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Feldkirchen-Westerhamer (47) verlor Vater und zwei Brüder

„Blitz schlägt immer wieder ein“: Wie Schicksalsschläge einen Mann in die Depression trieben

Gute Laune bei Regina und Bernhard Redel. Doch im Innern des 47-Jährigen sieht es oftmals anders aus.
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Gute Laune bei Regina und Bernhard Redel. Doch im Innern des 47-Jährigen sieht es oftmals anders aus.

Schwere Schicksalsschläge im familiären Umfeld von Bernhard Redel brachten sein Leben immer wieder ins Wanken. Was dem Familienvater dennoch Kraft gibt und warum er heute offen über seine Krankheit spricht.

Feldkirchen-Westerham – „Wie kann es sein, dass der Blitz so oft an der selben Stelle einschlägt?“ Diese Frage hat sich Bernhard Redel aus Feldkirchen-Westerham immer und immer wieder gestellt. Seine Geschichte und die Schicksalsschläge, die ihn immer wieder heimsuchten, überschreiten die Grenzen des Vorstellbaren. Doch auch wenn diese Geschehnisse das Leben des 47-Jährigen prägen, auch wenn sein Leben mehrmals drohte, aus den Fugen zu geraten, so blickt Redel heute dennoch nach vorne und spricht offen über die Momente, in denen es ganz finster wurde.

Bernhard Redel ist vielen genau wie seine Frau Regina aus dem Westerhamer Trachtenhaus „Da Rädl – Hut und Tracht“ bekannt. Das Familienunternehmen betreibt mittlerweile drei Standorte. Wer dort einkauft und auf Redel trifft, erlebt den Mann als gut gelaunten, sympathischen Menschen, der sofort für eine angenehme Gesprächsatmosphäre sorgt. Doch, was viele nicht wissen: Im Inneren des gelernten Schreiners sieht es oft ganz anders aus. „Nach außen funktioniert man, steht für gute Laune und alles wirkt rosig. Innerlich geht es mir oft aber ganz und gar nicht gut und ich schaffe es am Morgen kaum, aus dem zu Bett kommen.“ Eine lähmende Antriebslosigkeit.

Schicksalsschläge nie aufgearbeitet

Vor etwa zehn Jahren wurde bei dem Westerhamer die Depression diagnostiziert. Redel selbst führt diese auf die vielen Schicksalsschäge in seinem Leben zurück, die zuvor nie wirklich aufgearbeitet wurden. Mittlerweile, nach vielen Therapien, Klinikaufenthalten und medikamentösen Behandlungen, geht Redel bewusst offen mit seiner Krankheit um. „Ich denke schon, dass der ein oder andere dann auch besser verstehen kann, warum ich mich mehr und mehr zurückgezogen habe.“

„Es war in der Familie oft ein Problem, dass ich nicht gesagt habe, wie es mir geht.“

Bernhard Redel über seine Depression

Ein Rückblick: Als Bernhard drei Jahre alt ist, stirbt sein ältester Bruder, nicht weit vom Elternhaus entfernt, bei einem Motorradunfall. „Als kleiner Bub habe ich das nicht richtig verstanden, aber ich habe natürlich gemerkt, dass etwas nicht stimmt“, erzählt Redel. Der tragische Fall ließ eine dunkle Wolke über der ganzen Familie, Bernhard ist eines von fünf Kindern, aufziehen.

Im Alter von 17 Jahren erlebt Bernhard Redel den nächsten Schlag: Einer seiner Brüder nimmt sich das Leben, „für die Familie war das alles einfach zu krass“. Redel spricht rückblickend von einem „absoluten Schock“. Es vergehen wieder einige Jahre, beruflicher Erfolg stellt sich ein und Redel lernt seine künftige Frau Regina kennen. Sie ist hochschwanger, als das nächste Drama seinen Lauf nimmt. Auch der Vater nimmt sich das Leben, Bernhard ist zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alt.

„Das zieht einem den Boden unter den Füßen weg“

„Das zieht einem den Boden unter den Füßen weg“, sagt der gelernte Schreiner und ergänzt: „Irgendwann denkst du dir: Wenn irgendwas passiert, trifft es eh wieder uns.“ Doch trotz der vielen Schreckenserlebnisse funktioniert der Westerhamer nach außen weiter, ist in Vereinen aktiv und engagiert sich bei den Trachtlern sogar lange als zweiter Vorstand. Seine Mutter hätte trotz der vielen Tiefschläge Halt im Glauben gefunden, erzählt Redel.

Es vergehen wieder einige Jahre, in denen vieles offenbar in geregelteren Bahnen zu laufen scheint. Redel hat Familie, baut ein Haus und eröffnet Anfang der 2000er mit seiner Frau das Trachtengeschäft, wofür er seinen Hauptjob später kündigt. Doch die Schicksalsschläge nehmen kein Ende. Sein Sohn, das älteste von drei Kindern, erkrankt als Jugendlicher an Krebs, ein Tumor drückt von hinten an sein Auge. „Die Behandlung verlief erfolgreich, aber das war natürlich auch eine sehr schwere Zeit“, blickt der gezeichnete Vater zurück.

