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Zu Gast im kbo-Inn-Salzach-Klinikum

NS-Verbrechen in Gabersee lässt Holocaust-Überlebender Charlotte Knobloch „Blut in Adern gefrieren“

Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, bei ihrer Ansprache.
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Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, bei ihrer Ansprache.

Mit bewegenden Worten hat die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch beim Gedenkakt im kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg an die Schrecken der Vergangenheit erinnert. Sie richtete einen eindringlichen Appell an die Bürger und fand klare Worte für Elon Musk.

Wasserburg – Hoher Besuch in Wasserburg: Gespannt warteten rund 100 Personen bei strömendem Schneeregen am Mahnmal auf dem Klinikgelände in Gabersee auf Dr. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und Holocaust-Überlebende. Am 27. Januar jährte sich die Befreiung des KZ Auschwitz zum 80. Mal. Anlässlich dieses Gedenktags war Knobloch am 28. Januar auf Einladung des Ärztlichen Direktors des kbo-Inn-Salzach-Klinikums, Professor Dr. Peter Zwanzger, in der Innstadt zu Gast.

Charlotte Knobloch zu Gast in Wasserburg

Über 500 Patienten aus der „Heil- und Pflegeanstalt Gabersee“ wurden Opfer des Nationalsozialismus, haben Recherchen des Bezirks Oberbayern ergeben. Sie wurden verschleppt, deportiert, getötet. Dieses Schicksal ereilte auch Hunderte Bewohner der heutigen Stiftung Attl. Namentlich, soweit bekannt, gedenkt die Stadt dieser Opfer seit 2020 im zentralen Mahnmal am Heisererplatz. Auch das psychiatrische Fachkrankenhaus in Gabersee und die Stiftung Attl haben auf ihren Geländen Orte der Erinnerung und des Mahnens geschaffen.

Die Erinnerungskultur, die das Klinikum pflegt, lobte Knobloch bei ihrer Ansprache ausdrücklich. Diese sei „vorbildlich“. Sie dankte dafür „von ganzem Herzen“. Die Holocaust-Überlebende sprach von „gnadenloser, fürchterlicher und systematischer Vernichtung“ von Juden, Homosexuellen, Sinti und Roma, politisch Andersdenkenden und psychisch Erkrankten durch die Nationalsozialisten. „Es lässt einem das Blut in den Adern gefrieren“, betonte Knobloch. In Attl und Gabersee haben die Betroffenen „statt Heil und Pflege einen gewaltsamen Tod in den Gaskammern von Hartheim“ gefunden. „Mit jedem Einzelnen wurde ein Leben ausgelöscht. Ein Mensch, der Träume und Wünsche hatte, der von jemandem geliebt wurde. Das Recht auf Leben“, so die Präsidentin. „Das dürfen wir niemals vergessen, jeder einzelne von uns. Wir alle gehören zu dieser Gesellschaft.“

Den Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung bildetet sie: Charlotte Knobloch.

„Nur noch weg aus Deutschland“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollte Knobloch „nur noch weg aus Deutschland“. Doch ihr Vater habe sich bewusst dazu entschieden, zu bleiben. Viele Jahrzehnte habe es gedauert, bis die Holocaust-Überlebende wieder Vertrauen in Deutschland fassen konnte. Auf die Entwicklung, die das Land bisher gemacht habe, dürften die Menschen stolz sein, „aber es bringt auch Verantwortung“, verdeutlichte die 92-Jährige.

So würden am 23. Februar die Bundestagswahlen anstehen, die Knobloch als „historisch“ bezeichnete. „Die Bürger entscheiden an der Wahlurne, wie frei sie leben wollen. Auch wenn ein berühmter Amerikaner meint, wir würden uns zu viel mit unserer Geschichte beschäftigen“, sagte sie und spielte damit auf den Unternehmer Elon Musk an, der jüngst bei einer AfD-Veranstaltung mitteilte, die Deutschen würden sich zu viel mit ihrer historischen Schuld befassen. „Eine dementsprechende Antwort habe ich ihm zukommen lassen“, so die Präsidentin bei ihrer Rede. Wie diese aussehen könnte, teilt Knobloch auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen mit: „Jüngere Menschen, für die der Holocaust Geschichte ist, sollten, zumal wenn das Wissen fehlt, keine Statements zu diesem Thema abgeben.“ „Hass darf nie über Menschlichkeit siegen“, betonte die Präsidentin während ihrer Ansprache. Mehr denn je komme es heutzutage darauf an.

Eng beisammen mussten die Gäste und Zuschauer der Gedenkveranstaltung unter dem Zelt zusammenkommen, um nicht nass zu werden. Vorne in der Mitte sitzt Charlotte Knobloch.

