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„Abzocke“ oder Recht des Eigentümers?

800 Euro für 20 Minuten Falschparken? Stellplatz-Zoff lässt Kolbermoorer Nachbar-Streit eskalieren

Darf ich hier parken oder nicht? Ein Falschparker-Streit aus Kolbermoor landete vor Gericht (Symbolbild).
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Darf ich hier parken oder nicht? Ein Falschparker-Streit aus Kolbermoor landete vor Gericht (Symbolbild).

Eigentlich wollte sie nur kurz ihre Eltern besuchen. Als die 55-jährige Kolbermoorerin ein paar Tage später einen Anwaltsbrief öffnet, fällt sie aus allen Wolken. Ein schier unglaublicher Parkplatz-Zwist – und was genau dahintersteckt.

Kolbermoor – Was hat sich wirklich an dem verschneiten Dezember-Abend vor knapp einem Jahr in Kolbermoor abgespielt? Als Monika Weiker (Name von der Redaktion geändert) damals ihren Eltern schnell den Einkauf vorbeifahren will, stellt sie ihr Auto vor einem benachbarten Wohnhaus ab und bringt die Taschen nach oben. Ihr 84-jähriger Vater befindet sich auf Reha, ihre Mutter braucht Hilfe. Nach 20 bis 30 Minuten, so erinnert sich die 55-Jährige, kehrt sie zu ihrem Wagen zurück. Dann folgt ein kurzes Gespräch mit einem Mann, der von einem Fenster aus herunterruft, sie dürfe dort nicht parken. „Ich habe mich entschuldigt, bin weggefahren und die Sache war für mich erledigt.“

Doch sie täuscht sich. An diesem Abend ahnt sie noch nicht, welch erbitterter und langer Rechtsstreit in den kommenden Monaten auf sie wartet. Der Grund: Weiker hatte auf einem privaten Stellplatz geparkt. Ohne davon zu wissen, wie sie im Nachgang beteuert.

„In was für einem Land leben wir?“

Zehn Tage später öffnet die Kolbermoorerin ihre Post und fällt aus allen Wolken. „Anzeige wegen Unterlassung“. In einem Anwaltsbrief wird sie aufgefordert, knapp 220 Euro zu bezahlen und die Unterlassungsaufforderung zu unterschreiben. „Da hat mich fast der Schlag getroffen“, sagt Weiker. Was ihr in dem Moment Angst macht: Sollte sie der Aufforderung nicht nachkommen und auch keine Stellung beziehen, würden ihr bei einer möglichen Wiederholung des Parkvorgangs bis zu sechs Monate Haft und eine Geldstrafe von bis zu 250.000 Euro drohen, habe sie durch das Schreiben erfahren.

„Ich hatte irgendwann keinen Nerv mehr und wollte einfach meine Ruhe.“

Kolbermoorer Falschparkerin über den Rechtsstreit

Weiker kann ihren Augen kaum trauen, fühlt sich eingeschüchtert. Zuvor sei der Parkplatz frei nutzbar gewesen. Eine Beschilderung, wonach dieser in privatem Besitz stehe, sei ihr zunächst nicht aufgefallen. Dunkelheit. Schneetreiben. Bewuchs. Weiker fängt an zu recherchieren und erfährt, dass der Parkplatz erst einen Tag zuvor vermietet wurde. „Der Besitzer hat den Parkplatz seit zwei Tagen und schaltet gleich einen Anwalt ein – in was für einem Land leben wir?“

„Abzocke“: Falschparkerin blecht fast 800 Euro

Doch aus dem Rechtsstreit kommt sie nicht mehr raus. Sie lässt sich beraten und entscheidet letztlich, nicht zu zahlen. Als sie beim Amtsgericht Rosenheim Einspruch einlegt, kommt es zur Klage durch den Anwalt des Parkplatzeigentümers. Inzwischen sind gewisse Zahlungsfristen verstrichen. Es vergehen Monate mit Briefwechseln zwischen ihr, dem Anwalt und dem Amtsgericht. Einen Rechtsbeistand sucht sich Weiker selbst, auch aus Kostengründen, nicht. Der Tipp ihrer Versicherung, dem Anwalt schriftlich mitzuteilen, dass auf dem Parkplatz kein Hinweis auf mögliche Folgen zu sehen war, bleibt erfolglos.

