Rufbus im West-Chiemgau auf der Kippe
Rosi hat ein Telefon, auch ich hab ihre Nummer schon – und zahle mehr pro Fahrt bei Tag und Nacht
Die Rosi als billiges Taxi missbrauchen – bisher durchaus üblich. Ein Verhalten, das mit zum massiven Defizit des Rufbusses beitrug. Damit ist jetzt Schluss. Die Gemeinden spielen nicht mehr mit. Sie starten einen letzten Rettungsversuch.
Prien – Die „Rosi“ wird vom eigenen Erfolg überrollt. Der Rufbus wird gern und viel benutzt, hat mehr als sechsmal so viele Fahrten hinter sich, als zum Start im Mai 2022 gedacht. Damit fährt Rosi ein massives Defizit ein. Das ist etwa doppelt so hoch, wie 2018 ursprünglich angenommen. Die finanziellen Lücken sollen die elf Gemeinden, in denen Rosi unterwegs ist, stopfen. Das wollen einige Kommunen (Breitbrunn, Höslwang, Rimsting) nicht mehr, eine – Eggstätt – kann es auch nicht. Und Samerberg hat sich noch nicht entschieden. Einfach sterben soll Rosi aber auch nicht.
Am 19. März fand im Landratsamt Rosenheim unter der Leitung von Landrat Otto Lederer ein entscheidendes Treffen statt. Vertreter der beteiligten Gemeinden und die DB Regio Bus, Betreiber der Rosi, diskutierten mögliche Änderungskonzepte. Das Ergebnis dieses Treffens war jetzt Thema im Priener Marktgemeinderat.
„Das vorgestellte Modell ist so, dass der Kern von Rosi erhalten werden kann“, so Bürgermeister Andreas Friedrich (ÜWG). Denn Rosi war 2018 als Zubringer zum öffentlichen Bus- und Bahnverkehr entworfen worden. Und zu diesen Wurzeln soll es ab 1. Mai zurückgehen.
So sieht das Konzept aus: Die Fahrzeuge werden in vier Sektoren aufgeteilt. Im Sektor Nord – in den Gemeinden Höslwang, Eggstätt, Bad Endorf, Breitbrunn, Gstadt und Rimsting – sind zwei Fahrzeuge im Einsatz, um der dort hohen Nachfrage gerecht zu werden. In den Sektoren Mitte (Prien), Südwest (Frasdorf und Samerberg) sowie Südost (Aschau und Bernau) ist jeweils ein Rosi-Bus unterwegs. Es gibt fünf Übergabepunkte, davon vier in Prien und einen auf der Gemeindegrenze Aschau/Frasdorf. Die Übergabepunkte müssen bei sektorenübergreifenden Fahrten genutzt werden. Das heißt, die Passagiere müssen in Prien umsteigen – und eine zweite Fahrt bezahlen – wenn sie von Aschau nach Bad Endorf oder von Bernau nach Samerberg wollen.
Das allerdings gilt freitags und samstags ab 22 Uhr nicht. Da wird die Sektorenbindung aufgehoben, um vor allem jungen Nachtschwärmern ein vernünftiges Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen. Und das bis morgens um 3 Uhr (samstags) oder gar 5 Uhr (sonntags). Die Nacht im Eiskeller durchtanzen und dann mit der Rosi heim nach Hemhof, das geht auch künftig ohne Umsteigen.
Rosi ist völlig überlastet
115.000 Fahrten der Jahre 2022 bis 2024 hat die DB Regio Bus mit Blick auf das neue Konzept ausgewertet. Dabei stellte sich heraus, dass 71 Prozent der Fahrten unverändert bleiben, 29 Prozent der Fahrgäste müssten künftig umsteigen. Oder sie nutzen ab den Übergabepunkten Linienbusse beziehungsweise den Zug. Die frei werdenden Kapazitäten wären vermutlich schnell wieder gefüllt, ist Friedrich überzeugt, denn bisher ist Rosi so überlastet, dass – je nach Wochentag und Uhrzeit – nur zehn bis 25 Prozent der Fahrtwünsche erfüllt werden konnten. „Wir zahlen den Großteil des Defizits und haben bisher die meisten unerfüllten Fahrtwünsche“, hielt Friedrich fest.
