Bayerns älteste Privatpilotin
57 Jahre in der Luft: Ingrid Hopman (85) aus Rimsting und die grenzenlose Freiheit über den Wolken
„Wenn ich Rundflüge mache, fragen die Leute als Erstes ‚Wie lange fliegen Sie schon‘“, sagt Ingrid Hopmann und lacht. Was sie weniger zum Lachen findet: Gleichaltrige Männer werden das nie gefragt. Um die Frage zu beantworten: Ingrid Hopman fliegt seit 57 Jahren.
Rimsting – Im Januar wurde die gebürtige Kärntnerin Ingrid Hopman 85 Jahre alt. Bald darauf stand die jährliche Flugtauglichkeitsprüfung an. Bedenken hatte Ingrid Hopman keine. „Ich bin gesund, nehme keine Medikamente“, sagt sie trocken. Sehen, hören, EKG, Blutwerte, Konzentration, Koordination, Reflexe – alles kein Problem. Ingrid Hopman bestand die Flugtauglichkeitsprüfung mit fliegenden Fahnen, ohne Vorbereitung. „Ich kann gleich wieder freudestrahlend in den Flieger“, sagt sie strahlend.
Zum Fliegen kam sie wie die Jungfrau zum Kinde: Sie machte mit einem fliegenden Freund Urlaub in Schleswig-Holstein, fuhr mit ihm zu dessen Heimatflughafen, machte einen Schnupperflug – und war gefangen. „Es war sofort um mich geschehen.“ Umgeben von acht jungen Männern, lernte sie fliegen.
Überhaupt: Privatfliegerei ist eine Männerdomäne. Ingrid Hopman ist meist allein auf weiter Flur. Auch deswegen ist sie Mitglied in der „Vereinigung deutscher Pilotinnen e.V.“, ein kleiner, feiner Verband mit rund 300 Privat- und Berufspilotinnen. Die Vereinigung unterstützt junge Frauen, die eine Ausbildung zur Pilotin machen wollen. Zu ihrer großen Freude hebt mittlerweile immer mehr weiblicher Nachwuchs ab. Die jungen Frauen kommen vorwiegend aus der Ultraleicht-Fliegerei.
Ganze Scharen an Pilotinnen landen alle zwei Jahre auf der kleinen Piste in Bad Endorf, wenn Ingrid Hopman zum „Fly in“ einlädt. Vor ein paar Jahren noch eine Großveranstaltung, wollte Ingrid Hopman das Treffen eigentlich einstampfen. Und ließ sich dann von den Kolleginnen aus aller Herren Länder, die so gerne in den Chiemgau kommen, doch erweichen. Also gibt es Ende Juli wieder ein „Fly in“. Im kleineren Rahmen. 30 Pilotinnen werden einfliegen. Einquartiert sind die Pilotinnen traditionell bei anderen Frauen mit einem Bezug zum Himmel: im Kloster Frauenwörth auf der Fraueninsel.
Flugzeuge sind nicht für kleine zierliche Frauen gemacht
Ein eigenes Flugzeug hatte Ingrid Hopman nie. Sie nutzt die Flugzeuge der Vereine an den jeweiligen Startplätzen in Bad Endorf, Vogtareuth und in ihrer Kärntner Heimat Friesach. Ultraleichtflugzeuge genauso wie Motorsegler und Motormaschinen. Und stößt immer wieder auf die Männerdomäne: „Flugzeuge sind nicht für kleine, zierliche Frauen gemacht!“ Die 1,60 Meter große und 46 Kilo leichte Ingrid Hopman marschiert deshalb mit mehreren Kissen unter dem Arm zu ihrem Fluggerät. Eines für den Rücken, eines unter den Allerwertesten und dann kann es losgehen.