Aus den 220 Euro werden immer mehr. Als es zur Gerichtsverhandlung kommt, stehen am Ende fast 800 Euro, die Weiker in Summe aufbringen muss. Denn zu den Kosten der anfänglichen Unterlassungsklage kommen 5,10 Euro für die Halterauskunft, 234 Euro Gerichtskosten und weitere 303,39 Euro für den gegnerischen Anwalt.

„Ich hatte irgendwann keinen Nerv mehr und wollte einfach meine Ruhe“, sagt die Kolbermoorerin. Sie gibt zu: Der Parkplatz war mit einem Namensschild versehen, wenn auch schwer erkennbar. Hinzu kam, dass der Parkplatz bis zwei Tage davor noch frei nutzbar war. Nun will sie das Thema abschließen. „Ich habe daraus gelernt und werde mich nirgends mehr unüberlegt mit dem Auto hinstellen“, sagt die 55-Jährige. Sie rät anderen, sich in Zukunft immer genau zu vergewissern, wo man parken darf. Entsetzt über die „Abzocke“ ist sie trotzdem.

Was sagt der Parkplatzeigentümer?

Doch für den Eigentümer des Kolbermoorer Parkplatzes kann hier von „Abzocke“ keine Rede sein. Gegenüber dem OVB bestätigt Marinus Muth (Name ebenfalls geändert), dass er den Stellplatz erst einen Tag vor besagtem Vorfall angemietet habe. Allerdings sei sein Namensschild bereits zwei Wochen davor gut erkennbar angebracht worden, sodass niemand plötzlich überrascht werden konnte. Überhaupt zeigt er sich erstaunt über die „vielen Unwahrheiten“, mit denen er nun konfrontiert werde. So sei etwa das Gespräch am Fenster ganz anders verlaufen.

„Die Frau hat total pampig geantwortet“, stellt Muth klar. Ein Satz wie „Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Scheiß“ sei ihrerseits gefallen. Zudem habe sie nicht 30 Minuten, sondern über zwei Stunden auf seinem Stellplatz gestanden. „Ich bin doch kein Unmensch, wegen einer halben Stunde sage ich ja nichts“, so Muth. Doch nach und nach habe er den Eindruck gewonnen, dass er sich nicht anders wehren könne.

Er wendet sich an einen Rechtsanwalt, der über eine Halterabfrage an die Daten der Frau gelangte. Was Muth nicht versteht: „Die Frau hat nie etwas gesagt, sich nie entschuldigt, wir hätten ja darüber sprechen können.“ Und eines ist ihm besonders wichtig: Finanziell hat er von der Klage überhaupt nichts, „ich habe keinen Cent bekommen, verdiene daran natürlich nichts“.

Amtsgericht spricht von „Besitzstörung“

Das bestätigt auch Julia Haager, Richterin am Amtsgericht Rosenheim, auf OVB-Anfrage. Ihren Angaben zufolge musste die Falschparkerin die besagten Gerichts- und Anwaltskosten tragen. Muth selbst bekomme nichts, lediglich die Sicherheit durch die Unterlassung. „Die Beklagte wurde verurteilt, es zu unterlassen, den Parkplatz des Klägers zu nutzen“, erklärt Haager die Sachlage. Sie betont, dass der Fall nicht strafrechtlicher, sondern zivilrechtlicher Natur sei.

Das Abstellen des Fahrzeugs auf dem Privatparkplatz stelle eine „Besitzstörung“ dar, wodurch der Kläger den Anspruch auf Unterlassung gelten machen könne. Marinus Muth habe deshalb auch rechtens gehandelt. „In Deutschland ist es tatsächlich so, dass man in einem solchen Fall sofort einen Anwalt einschalten kann“, erklärt die Richterin. Dies hänge mit der hohen Bedeutung des Eigentumsrechtes zusammen.

Der Kolbermoorer Parkplatz-Streit landete letztlich vor dem Rosenheimer Amtsgericht.

