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Bundesverdienstkreuz für besondere Frau

Sie kam im Viehwaggon und geht als „Herz“ von Bernau: Eine Gemeinde trauert um Hilde Wildfeuer

Hilde Wildfeuer aus Bernau ist verstorben.
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Hilde Wildfeuer aus Bernau ist verstorben.

Hilde Wildfeuer kam als junges Mädchen mit leeren Händen aus dem Sudetenland in den Chiemgau und wurde in Bernau als Gemeinderätin und Mitbegründerin der Bürgerhilfe zu einem „Herzen“ der Gemeinde. Jetzt ist die Bundesverdienstkreuzträgerin, die zahlreiche Schicksalsschläge wegstecken musste, im Alter von 92 Jahren verstorben.

Bernau - Zahlreiche Bernauerinnen und Bernauer, Verwandte, Freunde und Bekannte haben kürzlich in der Bernauer Pfarrkirche und auf dem Friedhof Abschied von Hilde Wildfeuer genommen. Sie verstarb im Alter von 92 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit im Caritas-Seniorenheim St. Josef in Prien. Der Kirchenchor unter der Leitung von Dr. Gernot Heinrich an der Orgel und die Alphornbläser Donat und Günter Frey sowie Franz Gnadl umrahmten die Trauerfeier und Beerdigung mit einfühlsamen, berührenden Klängen.

Bürgermeisterin Biebl-Daiber: „Außergewöhnliche Frau“

Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber würdigte die Verstorbene am Grab als „außergewöhnliche Frau“, die das Bernauer Gemeinwesen über Jahrzehnte hinweg geprägt habe. Sie habe sich mit Herz und Verstand für die Menschen in der Gemeinde eingesetzt. Die Bürgermeisterin hob die Leistungen und Verdienste von Hilde Wildfeuer hervor und ging auf ihre Tätigkeiten und Ämter ein.

So hat Hilde Wildfeuer von 1990 bis Januar 2001 im Gemeinderat verantwortungsvolle Aufgaben als Senioren- und Behindertenbeauftragte und als Mitglied des Bauausschusses übernommen. Dabei habe sie sich unermüdlich für die Belange der Schwächsten in der Gesellschaft eingesetzt und stets ein offenes Ohr für ihre Anliegen gezeigt, um für sie Verbesserungen zu erreichen, sagte Biebl-Daiber.

Bürgerhilfe mitgegründet

Bereits 1986 brachte sich Hilde Wildfeuer als Mitbegründerin der Ökumenischen Kranken- und Bürgerhilfe Bernau ein, einer Initiative, die bis heute Menschen in schwierigen Lebenslagen hilft. Die Verstorbene wirkte zudem zwölf Jahre im Pfarrgemeinderat und seit 1981 im katholischen Frauenbund mit, für den sie von 1985 bis 1998 als Vorsitzende tätig war. Anschließend war sie Ehrenmitglied.

Für ihre herausragenden Verdienste wurde Hilde Wildfeuer 2005 mit der Pflegemedaille des Bayerischen Sozialministeriums ausgezeichnet. 2009 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Ihr sei es immer um das Wohl der Menschen gegangen, betonte die Bürgermeisterin. Helene Seehauser vom KDFB Bernau-Hittenkirchen, der mit einer Fahnenabordnung anwesend war, betonte das Engagement von Hilde Wildfeuer im Frauenbund.

Während ihrer Zeit als Vorsitzende habe der Zweigverein einen hohen Mitgliederzuwachs erlebt und bis zu 280 Zugehörige gezählt. Auch Donat Frey vom Bernauer Kirchenchor dankte Hilde Wildfeuer für ihre engagierte Mitwirkung. Sie habe den Kirchenchor knapp vier Jahrzehnte, zuerst als Altistin und später bei den Tenören, mit ihrer Freude am Singen bereichert.

In weiteren Nachrufen zollten Franz Praßberger von der Bürgerhilfe Bernau und Rainer Wicha von der Sudetendeutschen Landsmannschaft Prien und Umgebung der Verstorbenen Anerkennung und Dank.

Tiefer Riss im Leben

Hilde Wildfeuer wurde am 8. November 1932 in der damaligen Tschechoslowakischen Republik im Sudetenland geboren. Abseits vom Dorf wuchs sie mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Anita in einer kleinen Landwirtschaft mit Gastwirtschaft auf. Einen tiefen Riss bekam ihr Leben, als Alois Mädler, der Vater der Fünfjährigen, am 16. September 1938 bei Schießereien im Rahmen des bevorstehenden Anschlusses des Sudetenlands auf seinem Fahrrad erschossen wurde.

Kurz darauf kam Adam Lenhardt als neuer Vater in die Familie und bald darauf Schwester Erika. Hilde besuchte in Haberspirk den Kindergarten und danach bis zum Ende des Krieges 1945 die Bürgerschule. Ebenfalls traumatisch waren für sie die Zeiten zwischen Kriegsende und Vertreibung, in denen die sogenannten Volksdeutschen zeitweise als vogelfrei galten.