Bernhard Redel spricht offen über familiäre Schicksalsschläge und seine Depression.

„All das hab ich natürlich schon lange mit mir mitgezogen und es hat mich viel Überwindung gekostet, einzusehen, dass ich Hilfe brauche“, sagt Redel. In seinem Elternhaus wurden die Schicksalsschläge nie wirklich thematisiert. Die Einsicht, sich Hilfe zu holen, rettete schließlich nicht nur Redel, sie half und hilft auch der ganzen Familie.

„Jeder Tag ist anders, das ist klar“, sagt Regina Redel. Als sie ihren Mann kennenlernte, sei schon klar gewesen, dass Bernhard irgendetwas in sich trägt. Jedoch sei ihm selbst nicht bewusst gewesen, wieso es ihm immer wieder psychisch so schlecht geht. „Irgendwann wird das Haferl immer voller“, sagt Regina Redel und spricht über die Vielzahl an Schicksalsschlägen, die Belastungen und womöglich auch eine Veranlagung zur Depression. „Man muss irgendwann aufhören, die Stimmungen zu hinterfragen und trägt das als Partnerin dann mit“, sagt die Ehefrau. „Ertragen“, ergänzt Bernhard Redel und spricht über die immense Belastung für die ganze Familie.

Tochter Magdalena: „War natürlich kein schönes Gefühl“

Doch anders als in vielen Fällen zerbrach die Beziehung der Redels nicht an der Krankheit. Bernhard weiß: „Die Familie ist das Wichtigste, was wir haben.“ Dennoch musste erst ein Umgang gefunden werden. „Es war in der Familie oft ein Problem, dass ich nicht gesagt habe, wie es mir geht“, sagt Redel. Denn trotzt eines „Basst scho“ hätten auch die drei Kinder (heute 19, 20 und 23 Jahre alt) gespürt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und da das Problem nicht offen kommuniziert wurde, entwickelten sich bei den Kindern Ängste um den Papa.

„Man hat die Probleme mitbekommen, das war natürlich kein schönes Gefühl“, erinnert sich Tochter Magdalena. Dennoch habe sich die 19-Jährige nie alleine gelassen gefühlt. In ihrem Freundeskreis habe sie die Krankheit ihres Vaters nie groß kommuniziert, die Depression ihres Vaters wurde jedoch nie bewusst verheimlicht. Und Mutter Regina ergänzt: Die Kinder haben in dem Alter zum Glück auch noch ganz andere Themen, was in dem Fall gut war. Die Therapien in den letzten zehn Jahren hätten, so Bernhard Redel, ganz viel verändert, ganz viel verbessert. „Wenn ich jetzt gefragt werde, wie es mir geht, sage ich halt einfach, wie es ist.“ So könne es die Familie nun auch richtig einordnen.

Welchen Umgang Bernhard Redel gefunden hat

Mittlerweile hat der Westerhamer ein sehr gutes Verhältnis zu allen Kindern. Er ist stabiler als früher, nimmt regelmäßig Medikamente. „Natürlich ist das Ziel, irgendwann von den Tabletten und Behandlungen wegzukommen“, sagt der 47-Jährige optimistisch. Er weiß aber auch: Die Medikamente helfen ihm, so wie das Insulin einem Zuckerkranken. Insgesamt haben die Redels ihr Leben so ausgerichtet, dass sie immer wieder ihre Freiräume nutzen. „Wir fahren etwa immer wieder mal ein paar Tage weg, weil der Tapetenwechsel einfach hilft“, so Redel. Man sei nun mal angeschlagen, der Tank werde schneller leer als bei anderen. Aus dem öffentlichen Leben, aus Vereinen, habe man sich deshalb ein Stück weit zurückgezogen. Musik mit seinen Freunden macht er nach wie vor gerne, findet Halt in seiner eigenen Schreinerwerkstatt. Einem Dorffest bleibt er dagegen mittlerweile meist lieber fern.

„Lasst euch helfen, und zwar schnell.“

Bernhard Redel aus Feldkirchen-Westerham

„Momentan geht es mir einigermaßen gut, auch wenn immer wieder schlechte Tage dabei sind.“ Die „Ausschläge“ seien jedoch mittlerweile weniger geworden und ein schlechter Tag sei nicht immer gleich eine „Vollkrise“. Redel gibt anderen Menschen, die auch von Depressionen betroffen sind, einen Rat: „Lasst euch helfen, und zwar schnell.“ Er selbst habe zu lange gewartet. Dadurch komme man immer schwerer aus der Krise heraus. Und wie blickt der begeisterte Trachtler heute in die Zukunft? „Ich weiß, dass auch jetzt immer noch etwas passieren kann, aber deshalb geht es morgen trotzdem weiter.“

Das Bayerische Fernsehen zeigt im Format „Lebenslinien“ am Montag, 24. April, ab 22 Uhr, eine Reportage über Bernhard Redel.

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