Im Übrigen beschäftige sich das Amtsgericht mit vielen solcher Fälle, der Parkplatz sei der Deutschen liebstes Kind. Und: „Die Beklagten bekommen so gut wie nie recht, da es nie vom tatsächlichen Verschulden abhängt.“ Die 55-jährige Kolbermoorerin hätte also genauso verurteilt werden können, auch wenn sie tatsächlich nicht gemerkt hätte, dass sie dort falsch parkt.

Was den Eigentümer zur „Weißglut“ brachte

Trotz rechtlicher Klarheit bleibt die Frage, ob man sofort den Klageweg bestreiten muss. Marinus Muth hat dafür jedoch eine einfache Erklärung. Zum einen habe die Frau unmöglich reagiert. Zum anderen „haben mich schon viele Autofahrer zur Weißglut getrieben“. Muth miete noch einen weiteren Parkplatz, mit dem ihn eine lange Leidensgeschichte verbinde. Stundenlang seien dort immer wieder Fahrzeuge abgestellt worden. Die Menschen freundlich auf die Sachlage hinzuweisen, sei immer wieder ins Leere gelaufen.

Muth erinnert sich an einen Fall, bei dem ein Auto mit Münchner Kennzeichen einen ganzen Tag auf seinem Stellplatz stand. Nachdem er einen Zettel mit der Bitte um Kontaktaufnahme am Scheibenwischer befestigt hatte, wurde ihm am Folgetag sogar selbst mit einer Klage gedroht, weil er den Wagen angefasst hatte. „Irgendwann frage ich mich dann, was man noch tun soll“, sagt Muth. Auch die Polizei habe er erfolglos kontaktiert.

Polizei sind Hände gebunden

„Genau deshalb heißt es auch Privatparkplatz“, erklärt ein Sprecher der Polizeiinspektion Bad Aibling. Weder Polizei noch der kommunale Zweckverband könnten sich darum kümmern. „Wir sind für den öffentlichen Verkehrsraum zuständig.“ Seinen eigenen Parkplatz zu sichern, sei deshalb die Aufgabe eines jeden einzelnen. Das fremde Fahrzeug etwa durch ein Abschleppunternehmen versetzen zu lassen, müsse der Stellplatzbesitzer zunächst selbst bezahlen. Danach könne er versuchen, das Geld einzuklagen.

„Natürlich versuchen wir auch zu helfen, beispielsweise können wir probieren, den Halter des Fahrzeugs herauszufinden und diesen zu kontaktieren“, sagt der Polizeisprecher. Letztlich seien aber der Polizei hierbei die Hände gebunden.

Ist Falschparken nachweisbar?

Rechtsanwalt Jan Bröcker aus Niedersachsen ist auf solche Fälle spezialisiert und vertritt Betroffene in ganz Deutschland. Rechtsstreitigkeiten wegen Falschparkens nehmen ihm zufolge immer mehr zu. „Die meisten bezahlen aber gleich“, sagt Bröcker gegenüber dem OVB. Nur bei rund zehn Prozent der anwaltlich kontaktierten Falschparker komme es tatsächlich zur Klage.

Auf der eigenen Homepage verweist der Rechtsanwalt auf seinen Online-Service unter www.parkplatzdieb.de. Dort ist aufgelistet, wie sich betroffene Parkplatz-Eigentümer oder -Mieter verhalten könnten. Ist der private Stellplatz gut sichtbar gekennzeichnet, so sei die Beweissicherung von großer Bedeutung. Rein rechtlich müsste noch nicht einmal ein Schild angebracht sein, wodurch jedoch Diskussionen entstehen könnten. Eigentümer können das unberechtigt parkende Fahrzeug samt Kennzeichen fotodokumentieren und sich damit an den Anwalt wenden. Er verschickt dann die Unterlassungserklärung.

Denn laut Bröcker gebe es für Falschparker eigentlich nur ein wirkliches Argument: „Wenn sie beweisen können, dass ihnen der Parkplatzeigentümer ausdrücklich erlaubt hat, dass sie dort stehen dürfen.“

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