Vertreibung als schlimmes Erlebnis

1946 musste sie mit 13 Jahren Hof, Hab und Gut zurücklassen. Sie wurde mit Mutter Adelheit und den Schwestern sowie wenigen Kilogramm Gepäck je Person vertrieben und zwangsweise nach Bayern ausgesiedelt. Immer wieder sagte sie, was es für ein Glück für sie war, nach Bayern gekommen zu sein. Spätere Besuche in ihrer alten Heimat vor und nach der Wende waren jedesmal emotional schwer bedrückend für sie.

Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt im Lager Dachau wurde Hilde mit der Familie mit dem Zug im Viehwaggon nach Traunstein geschickt und bei einem Bauern auf der Alm zwangseingewiesen. Die ersten Jahre waren äußerst hart. Hilde machte den einfachen Schulabschluss 1947 mit hervorragenden Noten und Beurteilungen und bedauerte, dass es ihr aufgrund der Umstände unmöglich war, eine höhere Schule zu besuchen, obwohl dies empfohlen worden war.

Jahrgangsbeste in München

Trotz dieser vielen Hürden in ihrem noch kurzen Leben schloss sie mit ihrer offenen, an allem interessierten und kommunikativen Art schnell Freundschaft mit einem gleichaltrigen Mädchen aus einem nahen Bauernhof, die ein Leben lang hielt. Kaum eingewöhnt in Siegsdorf, beschlossen Hildes Eltern, sie mit 17 Jahren nach München ins Heim zu schicken, um Schneiderin zu lernen. Die Lehre schloß sie als Jahrgangsbeste ab.

Sie kehrte nach Siegsdorf zurück, wo sie unter schwierigsten Bedingungen in einer Fabrik als Näheri narbeitete. Am 1. Mai 1953 lernte sie ihren späteren Mann, Georg Wildfeuer kennen, der ihretwegen die bereits genehmigte Auswanderung in die USA verfallen ließ. Die beiden gründeten eine Familie und heirateten. Schnell kamen die Kinder Georg, Hilde und Klaus. Bernau mit Hilde wurde ein beliebter Anlaufpunkt für die große Verwandtschaft.

Sohn von Geburt gelähmt

Aber wieder meinte es das Schicksal nicht allzu gut mit ihr, weil Sohn Georg von Geburt an gelähmt war und vor allem als Baby und Kleinkind einer besonderen Fürsorge bedurfte. Mit ihrer unerschütterlichen Mutterliebe hat sie dieses schwere Schicksal klaglos angenommen, auch wenn sie ihr Leben lang den Schmerz über seine Behinderung mitgetragen hat.

Ein letzter und endgültiger Ortswechsel war der Umzug nach Bernau am Chiemsee 1954, wo sie sich unter großen Entbehrungen, Arbeit und Fleiß – im Verbund mit ihrem Mann und der Hilfe der Kinder – den Traum eines eigenen Heims erfüllt hat. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie durch und durch Bernauerin. Zuerst waren es freundschaftliche Kontakte mit der Nachbarschaft, die sich im Laufe der Zeit dann bis über ganz Bernau ausdehnten.

Hilde Wildfeuer brachte sich auf vielfältige Weise in das Gemeindeleben ein: in den Kirchenchor ,Frauenbund, Gemeinde- und Pfarrgemeinderat. Sie gründete die Bürgerhilfe mit, gehörte der Frauen-Union und weiteren Vereinen an. Sie hat sich um Bernau sehr verdient gemacht. Ihre aufgeschlossene Art ,die Fähigkeit mit Menschen zu kommunizieren und ihr Engagement machten sie zu einer geschätzten Persönlichkeit.

Familie dankt Freunden und Helfern

Die Familie dankte im Gottesdienst all jenen, die Hilde Wildfeuer ein Leben lang freundschaftlich begleiteten und sie nicht vergessen haben, als sie körperlich weniger mobil wurde, ihre Sehkraft stark eingeschränkt war und sie die Schwerhörigkeit, die Taubheit in den Fingern und weitere gesundheitliche Probleme plagten. Sie hielten den Kontakt auch dann, als Hilde sich entschloss, den Winter nicht mehr im eigenen Haus zu verbringen, sondern geschützt und gepflegt im Caritas Heim in Prien.

Besonders hoben die Angehörigen die fürsorglichen Freunde und Nachbarn sowie die treuen Mitglieder des Kirchenchors und Frauenbunds hervor, die sie mit Rat und Tat unterstützten. Hilde Wildfeuer musste ein Leben lang gegen Widrigkeiten kämpfen. Sie besiegte zwei Mal den Krebs und hatte nach dem Tod ihres Mannes 2014 auch den Tod ihres Sohnes Georg 2016 zu verkraften. Im hohen Alter reichten die Kräfte nicht mehr, um auch den Bauchspeicheldrüsenkrebs zu besiegen.

Unterstützung und Hilfe gewährten das Team der SAPV Rosenheim, die Ärzte in Bernau und Prien sowie die Pflegekräfte von Hand aufs Herz in Bernau und im Heim St. Josef in Prien. Am 29. März schloss Hilde Wildfeuer für immer die Augen. Sie hinterlässt Tochter Hilde und Enkelin Marara mit David sowie Sohn Klaus mit seiner Frau Resi und Enkelin Julia mit Manuel. Eine besondere Freude war es für Hilde Wildfeuer, dass sie Urenkelin Marie noch sehen und erleben durfte.

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