerarbeit können wir geben.

Haben Sie schon mal mitgeweint?

Hartl: Ja klar. Das darf man und soll man auch. Aber zu oft sollte es auch nicht passieren, sonst wird der Job schwieriger. Nach Gesprächen mit tragischen Todesumständen ist man platt und geistig geschafft. Das lässt einen emotional nicht kalt.

Trauern Angehörige unterschiedlich?

Hartl: Immer. Jeder trauert anders. Ganz oft geht es da auch um die Todesursache. Beispiel dafür ist ein 98-Jähriger, der aber noch topfit und gesund war und dann plötzlich verstirbt. Das ist für die Hinterbliebenen ein kompletter Zusammenbruch - unabhängig vom Alter. Oder auch bei Suizid. Da sind die Angehörigen manchmal richtig wütend und aggressiv, warum die Person sie alleine lässt. Das ist mir selbst schon passiert und ich habe es zunächst nicht verstanden. Da muss man aber Verständnis haben und deshalb gehört Psychologie zur Ausbildung.

Gab es denn auch skurrile Momente?

Hartl: Ja! Ich habe mal mit einer Ehefrau die Beisetzung ihres Mannes eigentlich komplett durchorganisiert. Ein paar Tage später bekomme ich einen Anruf auf Englisch zu demselben Mann, wann die Urne nach Amerika geschickt werde. Dieser sollte aber in Rosenheim bestattet werden. Herausgestellt hat sich, dass der Mann zwei Ehefrauen hatte - eine in Rosenheim, die andere in den USA. Beide Damen, die nichts voneinander wussten, waren dann so wütend, dass sie die Beisetzung nicht bezahlen wollten. Die Urne stand am Ende über zwei Jahre bei uns, bis sie dank weiterer Erben beigesetzt wurde.

Was noch?

Hartl: Vergangenes Jahr an Allerheiligen hing an einem Urnengrab in Rosenheim ein Schild mit der Aufschrift: „Ihr braucht hier gar nicht stehen. Die Urne ist nicht bestattet.“ Zwei Tage später kam die Kripo zu uns und wollte wissen, ob wir damit etwas zu tun haben. Wir dokumentieren allerdings alles. Irgendjemand hat die Urne ausgegraben und mitgenommen. Aufgetaucht ist sie nicht mehr. Im Bestattungswesen gibt es nichts, was es nicht gibt.

Und trotzdem sind Bestattungen und der Tod ein Tabuthema.

Hartl: Viele haben Angst, haben schlechte Erfahrungen gemacht und geliebte Menschen verloren und das nicht richtig verarbeitet. Zudem viele Eltern auch ihre Kinder vor diesen Themen beschützen wollen. Mit dem Verhalten werden Probleme aufgebaut, da die Kinder dann nicht um Oma oder Opa trauern können. Und eigentlich ist es wichtig, dass Kinder frühzeitig in Trauerfälle mit einbezogen werden und einen vernünftigen Umgang lernen. Kinder trauern besonders.

Inwiefern?

Hartl: Ich glaube, dass viele Kinder gerne mehr trauern wollen, als sie dürfen. Wir merken das, weil viele eine Ausbildung zum Bestatter machen wollen. Auf sechs verfügbare Ausbildungsplätze bei uns kommen 30 bis 40 Bewerbungen. Wahrscheinlich deswegen, weil die jungen Leute mal schlechte Trauererfahrungen gemacht haben und jetzt andere vor einer ähnlichen schützen wollen.

Apropos Kinder: Wie schlimm ist es, wenn Kinder bestattet werden müssen?

Hartl: Wir legen großen Wert auf „schöne“ Kinderbestattungen. Da gab es vorher nur katastrophale Angebote in der Region. Wenn Kinder sterben, das ist krass. Es kam schon mal vor, dass ich vier Jahre hintereinander jedes Jahr an Weihnachten eine Kinderbestattung hatte. Wenn man dann daheim die eigenen Kinder sieht, ist das hart.

Generell berichten wir nicht über das Thema Suizid, damit mögliche Nachahmer nicht ermutigt werden. Eine Berichterstattung findet nur dann statt, wenn die Umstände eine besondere Aufmerksamkeit erfahren. Wenn Sie oder eine Ihnen bekannte Person unter einer existenziellen Lebenskrise oder Depressionen leidet, kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge unter der Nummer: 0800/1110111. Hilfe bietet auch der Krisendienst Psychiatrie für München und Oberbayern unter 0180/6553000. Weitere Infos finden Sie auf der Webseite www.krisendienst-psychiatrie.de.

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