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Priener Experte über Ursachen und Hilfe

Unsicher – ohne Perspektive: Warum Jugendliche in eine düstere Zukunft blicken

Bild links: Ein Mädchen hält ein Smartphone hoch mit einem weinenden Emoji. Die Anzahl der Anmeldungen von Jugendlichen, die wegen psychischer Belastung stationär behandelt werden müssen, hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Bild rechts: Prof. Dr. Ulrich Voderholzer Ärztlicher Direktor sowie Chefarzt der Psychosomatik & Psychotherapie in der Schön Klinik Roseneck in Prien.
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Prof. Dr. Ulrich Voderholzer von der Schön Klinik Roseneck in Prien spricht im Interview über die Belastungen von Jugendlichen.

Die Zahl der Jugendlichen, die wegen psychischer Belastung stationär behandelt werden, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Was sind die Ursachen und wie kann ihnen geholfen werden? Das erklärt Professor Dr. Ulrich Voderholzer von der Schön Klinik Roseneck im Interview.

Prien – 2042 Personen zwischen 14 und 29 Jahren sind befragt worden. Das Ergebnis: Nicht erfreulich. Die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024: Verantwortung für die Zukunft? Ja, aber“ zeigt: Die Sorgen der Generation Z haben zugenommen, sie blicken düster in die Zukunft. In der Schön Klinik Roseneck in Prien werden auch Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Problemen betreut. Prof. Dr. Ulrich Voderholzer, Ärztlicher Direktor sowie Chefarzt der Psychosomatik & Psychotherapie in der Schön Klinik Roseneck in Prien, kennt die Probleme und deren Ursachen, und weiß, wie der jungen Generation geholfen werden kann.

Herr Voderholzer, Ihre Einrichtung kümmert sich um die psychischen Probleme von Jugendlichen. Haben diese zugenommen?

Prof. Dr. Ulrich Voderholzer: Die Anzahl der Anmeldungen von Jugendlichen, die wegen psychischer Belastung stationär behandelt werden müssen, hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Wir haben eine Abteilung in der Klinik für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren, hierfür haben wir sehr viele Anmeldungen.

Was sind denn die Probleme und Sorgen, die Jugendliche bedrücken?

Voderholzer: Was der jungen Generation besonders Sorgen macht, ist die Unsicherheit bezüglich der Zukunft, darunter die Kriegsgefahr, die Umweltzerstörung, oder auch die wirtschaftliche Unsicherheit. Das alles trägt dazu bei, dass Viele wenig Orientierung für die Zukunft haben. Wir haben sehr viele Jugendliche, die nicht wissen, was sie in ihrem Leben machen wollen, das heißt sie haben keinen Plan für die Zukunft. Dies sind scheinbar Selbstverständlichkeiten, die sicherlich in unserer älteren Generation klarer waren. Man hat einen Beruf, man baut sich was auf und man hat vielleicht die Möglichkeit, sich als Erwachsener ein Grundstück oder ein Haus zu erwerben. Das ist jetzt auch fast nicht mehr möglich.

Die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024: Verantwortung für die Zukunft? Ja, aber“ zeigt Einstellungen, aber auch Sorgen der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland.

Was sind die Ursachen für diese Unsicherheit oder auch Planlosigkeit?

Voderholzer: Am stärksten haben wir in der Corona-Pandemie gemerkt, dass junge Leute im Ausblick auf die Zukunft sehr belastet sind. Bezüglich des Umgangs mit einer Pandemie gab es ja auch keine Erfahrung der älteren Generation. Sicherlich spielt auch mit, dass stützende Faktoren, die widerstandsfähig machen, abgenommen haben, zum Beispiel die Sicherheit und Stabilität in einer Großfamilie. Ein Jugendlicher ist früher öfter in einem stabilen Umfeld aufgewachsen, das ihn beeinflusst und geprägt hat. Heute ist diese Sicherheit für weniger Jugendliche vorhanden, oft auch wegen Trennung, Zerrüttung oder beruflicher Mobilität. Auch darüber hinaus ist während der Pandemie in der Gesellschaft vieles weggebrochen, was früher sehr gestützt hat, zum Beispiel Vereine oder auch andere Gemeinschaften. Ebenso macht der Vergleich zur älteren Generation Probleme. Früher konnten viele Menschen so viel verdienen, dass sie irgendwann eine Wohnung oder ein Grundstück kaufen konnten. Das können sie heute nicht mehr. Die Preise sind verzehnfacht und man hat keine Perspektive. Zudem vermitteln wir der jüngeren Generation, es kommet vor allem auf die Work-Life-Balance an. Dies finde ich schlimm, denn das suggeriert unter anderem auch, dass Arbeit und Leben zwei verschiedene Dinge sind. Es wird hingegen zu wenig vermittelt, dass Arbeit ja auch einen Sinn und einen Wert hat. Vielen Jugendlichen fehlt ein Sinn im Leben dadurch. Gleichzeitig ist die junge Generation in einem sehr frühen Alter mit extrem Vielem konfrontiert. Hier spielen auch Handy und Internet eine nicht unwesentliche Rolle.

Also auch Social Media?

