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Erste Ergebnisse des Quartierskonzepts präsentiert

Öl, Fernwärme, energetische Sanierung? Wie Kolbermoor die Klimawende im Norden angeht

Fotos von der Jahreshauptversammlung des Siedlungsvereins Kolbermoor, von Gesprächen und Porträtfotos von Bürgermeister Peter Kloo und Klimaschutzmanager Thomas Ertl.
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„Die Energiewende ist hochkomplex. Deshalb wäre es der größte Fehler, irgendetwas zu machen, ohne vorher genau darüber nachzudenken“, betonte Bürgermeister Peter Kloo (rechts) vor etwa 200 Mitgliedern des Siedlungsvereins Kolbermoor. Das Interesse an den ersten Ergebnissen des energetischen Quartierskonzeptes, die Klimaschutzmanager Thomas Ertl (rechts unten) präsentierte, war groß. In angeregten Gesprächen mit Benjamin Nabel vom Tiefbauamt (unteres Fotos, rechts vorn) ging es auch um die Folgen des Klimawandels und die Auswirkungen von Starkregen in den Siedlungsgebieten.

Bei der Klimawende vor Ort geht Kolbermoor nach der Devise: Den Status Quo ermitteln, dann nachdenken, Maßnahmen ableiten, Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit prüfen und erst dann entscheiden. Deshalb wird für das Siedlungsgebiet im Norden ein Quartierskonzept erstellt. Jetzt wurden erste Ergebnisse präsentiert.

Kolbermoor – „Die Energiewende ist hochkomplex. Deshalb wäre es der größte Fehler, irgendetwas zu machen, ohne vorher genau darüber nachzudenken“, betonte Bürgermeister Peter Kloo vor etwa 200 Mitgliedern des Siedlungsvereins Kolbermoor. Sie leben im Kolbermoorer Norden, für den die Stadt gerade ein energetisches Quartierskonzept erarbeitet. „Wir können ganz entspannt bleiben, auch wenn das Konzept nicht von heute auf morgen fertig ist“, so der Bürgermeister. Denn so bleibt Zeit, abzuwarten, wann für Altbausanierung oder den klimafreundlichen Neubau von Wohngebäuden wieder KfW-Fördermittel verfügbar sind. Zeit auch, in der die Regierung möglicherweise neue Richtlinien verabschieden kann, welche Energiequellen sie denn wirklich und planbar als „erneuerbare Energien“ anerkennt.

Stadt will bis 2035 klimaneutral sein

Die Stadt Kolbermoor will bis ins Jahr 2035 ihren gesamten Strom aus regionalen erneuerbaren Energien gewinnen und die CO2-Emmissionen um 45 Prozent reduzieren. Diese Ziele wurden in „Bürgerwerkstätten“ erarbeitet und 2015 im integrierten Klimaschutzkonzept definiert.

Mit dem energetischen Quartierskonzept für die Siedlungen im Norden soll den Bürgern gezeigt werden, wie sie von Öl- oder Gasheizungen auf erneuerbare Energien umsteigen und ihre Häuser energetisch sanieren könnten und was das Ganze kosten würde. „Die Studie erforscht, wie viel Energie im Norden gebraucht wird und welche Potenziale es für die Nutzung erneuerbarer Energien gibt“, erläuterte Klimaschutzmanager Thomas Ertl. „Je mehr Daten wir dafür sammeln, desto genauer können wir die Potenziale für eine Energiewende im Norden berechnen.“ Besonders wichtig war ihm dabei auch eine Botschaft an die Siedler: „Das Quartierskonzept ist für sie kostenlos. Wir wollen es nicht über ihren Kopf hinweg, sondern mit ihnen zusammen erarbeiten. Alles ist freiwillig. Es ergibt sich daraus keine Sanierungspflicht.“

Für das rot markierte Gebiet im Kolbermoorer Norden wird ein energetisches Quartierskonzept erarbeitet. Damit beauftragt wurde das Institut für nachhaltige Energieversorgung (INEV) aus Rosenheim. Kolbermoors Klimaschutzmanager Thomas Ertl (rechts) begleitet das Projekt. Jetzt präsentierte er die Ergebnisse aus der Befragung der Siedler. An etwa 700 Hausbesitzer wurden Fragebögen verschickt, von denen bislang 315 ausgewertet wurden.

Beauftragt mit dem Quartierskonzept wurde das Institut für nachhaltige Energieversorgung. Im ersten Schritt – der Analyse – sollten die Hausbesitzer in Fragebögen den Status Quo dokumentieren. 315 Hausbesitzer hatten sich an der Umfrage beteiligt. Jetzt wurden die ersten Ergebnisse vorgestellt. In der alten und neuen Siedlung gibt es etwa 700 Ein- und Mehrfamilienhäuser. Der Großteil der Gebäude wurde in den zwei Bauphasen zwischen 1933 und 1948 sowie von 1949 und 1978 errichtet.

Sieben Prozent planen energetische Sanierung

Sieben Prozent der Besitzer planen in den kommenden Jahren eine energetische Sanierung. Vor allem ihnen kann das Quartierskonzept aufzeigen, welche Investitionen langfristig Sinn machen. Dabei geht es um die energetische Sanierung der Gebäude, um Heizungen auf Basis erneuerbarer Energien und um mögliche Wärmenetze. Ziel ist es, den Energieverbrauch in der Siedlung zu senken.