Fahrpreise verdoppeln sich
Rosi wird teurer. Die nach Kilometern gestaffelten Preise werden verdoppelt. Kostete die Fahrt innerhalb Priens bisher drei Euro, sind ab 1. Mai sechs Euro fällig. Von Frasdorf nach Prien zahlten Passagiere bisher 4,20 Euro, künftig sind es 8,40 Euro. Das Taxi kostet für die gleiche Strecke zwischen 25 und 30 Euro. Nimmt allerdings auch Fahrgäste mit, wenn noch Plätze frei sind beziehungsweise setzt sie dort ab, wo sie wollen. Was bei Rosi nicht immer der Fall zu sein scheint, wie die Gemeinderätinnen Rosi Hell (CSU) und Sonja Werner (Grüne) zu berichten wussten. Einmal wurden in Frasdorf trotz zweier freier Plätze zwei Personen nicht mitgenommen nach Prien, einmal durfte eine Frau auf der Fahrt von Prien nach Aschau nicht in Prutdorf aussteigen.
Von Bündelungen und Mindeststrecken
Eine Bündelung der Fahrgäste, wenn nötig auch mit einem kleinen Umweg, sei schon möglich, so Friedrich auf Nachfrage. Die sollte aber noch ausgebaut werden, waren sich Sonja Werner und Annette Resch (CSU) einig. Mit gebündelt könnten dann auch Kurzstreckenfahrer werden. Nachdem es Herrschaften gab, die sich für eine Strecke von 100 Metern Rosi orderten, wurden 800 Meter als Mindeststrecke festgelegt. „Für Senioren und Gehbehinderte ist das zu viel“, wandte Gaby Rau (Grüne) ein und erntete überfraktionell Kopfnicken. „Ein Mindestfahrpreis ist in Ordnung, aber eine Mindeststrecke von 800 Metern nicht.“
Austricksen wird schwierig
Mal eben vom Bahnhof Prien zum Bahnhof Bad Endorf mit der Rosi gondeln? Fällt künftig aus. Um Linienbusse und Züge stärker einzubinden und Parallelfahrten zu vermeiden, wird ein 200-Meter-Radius um Bahnhöfe und Haltestellen eingeführt, innerhalb dessen keine Rosi-Haltestellen mehr bedient werden. Ausnahme: Der Übergabepunkt am Priener Bahnhof. Wer glaubt, besonders pfiffig zu sein und eine Tour vom Bahnhof Prien zum Baumarkt in Bad Endorf buchen will – Pech: Rosi weiß, dass es von dort zum Bahnhof nur ein paar Meter sind. Außerdem soll Rosi nach Möglichkeit in die DB-Navigator-App integriert werden.
Die Einführung des Sektorenmodells führt zu einer Verdoppelung der bisherigen Einnahmen auf 336.000 Euro, meint die DB Regio Bus. Der prognostizierte Verlust von etwa 12.000 Fahrten kostet rund 122.000 Euro. Es seien durch neue, kürzere Fahrten und weniger Leerfahrten Mehreinnahmen von 68.000 Euro möglich, so die Berechnungen der DB Regio Bus. Insgesamt wird ein Fahrgelderlös von 404.000 Euro erwartet.
Die Bürgermeister der elf beteiligten Gemeinden und die Priener Verwaltung sehen in der Umsetzung des angepassten Konzepts ab 1. Mai 2025 die letzte Chance, Rosi in der Kernstruktur zu erhalten. Der Marktgemeinderat sprach sich für den Versuch aus. Das neue Betriebskonzept wird zunächst bis April 2026 getestet. Dann wird entschieden, ob es weiter geht.