Voderholzer: Ja. Die Jugendlichen werden konfrontiert mit extrem vielen Einflüssen, zum Teil auch falschen Vorbildern, und auch falschen Werten. Zum Beispiel wird betont, dass man nur Erfolg hat, wenn man schön ist und den perfekten Körper hat oder mit anderen negativen Dingen. In meiner Jugend habe ich abends die Tagesschau geschaut, um mich zu informieren. Heute sind die Jugendlichen mehrere Stunden in den sozialen Medien unterwegs, und das kann krank machen. Ich möchte betonen, dass man deswegen nicht Handy und soziale Netzwerke verteufeln soll. Sie haben einen absolut positiven Wert. Man könnte sagen, die Dosis macht das Gift. Durch zu viel Handynutzung fehlt zum Beispiel auch die körperliche Bewegung. Zudem schadet es dem Schlafrhythmus, wenn die Jugendlichen bis in die Nacht hinein am Handy sitzen. Das führt zu weiteren Problemen.

Im Zusammenhang mit Social Media und den Problemen steht auch Cybermobbing. Wie stark sind Jugendliche davon betroffen?

Voderholzer: Die Rate an Mobbing und auch an Cybermobbing hat stark zugenommen. Jeder zweite Jugendliche, der bei uns stationär behandelt werden muss, hat Cybermobbing erlebt. Insbesondere bei den Zwölf- bis 14-Jährigen ist dies ein extrem großes Problem, das ebenso zu Problemen wie Schlafmangel oder Isolation und Depression führen kann.

Was raten Sie jungen Menschen, die genau von solchen Problemen wie Ängsten, Selbstzweifel, Mobbing oder Depressionen betroffen sind?

Voderholzer: Wenn jemand an krankhaften Ängsten leidet, würde ich am ehesten eine Psychotherapie empfehlen. Allerdings haben wir das große Problem, dass Psychotherapie oft nicht verfügbar ist. Hier fehlt es an Angeboten, dennoch gibt es auch Angebote, wie Internetseiten, auf denen man sich über Selbsthilfe und Behandlungsmöglichkeiten informieren kann, wie die deutsche Depressionsliga. Ansonsten rate ich jemanden, der unter Ängsten und Depressionen leidet: Zieh Dich nicht zurück, sondern schau, dass Du mit Freunden etwas unternimmst, dass Du positive und gesunde Aktivitäten machst, Dich zum gemeinsamen Sport, einer Fahrradtour oder etwas anderem in der freien Natur verabredest.

Um auf die Therapie einzugehen: Wie hilft da die Einrichtung Schön Klinik in Roseneck den Jugendlichen?

Voderholzer: Indem intensive psychotherapeutische Konzepte mit Einzeltherapie und Gruppentherapie durchgeführt werden. Da geht es einerseits um Krankheitsbewältigung. Nehmen wir mal das Thema Angststörungen. Ein Jugendlicher geht nicht mehr zur Schule, weil er Angst hat vor der Schule und vor anderen Schülern. Wir müssen mit ihm daran arbeiten, dass er diese Ängste bewältigt. Ebenso geht es darum, wieder Perspektiven zu vermitteln. Es wird zum Beispiel eine spezifische Gruppentherapie angeboten, um genau dieses Ziel zu erreichen. Die Jugendlichen setzten sich intensiv mit den Fragen auseinander. Was ist mein Plan fürs Leben, welche Schritte kann ich unternehmen, um mehr Klarheit für meine Zukunft zu bekommen? In der Therapie wird auch auf die Gefahren von Internet und Social Media eingegangen. In unserer Klinik wird in Gruppentherapien Medienkompetenz vermittelt.

Wie können Eltern merken, dass ihr Kind von Depressionen, Selbstzweifel oder Ängsten betroffen ist?

Voderholzer: Generell ist ein Zeichen von Depressionen immer Rückzug. Das Kind zieht sich zurück in seine eigene Welt, ist verschlossen, traurig oder macht Dinge nicht mehr gern, die es früher gemocht hat. Es geht nicht nach draußen, trifft sich nicht mit Freunden, bricht Kontakte ab. Wenn es eingeladen ist auf eine Party, geht es nicht dorthin. Wenn sich das Kind nicht mehr konzentrieren kann oder die Schulleistungen plötzlich abfallen, ist dies oftmals ebenso ein Zeichen für eine depressive Symptomatik.

Wie können Eltern ihren Kindern helfen?

Voderholzer: Es ist wichtig, dass Eltern selbst ein gutes Vorbild sind, dass sie selbst auch mit einem guten Beispiel vorangehen. Kinder übernehmen ja fast alles von den Eltern, Gutes wie Negatives. Auch mit einer liebevollen Zuwendung zu den Kindern ist sehr geholfen. Es ist das Stärkste, was ein Kind erleben kann, wenn es weiß, dass die Eltern zu ihm stehen. Wir alle haben doch mal Mist gebaut, Fehler gemacht. Die Eltern sollten ihren Kindern vermitteln, dass sie immer da sind für sie, auch wenn sie mal Fehler gemacht haben. Sie sollten ihre Kinder auch fragen, was sie sich wünschen, auf ihre Interessen eingehen und sich für sie Zeit nehmen, zum Beispiel mit Ausflügen. Wenn die Eltern getrennt sind, ist es wichtig, dass sie nicht „Krieg miteinander führen“, sondern dass sie den Kindern vermitteln, dass beide Elternteile für sie da sind, auch wenn sie getrennte Wege gehen.

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