61 Prozent heizen mit Öl

Der Wärmebedarf wird in den Siedlungen aktuell zu 61 Prozent mit Ölheizungen und zu acht Prozent mit Gas gedeckt. An einigen Standorten wird bereits mit Erd- oder Luftwärmepumpen, mit Solarthermiekollektoren oder Pellets geheizt. So gaben 18 Prozent der Befragten an, bereits eine Wärmepumpe installiert zu haben. Neun Prozent nutzen Pellets oder Hackschnitzel. Vier Prozent machten keine Angaben. Solarthermie wird bereits von etwa zwölf Prozent der Siedler genutzt.

Die nächste Phase im Quartierskonzept sei es, Potenziale für eine Energiewende zu ermitteln und daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten, informierte Ertl. Ein Wärmenetz wäre ein Beispiel dafür: Wie die Umfrage ergab, lehnen 20 Prozent der Siedler einen Anschluss ab. 30 Prozent wiederum wären bereit, sich an ein Wärmenetz anzuschließen. Der Großteil gab an, für eine Entscheidung mehr Informationen zu benötigen. Diese werden im Laufe der Untersuchungen erarbeitet.

Nah- oder Fernwärme – was ist wirtschaftlich und machbar?

Die Frage, wie wirtschaftlich es ist, den Norden an die Fernwärme anzuschließen, ist nicht neu. Zwar wird das Fernwärmenetz der INNergie in Kolbermoor kontinuierlich ausgebaut und hat aktuell auch noch freie Kapazitäten. Doch gerade bei einem Anschluss des Kolbermoorer Nordens wäre es fraglich, wie wirtschaftlich der Aufbau eines Leitungsnetzes wäre und welchen Wärmepreis er nach sich ziehen würde. Die INNergie plant nach eigenen Aussagen aktuell keine Lösung für das Quartier im Norden. Und auch Klimaschutzmanager Thomas Ertl geht auf OVB-Nachfrage davon aus, dass im Norden eher über Quartierlösungen wie ein Nahwärmenetz nachgedacht werden müsse.

Individuelle Projekte werden beleuchtet

Im Quartierskonzept geht es um konkrete Vorschläge für individuelle Projekte. Welche Einsparungen kann der einzelne Hausbesitzer durch Sanierungsmaßnahmen erreichen? Wo machen Wärmepumpen, Biomasse oder Solarthermie Sinn? Auch Mobilität und grüne Infrastruktur spielen eine Rolle: Könnten weitere ÖPNV-Haltestellen, Radwege oder E-Mobilität und Ladeinfrastruktur die Mobilität im Quartier umweltfreundlicher gestalten? Und ist das vorhandene Leitungsnetz überhaupt in der Lage, zusätzliche Energie aufzunehmen? „Ermittelt wird, welche Maßnahmen wirtschaftlich sinnvoll und auch umsetzbar sind“, erläutert Ertl. Auch aktuelle Gesetzeslagen fließen ins Konzept ein: „Beispielsweise darf Holz momentan wieder als erneuerbarer Energieträger eingestuft werden“, so Ertl.

Strukturwandel ist große Herausforderung

Der Strukturwandel in der Siedlung ist eine große Herausforderung. „Mein Großvater sagte einst, das Haus überlebe ihn leicht. Heute überleben wir unsere Häuser“, versinnbildlichte Bürgermeister Peter Kloo, selbst auch Siedler, den Wandel der Zeit. Heute gehe es darum, den Mehrfamilienhausbau voranzutreiben und die Weichen für Barrierefreiheit und Generationenwechsel zu stellen.

Folgen des Klimawandels sind spürbar

Doch der Norden Kolbermoors hat auch mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Bei Starkregenereignissen wie im Juni und August vergangenen Jahren steht in manchen Altbauten das Wasser in den Kellern. Aufgrund der besonderen Böden aus Torf und Seeton im Norden müssen die Siedler den Niederschlag von Dachflächen, Wegen, Terrassen und Stellflächen über private Leitungen vom Grundstück in den öffentlichen Regen- oder Mischwasserkanal leiten. Bei Starkregen kann es zu Rückstau in den Kanälen kommen. Ist die Rückstausicherung im Haus nicht richtig installiert, kann das Wasser in die Häuser drücken.

Siedler entwässern seit Jahrzehnten über Drainagesysteme

Ein weitere Besonderheit, die den „eingeborenen“ Siedlern noch gut bekannt ist: Auch in den Gärten staut sich das Regenwasser, weil es aufgrund der Böden nicht versickern kann. „Dann ist die Hauswand von einer feuchten Erdschicht umgeben“, erläutert der Bürgermeister. Für Neubauten mit „weißen Wannen“ aus wasserundurchlässigem Stahlbeton sei das kein Problem. Doch in den Altbauten müssten Keller und Außenwände abgedichtet, manche Häuser sogar nachträglich noch mit einer Bodenplatte versehen werden.

Hinzu kommt, dass in den Anfängen der Siedlung für die Entwässerung auf den Grundstücken Drainagerohre verlegt wurden, die das Oberflächenwasser in die Vorfluter leiten. Neuen Bauherren, die in der Siedlung Grundstücke erwerben, ist das oft nicht bekannt. Und so mussten die „Alteingeborenen“ auch die Erfahrung sammeln, dass Drainagen zerstört wurden, das System unterbrochen wurde und es auf den Nachbargrundstücken zu Überflutungen kam.

Der Strukturwandel im historisch gewachsenen Siedlungsgebiet im Norden Kolbermoors ist ein Mammutprojekt. Deshalb lässt die Stadt Kolbermoor die Menschen nicht allein, sondern nimmt circa 50.000 Euro in die Hand, um sie auf dem Weg zu einem klimaneutralen und -resistenten Quartier zu begleiten.

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