„Kampf um Demokratie“

Darauf pochte auch Bezirkstagspräsident Thomas Schwarzenberger. Der „Kampf um die Demokratie“ dürfe nie enden. Stellvertretend für die über 500 Patienten, die in Attl und Gabersee während der Zeit des Nationalsozialismus umgebracht wurden, stellte Schwarzenberger das Schicksal von Therese Mühlberger vor, deren Enkeltochter sich im Publikum befand. „Sie wurde 1898 in Reit im Winkl geboren und war als Hebamme tätig. Aufgrund einer psychischen Erkrankung kam sie nach Gabersee und wurde am 7. November 1940, zusammen mit 139 anderen Patienten, nach Linz und von dort aus nach Hartheim deportiert“, berichtete Schwarzenberger. „Sie starb mit nur 42 Jahren und hinterließ ihren Ehemann und eine Tochter in Ungewissheit.“ So sei es vielen Verwandten ergangen. „Sie haben nie erfahren, was mit ihren Angehörigen geschehen ist.“ Die systematische Tötung der Nazis führt uns „die Dimensionen dieser Verbrechen vor Augen“. Viele Täter seien nie zur Rechenschaft gezogen worden, hätten später ihre Berufe weiter ausgeführt.

Bezirkstagspräsident Thomas Schwarzenberger bei seiner Ansprache.

Einen anderen Blickwinkel brachte Professor Dr. Zwanzger ein: „Ich stehe hier als Arzt und Direktor eines psychiatrischen Klinikums“, begann er seine Ansprache. Die Patienten hätten „im dunkelsten Kapitel der deutschen Psychiatrie-Geschichte“ keine Hilfe bekommen, sondern seien „missbraucht, misshandelt und ermordet“ worden. „Es ist und bleibt erschütternd“, so der Ärztliche Direktor. Er endete mit einem Zitat des jüdischen Schriftstellers und Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel: „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, es ist Gleichgültigkeit.“ „Unser Auftrag ist es, die Opfer zu ehren. Das wurde ihnen damals verwehrt“, unterstrich Professor Zwanzger. Sein Kollege, Dr. Karsten Jens Adamski, Geschäftsführer des kbo-Inn-Salzach-Klinikums, ergänzte: „Als Mitarbeiter dieser Klinik beschämt es mich zutiefst, was hier damals geschehen ist. Es ist unfassbar. Das Leid der Betroffenen ist unvorstellbar“, betonte er. „Das dürfen wir nie vergessen, das schulden wir den Opfern“, so Adamski.

Geschäftsführer des kbo-Innsalzach-Klinikums, Dr. Karsten Jens Adamski, bei seiner Ansprache.
Ärztlicher Direktor des kbo-Innsalzach-Klinikums, Prof. Dr. med. Peter Zwanzger, bei seiner Ansprache.

Bedeutung der Erinnerungskultur

Bürgermeister Michael Kölbl hob ebenfalls noch einmal die Bedeutung der Erinnerungskultur hervor. Die Befreiung des KZ Auschwitz jähre sich heuer zum 80. Mal, doch erst seit 1996 sei es ein offizieller Gedenktag, 2005 sei er von den Vereinten Nationen anerkannt worden, so der Bürgermeister. „Erinnerungsarbeit ist notwendig und wird es immer bleiben“, unterstrich er. „Erinnern, informieren, lernen, lehren, damit auseinandersetzen, mahnen“, zählte er auf. „Immer mehr nehmen wir rechtsextreme Tendenzen wahr, gerade auch in Deutschland“, so Kölbl. „Wasserburg betreibt seit mindestens 15 Jahren Erinnerungs- und Forschungsarbeit zu der Zeit im Nationalsozialismus.“ Seine Rede schloss er mit den Worten des jüdischen Kaufmanns Max Mannheimer: „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“

Wasserburgs Bürgermeister Michael Kölbl bei seiner Ansprache.

Nach den Ansprachen legten Knobloch und Adamski einen Kranz am Mahnmal nieder. Dort ist zu lesen: „Stufen in den Vernichtungstod: Vom 7. November 1940 bis 15. Januar 1944 traten 509 psychisch Kranke aus der Heil- und Pflegeanstalt Gabersee über solche Treppenstufen den Weg zu ihrem gewaltsamen Tod an.“ Nach einer Schweigeminute wurde die Veranstaltung aufgelöst, Knobloch machte sich kurz danach wieder auf den Weg – vermutlich zur nächsten Veranstaltung, erst tags zuvor war die Präsidentin noch in Berlin gewesen.

Pflegedirektorin, Kerstin Weinisch, und Geschäftsführer, Dr. Karsten Jens Adamski, legen am Mahnmal einen Kranz nieder.
Charlotte Knobloch steht vor dem Mahnmal auf dem kbo-Innsalzach-Klinikum und gedenkt der Opfer der Nationalsozialisten.

Die Veranstaltungsreihe im Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg

6. März, 16 Uhr (Bibliothek des kbo-Inn-Salzach-Klinikums): Vortrag „Die Heil- und Pflegeanstalt Gabersee in Zeiten des Nationalsozialismus“, Wolfgang Schmid, Leiter des Psychiatriemuseums Gabersee

21. Mai, 17 Uhr (Festsaal des kbo-Inn-Salzach-Klinikums): Vortrag und Podiumsdiskussion „Die Rolle der Psychiatrie in der Zeit des Nationalsozialismus“, Professsor Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPN), und Vorsitzender der DGPPN-Task-Force „Psychiatrie im Nationalsozialismus“.

2. Juni, 16 Uhr (Bibliothek des kbo-Inn-Salzach-Klinikums): Nikolaus Braun, Archivar des Bezirks Oberbayern

17. September, 16 Uhr (Bibliothek des kbo-Inn-Salzach-Klinikums): Mirjam Zadoff, Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München

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