Priener Klinik-Roseneck-Geschäftsführerin im Interview
Seit Corona akut: Ängste und Essstörungen - und bis zu zwei Jahre Wartezeit auf Therapieplatz
Der Bedarf an Therapieplätzen in psychosomatischen Einrichtungen ist stark angestiegen. Ängste, Depressionen und Zwangsstörungen nehmen zu - verschärft durch die Corona-Zeit. Therapieplätze sind begehrt, die Wartezeiten lang. Was die Schön Klinik Roseneck in Prien dagegen unternehmen will.
Prien - Depressionen, Ängste, Verhaltens- und Essstörungen. In den vergangenen Jahren mussten sich immer mehr Menschen in Behandlung begeben. Corona hat den Anstieg der Patientenzahlen sogar noch weiter gesteigert. Die Schön Klinik Roseneck in Prien hat sich auf die Behandlung genau solcher Krankheiten spezialisiert. Die Geschäftsführerin der Klinik, Dr. Sophie Giessner, spricht über die Gründe des Anstiegs und die Möglichkeiten der Behandlung und warum es teilweise zu Wartezeit von bis zu zwei Jahren kommt.
Frau Dr. Giessner, der Betrieb des MVZ der Schön Klinik Roseneck wird eingestellt. Was bedeutet das für die Patienten, die dort in Behandlung sind?
Sophie Giessner: Wir haben die Patienten zunächst persönlich und schriftlich darüber informiert, dass im MVZ die Therapien sukzessive bis zum 31. Juli heruntergefahren werden. Einige Patienten werden bis dahin ihre Therapie abgeschlossen haben. Für die anderen Patienten wird die Gesundheitsversorgung für eine ambulante, teilstationäre und stationäre psychotherapeutische Behandlung über die Tagesklinik Prien, die Schön Klinik Roseneck sowie über die niedergelassenen kinder- und jugendpsychiatrischen und psychotherapeutischen Praxen in der Region sichergestellt.
Was geschieht mit den dann freiwerdenden Räumlichkeiten?
Giessner: Da in der Seestraße 5a bereits neben dem MVZ, die Psychosomatische Tagesklinik Prien beheimatet ist, werden wir die freiwerdenden Räume sehr gut für Therapien der Tagesklinik sowie des stationären Bereichs nutzen können.
Die Schön Klinik Roseneck in Prien ist in den vergangenen Jahres stetig gewachsen.Ist der Bedarf an psychosomatischen Plätzen wirklich so groß?
Giessner: Allgemein erleben wir in den letzten Jahren einen hohen Bedarf an stationären Behandlungsplätzen, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern- und Jugendlichen. Für viele Patienten mit etwa Angst-, Zwangs- oder Essstörungen und auch für viele Menschen mit Depression sind zum einen ambulante Psychotherapieplätze nicht rasch genug verfügbar, zum anderen reicht für viele eine ambulante Psychotherapie nicht aus. Entsprechend gibt es einen steigenden Bedarf an stationären Behandlungsplätzen. Im Übrigen ist bereits seit Jahrzehnten ein Anstieg von Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen zu verzeichnen. Seit der Coronapandemie ist der Anstieg signifikant.
In den Jahren hat sich die Schön Klinik Roseneck auch eine gewisse Reputation erarbeitet. Welche Art von Krankheiten behandeln Sie hier?
Giessner: Wir erfreuen uns einer großen Nachfrage, was sicherlich auch an unserem sehr guten Renommee als einer der größten Fachkliniken für Psychosomatik liegt. Unsere langjährige Erfahrung ermöglicht es uns, spezialisierte Therapiekonzepte nicht nur für Essstörungen, sondern auch für andere psychische und psychosomatische Erkrankungen wie unter anderem Angst- und Zwangsstörungen, Schlafstörungen, Traumata oder Depression anzubieten. Auf unseren speziellen Kinder- und Jugendstationen berücksichtigen wir die besonderen Bedürfnisse jugendlicher Patienten. Unser erfahrenes Team erarbeitet gemeinsam individuelle Lösungen, die in idealer Weise den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Patienten gerecht werden.
