„Pisa-Offensive“ des Kultusministeriums
Weniger Kunst und Musik – Das sind die Befürchtungen der Rosenheimer Grundschullehrer
Deutschlands Schüler waren in der Pisa-Studie zuletzt so schlecht wie nie. Um mehr Zeit für Mathe und Deutsch zu gewinnen, werden an Bayerns Grundschulen jetzt Kunst, Musik sowie Werken und Gestalten zu einem Fach. Das sagen Rosenheimer Grundschulleiter dazu.
Rosenheim – Einen „Schlag ins Gesicht Deutschlands“: So nannte der Ministerpräsident Markus Söder die Ergebnisse der letzten Pisa-Studie. Deutschlands Schüler schnitten dort so schlecht ab, wie noch nie zuvor. Kultusministerin Anna Stolz beschloss daher die „Pisa-Offensive“. Das sind Ideen für weitreichende Änderungen im Unterrichtsalltag.
Eine der geplanten Änderungen ist, dass die Fächer Kunst und Musik sowie Werken und Gestalten ab dem Schuljahr 2024/2025 zu einem Fach zusammengefasst werden. Dadurch soll mehr Zeit für Mathematik- und Deutsch bleiben. Bei Religion und Sport ändert sich nichts. Dem Englischunterricht wird eine Stunde gestrichen. Zusätzlich sollen Kinder ab viereinhalb Jahren an verpflichtenden Sprachtests teilnehmen.
Der Wunsch nach mehr Dialog
Helga Wagner, Schulleiterin der Prinzregentenschule, ist selbst leidenschaftliche Musikerin und sieht die Idee skeptisch. „Wie soll man Fächer wie Musik so noch sinnvoll unterrichten können?“, fragt sie. Die kreativen Fächer seien wichtig für die Entwicklung der Kinder. Geht es nach Wagner, sollen nicht vorrangig die Schüler für das schlechte Abschneiden in der Pisa-Studie verantwortlich gemacht werden.
Besonders wenn beide Elternteile ganztägig arbeiten oder selbst eine geringe Bildung besitzen, muss ein Lehrer laut Wagner besser darauf vorbereitet sein, die Kinder zu fördern. „Man muss hinterfragen, wie wir den Unterricht gestalten, anstatt auf mehr Tests zu setzen“, sagt sie. Sie wünscht sich mehr Dialog zwischen den Grundschullehrern und der Regierung.
„Keiner redet davon, wie es den Kindern geht“
Auch Kai Hunklinger, Schulleiter der Grund- und Mittelschule Fürstätt, sieht den Grund für schlechte Schulleistung im Umfeld der Kinder. „Keiner redet davon, wie es den Kindern geht“, sagt er. Laut ihm falle es vielen Kindern im Vergleich zu früher schwerer, sich zu konzentrieren und auch die Lust am Lernen ginge verloren. Dass heutzutage in vielen Familien beide Elternteile arbeiten müssen, komme erschwerend hinzu. „Das ist der gesellschaftliche Wandel, der den Kindern zu schaffen macht“, sagt Hunklinger. Allerdings sieht er die Lösung nicht in einer verbesserten Lehrerausbildung. Die Probleme vieler Kinder seien zu privat, um allein von den Lehrern gelöst zu werden.
Er hält Förderunterricht für eine bessere Methode, um die Kinder zumindest schulisch zu unterstützen. „Fragt sich nur, wo das Personal dafür herkommen soll – ich kann mir keine Lehrer und Erzieher stricken“, sagt er.
„Kinder bestehen nicht nur aus Deutsch und Mathe“
Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayrischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) sieht das Problem ebenfalls beim Lehrermangel. Die Attraktivität des Lehrerberufes müsse gesteigert werden. Sie hofft, dass Kultusministerin Stolz das „Piazolo-Paket“ abschafft. Dieses trat 2020 unter Kultusminister Michael Piazolo in Kraft. Unter anderem wurde darin das Sabbatjahr für Lehrer abgeschafft, die Arbeitswochenstundenzahl erhöht und die Möglichkeit, in Teilzeit arbeiten zu können, beschränkt.
Eins sei Fleischmann wichtig: „Es darf kein Fach hinten runterfallen“, sagt sie. Denn auch die kreativen Fächer seien für die Schüler wichtig. „Kinder bestehen nicht nur aus Deutsch und Mathe – sie müssen sich kreativ austoben können, ansonsten verlieren sie die Lust an der Schule.“
Unterstützung für die Eltern
Martin Löwe, Vorsitzender des bayrischen Elternverbandes (BEV) aus Rosenheim, sieht die „Pisa-Offensive“ deutlich positiver. Der BEV stehe von Anfang an mit dem Kultusministerium im Dialog. Dabei stehe nicht die Verbesserung des Pisa-Schnitts im Vordergrund, sondern die bessere Bildung im Allgemeinen. „Wir verstehen Frau Stolz‘ Ankündigung als ersten Schritt, auf den noch weitere Ideen folgen werden.“ Löwe sieht einen Vorteil in der flexibleren Aufteilung des Stundenplans, die den den Unterricht effizienter machen sollen.
Schwierigkeiten sehe er insbesondere darin, einen Kompromiss zwischen den vielen Interessen zu finden. „Ich verstehe, dass die Lehrer Angst vor einer möglichen Mehrbelastung durch mehr verpflichtende Fortbildungen haben“, sagt er. Diese Fortbildungen würden langfristig aber zu einem effektiveren Unterrichtsablauf und daher weniger Arbeitsaufwand führen. Dazu müsse man vielen Eltern klarmachen, dass der Schulerfolg ihres Kindes nicht nur vom Lehrer abhängt, sondern auch von der Unterstützung zu Hause.