Dumme Sprüche gab es selten
Dumme Sprüche von fliegenden Männern musste sich die selbstbewusste Ingrid Hopmann selten anhören, „die freuen sich eher, wenn sie mal mit einer Frau fliegen.“ Und die Kärntner Männer haben sie sogar zum Ehrenmitglied ihres Vereins gemacht. Das findet sie schön, aber richtig stolz ist Ingrid Hopman, dass sie vor 15 Jahren in die „Traditionsgemeinschaft Alte Adler“ aufgenommen wurde, „das ist eine große Ehre“. Denn zum einen hat diese Traditionsgemeinschaft nur 150 Mitglieder, zum anderen ist ein gerütteltes Maß an Verdiensten im Breiten- und Leistungssport oder in der Forschung und Wissenschaft oder im Luftverkehr und in der Luftfahrtindustrie Voraussetzung.
Ingrid Hopman, die Österreicherin mit dem holländischen Nachnamen, kam vor fünf Jahrzehnten in den Chiemgau, baute hier zusammen mit ihrem Mann dessen Arztpraxis auf. Beim Umzug von Breitbrunn nach Rimsting starb ihr Mann, Ingrid Hopman war da gerade 42. Sie fand einen Job im Priener Krankenhaus und in Vogtareuth Anschluss an die hiesigen Flieger. Später landete sie dann in Bad Endorf – weil da auch während der Woche Betrieb ist, nicht nur am Wochenende. Vogtareuth blieb sie aber noch eine Weile treu, schleppte Segelflieger in den Himmel. Das macht sie bis heute an ihrem Heimatflugplatz in Kärnten, bleibt dann gleich länger dort und besucht die Familie.
57 Jahre in der Luft – gab es da nie kritische Situationen? Doch, sagt Ingrid Hopman, natürlich gab es die. Zum Beispiel in Kenia, als ihre Maschine in den Wirbel anderer Flugzeuge geriet. Den nächsten Start brach sie ab, weil irgendetwas nicht so funktionierte, wie es sollte. Ingrid Hopman untersuchte die geliehene Maschine und fand Späne und andere Trümmerteile in Propellern und Motor. „Wären wir gestartet, wären wir abgestürzt.“ Sie habe aber bei keiner kritischen Situation ans Aufhören gedacht. „Jetzt frage ich mich eher: wie lange darf ich noch fliegen?“
„Durchstarten“
Ingrid Hopman hat viel zu erzählen. So viel, dass es ein ganzes Buch füllt: „Durchstarten“ heißt das 420 Seiten umfassende Werk. Darin schildert Hopman ihre Abenteuer als Pilotin und Weltenbummlerin. Erschienen ist das Buch vor wenigen Wochen bei tredition. Zu bekommen ist es im Buchhandel und Online.
Gefahr lauert nicht nur in Afrika. Die Alpen tun‘s auch. Ingrid Hopman liebt Rundflüge in den Bergen, „bis zur Zugspitze brauche ich eine dreiviertel Stunde“. Angst hatte sie noch nie. Auch, weil sie weiß, dass sie in kniffeligen Situation Nerven und Ruhe bewahrt. Es gibt trotzdem Tage, da fliegt die furchtlose Pilotin nicht Richtung Alpen: „Bei Föhn niemals in die Berge!“, sagt sie energisch. Der Fallwind drückt zu sehr.
Schöne Erlebnisse gibt es mehr. Da war zum einen der Flug über das karibische Meer „die Inseln, die Segelboote, die Farben des Wassers, der Sonnenschein und die Crew hat auch gepasst – es war ein Traum“, schwärmt Ingrid Hopman heute noch. Da war zum anderen ein Flug mit einer jungen Frau, die Hopmans Angebot an den Hospizverein, einen entsprechenden letzten Wunsch zu erfüllen, annahm und selig zu ihr ins Flugzeug stieg. Ein sechsjähriger Bub, dem gerade ein Bein abgenommen worden war, der aber unbedingt selbstständig in die Maschine steigen wollte und das auch tat. Zu dem Jungen hielt sie losen Kontakt. „Heute trainiert er für die Paralympics.“ Und da war der kleine Kerl, der bei einem Kinderflugtag mit Ingrid Hopman in die Luft über Chiemsee und Simssee ging. Ingrid Hopman lächelt bei der Erinnerung: „Er saß drin, sagte gar nix, hat einfach genossen.“