Wie erklären Sie sich, dass in den vergangenen Jahren so viel mehr Patienten zu ihnen gekommen sind?
Giessner: Die Coronapandemie hat gerade bei Kindern und Jugendlichen eine starke Zunahme psychischer Erkrankungen zur Folge. Die Kontaktbeschränkungen, der Verlust der täglichen Routine durch den Schulbesuch und wichtige Freizeitaktivitäten sowie Isolation haben bei vielen jungen Menschen Spuren hinterlassen. Schon vor der Pandemie zeichnete sich für diese Altersgruppe eine Zunahme bestimmter psychischer Erkrankungen ab. Die Pandemie scheint diesen Trend wie ein „Brandbeschleuniger“ noch einmal verstärkt zu haben. Das zeigen auch die Zahlen des DAK Gesundheitsreports 2021 zu den Entwicklungen der psychischen Erkrankungen.
Was ist der typische Weg, bis ein Patient bei Ihnen in Behandlung kommt?
Giessner: In der Regel ist es so, dass der erste Weg zum Hausarzt oder Facharzt geht, der dann eine Überweisung für eine Psychotherapie ausstellt. Für viele Betroffene reicht eine ambulante Psychotherapie in einem wöchentlichen Rhythmus nicht aus. Dann haben sie die Möglichkeit, sich entweder in unserer Tagesklinik in Prien teilstationär zur Behandlung anzumelden oder stationär bei uns in der Schön Klinik Roseneck. Die Anmeldung selbst läuft dann über die Schön Klinik Beratung. Der Wartezeitraum für eine Behandlungsplatz bei uns ist abhängig vom Krankheitsbild und liegt in der Regel zwischen zwei Monaten und zwei Jahren.
Wie sieht so eine Behandlung aus?
Giessner: Unsere Patienten werden von einem Team aus verschiedenen Fachrichtungen, wie z. B. Psychologen, Ärzten, Bewegungs-, Kunst-, Sozialtherapeuten oder auch Ökotrophologinnen behandelt. Dies ermöglicht eine umfassendere Behandlung, die sowohl die körperlichen als auch die psychischen Aspekte der Erkrankung berücksichtigt. Unsere Stärke ist dabei sicherlich unser Therapiekonzept und unsere Spezialisierung. Zu Beginn der Behandlung erfolgt eine Untersuchung durch unser Ärzte- und Psychologenteam, um die Beschwerden und die bisherige Krankengeschichte zu erfassen. Es werden verschiedene Tests und Verfahren angewendet, um die Diagnosen zu sichern und um die individuelle Behandlungsstrategie festzulegen. Der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf der Einzeltherapie und vor allem auf den verschiedenen Gruppentherapien, Gestaltungs- oder Bewegungstherapie, Achtsamkeitsgruppen oder auch die Lehrküche bei Essstörungen.
Wie sehen die Herausforderungen in den kommenden Jahren für Sie aus?
Giessner: Zu den großen Herausforderungen gehört das Thema Personal. Die Schön Klinik Roseneck hat glücklicherweise aufgrund ihrer guten Reputation eine sehr gute Bewerberlage. Als eine der größten psychosomatischen Kliniken brauchen wir viele qualifizierte Bewerber für alle Bereiche wie Ärzte, Psychologen und Therapeuten. Wir planen in diesem Jahr für den Herbst ein Wachstum um weitere 40 Betten. Die Umbauprojekte laufen und werden bald abgeschlossen sein. Dabei orientieren wir uns auch an der Nachfrage und dem Bedarf. Im Jahr 2018 hatten wir eine Anzahl von 533 Betten, die bis heute auf 570 angestiegen ist. Ab Dezember 2023 werden wir unsere Bettenkapazität auf 628 erweitern und für 2025 sind 660 Betten in Planung. Dies sind mehr als 130 Betten innerhalb von acht Jahren, was einen großen Wachstum und einen größeren Personalbedarf für unsere Klinik bedeutet.