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Die Innstadt unter dem Hakenkreuz

Wie die Nationalsozialisten Wasserburg vereinnahmten und Widerstand im Keim erstickten

Eine Straßenszene in der Ledererzeile zeigt die Hakenkreuz-Beflaggung in den 1930er Jahren. Die Nationalsozialisten hatten die Innstadt schnell unter Kontrolle, so eine Erkenntnis der Kulturwissenschaftlerin Juliane Günther, die im Auftrag der Stadt die Zeit des NS-Regimes erforscht.
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Eine Straßenszene in der Ledererzeile zeigt die Hakenkreuz-Beflaggung in den 1930er Jahren. Die Nationalsozialisten hatten die Innstadt schnell unter Kontrolle, so eine Erkenntnis der Kulturwissenschaftlerin Juliane Günther, die im Auftrag der Stadt die Zeit des NS-Regimes erforscht.

Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht in Deutschland übernahmen, begann auch in Wasserburg die Unterdrückung. Im Auftrag der Stadt forscht Kulturwissenschaftlerin Juliane Günther über die Innstadt unter dem Hakenkreuz. Jetzt berichtete sie erstmals über ihre Erkenntnisse.

Wasserburg – Wie veränderte sich das Leben in der Kleinstadt Wasserburg, als sich mit der Ernennung des Nationalsozialisten Adolf Hitler zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 die Machtverhältnisse in Deutschland drastisch veränderten? Diese Frage beantwortete die Kulturwissenschaftlerin Juliane Günther aus Ingolstadt nach einführenden Worten von Dritter Bürgermeisterin Edith Stürmlinger und dem Vorsitzenden des Heimatvereins, Peter Rink, in einem anschaulichen Überblick. Die Erinnerung an die rigorose Vereinnahmung der Innstadt durch den Nationalsozialismus wachzuhalten, war an diesem Abend ihr Hauptanliegen. Die Ergebnisse ihrer im Auftrag der Stadt Wasserburg geführten Recherche stießen im vollbesetzten Gimplkeller jedenfalls auf reges Interesse.

Sprach über ihre Erkenntnisse zur NS-Zeit in Wasserburg: Juliane Günther, Kulturwissenschaftlerin aus Ingolstadt.

Ämter in der Stadt Wasserburg schnell mit linientreuen Nationalsozialisten besetzt

Vor allem die Geschwindigkeit, mit der in der Stadt das Personal im Stadtrat, der Verwaltung, aber auch in den Vereinen bereits innerhalb des Jahres 1933 ausgetauscht und mit linientreuen Nationalsozialisten besetzt wurde, überraschte wohl so manchen Zuhörenden. Widerspruch wurde damals nicht geduldet, unverhohlen wurde gar mit Gewalt gedroht, sollten sich Bürgermeister und Magistrat nicht der neuen Linie beugen. Da half auch passiver Widerstand nicht viel, wurde doch die hiesige Bevölkerung in politischer Hinsicht deshalb zunächst noch als „“rückständig“ eingestuft, berichtete die Forscherin.

Als Beispiel für einen solchen versuchten Widerstand führte Günther die Forderung von SA-Mitgliedern an, nach der Ernennung Hitlers zum Reichkanzler am 3. März 1933 am Bezirksamt und am Rathaus Hakenkreuzfahnen aufzuziehen zu lassen. Da sich der Bezirksamtsvorstand weigerte, dies zu tun, sich sogar bei der Bayerischen Regierung rück zu versichern suchte, wurde gedroht, dass im Falle der weiteren Weigerung zur Durchsetzung der Forderung 200 auswärtige SA-Männer herangezogen würden. Schließlich habe man im Bezirksamt unter Protest zwar nachgegeben, in der Anweisung, nichts mehr gegen das Aufziehen der Fahnen zu unternehmen, aber zumindest das Wort Hakenkreuz provokativ mit ‚ck‘ geschrieben.

Auch das Vereinsleben systematisch vereinnahmt

In den weiteren Ausführungen, die mit Bildmaterial aus dem Stadtarchiv verdeutlicht waren, wurde aber auch die folgende systematische Vereinnahmung vom Vereinsleben, kirchlichen Bräuchen und Festivitäten herausgestellt. Dass sich die mit der schnellstmöglichen Etablierung diktatorischer Strukturen in der Stadt betrauten Akteure in vielen Situationen zwischen der eigenen Unsicherheit und einer, oft aus dieser erwachsenden Brutalität bewegten, wurde in mehreren Beispielen deutlich. Auch zeigte der Umgang mit als politisch unzuverlässig geltenden Stadtangestellten, die im besten Falle nur entlassen wurden und allen als Kommunisten Verdächtigten die Brutalität des Systems. Aber auch BVP- und SPD-Stadträte waren bald nicht mehr sicher in Wasserburg und wurden zum Teil nach Hausdurchsuchungen in „Schutzhaft“ genommen. Alles in allem zeichnete die Kulturwissenschaftlerin ein bedrückendes Bild von der sich zwischen 1933 und 1935 veränderten Stadtgesellschaft, in der Meinungsfreiheit und Kritik am Regime systematisch unterbunden wurden.

Heimatverein legt 2025 Schwerpunkt auf Erinnerungsarbeit

Das neue Jahresprogramm 2025 des Heimatvereins Wasserburg reicht in seiner Vielfalt zeitlich von der Spätantike bis zur NS- und Nachkriegszeit. Die Gedenk- und Erinnerungsarbeit nimmt 80 Jahre nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus entsprechend Raum ein. Informationen auf der Homepage des Vereins.

Man darf gespannt sein, was in der gesamten Studie über die Zeit des Nationalsozialismus in der Innstadt noch bekannt werden wird. Diese soll im Herbst veröffentlicht werden. Weitere Vortrags-, Diskussions- und Gedenkveranstaltungen werden im Verlauf des Jahres noch folgen, auch ist eine Ausstellung im Museum Wasserburg geplant.

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