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Antwort auf Bürgerfragen

Nach dem Hochwasser: Der Weißenbach muss verlegt werden – aber wie? Das sagen Experten

Der Weißenbach fließt unter der Autobahn A 8 hindurch.
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Zwischen Thal und Daxa (Gemeinde Frasdorf) fließt der Weißenbach unter Kreisstraße und Autobahn hindurch und kehrt wenige hundert Meter weiter wieder nach Süden zurück. Würde seine Verlegung den Hochwasserschutz von Achenmühle verbessern?

Jedes Unwetter spült in der Gemeinde Frasdorf immer wieder ein Thema an die Oberfläche: Könnte die Verlegung des Weißenbachs im Bereich zwischen Thal und Daxa den Hochwasserschutz verbessern? Wir haben die Experten vom Wasserwirtschaftsamt gefragt.

Frasdorf – Josef Stein aus Frasdorf-Leitenberg ist sich sicher: „Würde man den Weißenbach im Bereich Frasdorf/Daxa Mühle auf etwa 300 Metern südlich der Kreisstraße verlegen, würden künftig Überschwemmungen der A8 und der Kreisstraße Ro 5 vermieden.“ Aus Überzeugung kämpft er seit 2016 gegen Windmühlen.

Auf der Karte sieht man den Bereich zwischen Thal und Daxa in der Gemeinde Frasdorf, um den es geht: Der Weißenbach (Tauerner Graben) fließt unter Kreisstraße und Autobahn hindurch gen Norden und dann wenige Hundert Meter weiter wieder gen Süden zurück.

Wasserwirtschaftsamt hat Vorschlag geprüft

Die Windmühlen und in seinen Augen „überforderten Behörden und Fachleute“ haben seinen Vorschlag geprüft. Schon 2016. Sowohl die damalige Autobahndirektion Südbayern als auch das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim kamen zu dem Schluss: „Das Längsgefälle der nach Süden verlegten Gewässerstrecke von über drei Prozent würde viel zu groß werden.“ Konkret heißt das: Wollte man den Weißenbach – der in amtlichen Karten Tauerner Graben genannt wird – verlegen, müssten die Bachsohle und die Gewässerböschungen massiv mit Wasserbausteinen gesichert werden. Bei dem vorhandenen Gefälle müsste eine Höhendifferenz von 6,5 Metern überwunden werden.

44 Sohlabstürze auf 300 Metern

Damit Fische und andere Wasserbewohner Bäche durchwandern können, dürfen Sohlabstürze – so heißen die künstlich angelegten Schwellen im Gewässerbett – aber höchstens 15 Zentimeter hoch sein. Nach Adam Ries wären am Tauerner Graben dann auf einer Strecke von 300 Metern also 44 Sohlabstürze erforderlich, um das Gefälle zu überwinden. Die Wirtschaftlichkeit mal dahingestellt, brächte diese Maßnahme aber keinen Hochwasserschutzeffekt für die Unterlieger, denn: „Durch eine solche Gewässerverkürzung würde der naturnahe Gewässerabschnitt massiv verbaut und der Hochwasserabfluss in der stromabwärts liegenden Rohrdorfer Ache verschärft“, erklärt Thomas Brandner, Sachgebietsleiter für Wasserbau und Gewässerentwicklung beim Wasserwirtschaftsamt Rosenheim.

Rückhalteflächen direkt am Berg?

Auch ein weiterer Vorschlag von Josef Stein ist nicht umsetzbar: Retentionsflächen – also Rückhalteflächen – oberhalb des Weilers Thal. Dort rauscht der Tauerner Graben vom Samerberg hinab ins Tal und vereinigt sich mit Zuläufen aus dem Bereich Frasdorf. „Rentention ist immer sinnvoll. Aber die Topografie in diesem Bereich eignet sich nicht für Rückhalteflächen. Dort ist es einfach zu steil. Hier funktionieren Dämme und Retentionsbecken nicht“, erklärt Brandner.

Auf seinem Weg vom Samerberg ins Tal hat der Tauerner Graben Schaden angerichtet. „Erosionen, unterspülte und umgestürzte Bäume im Wald“, informiert Frasdorfs Bürgermeister Daniel Mair. In Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt und dem Gewässerunterhaltungszweckverband seien Waldbesitzer und Gemeinde dabei, die Schäden zu beseitigen. „Wir räumen den Bachlauf vom Holz, damit es künftig nicht zu Verklausungen kommt“, so Mair.

„Gesamte Fläche war natürlich versiegelt“

Nicht nur der Tauerner Graben fließt bergab in Richtung Achenmühle. Auch die Oberflächenwässer, also alle Niederschläge, die sich über die Landschaft ergießen. Am 3. Juni war die hydrologische Situation besonders: Es hatte seit Tagen geregnet. „Als sich die extreme Starkregenzelle über der Region ergoss, war die Speicherkapazität der Landschaft bereits erschöpft. Die gesamte Fläche war sozusagen natürlich versiegelt“, erklärt Dr. Tobias Hafner, der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim.

Das Gewerbegebiet am Ortseingang von Daxa. Das Foto zeigt das Gefälle der Kreisstraße, die aus Osten von Frasdorf kommend ins westlich gelegene Achenmühle führt.

Und so lag es auch nicht am Gewerbegebiet in Daxa, dass Achenmühle überschwemmt wurde, wie mit einem Fingerzeig gen Osten in Achenmühle kritisiert wird. „Für das Gewerbegebiet gibt es eine wasserrechtliche Erlaubnis“, macht Frasdorfs Bürgermeister Mair klar. Und das heißt: Die Vor-Ort-Versickerung der Oberflächenwässer oder ihre Einleitung in ein Gewässer sind genau berechnet und entsprechen der Norm.

Katastrophale Kombination der Natur

Dass Oberflächenwässer in solch extremen Unwettersituationen unkontrolliert abfließen und dem Gefälle folgen, liegt in der Natur der Dinge: Durch die Schwerkraft der Erde fließt Wasser von oben nach unten. Sind extreme Niederschläge örtlich begrenzt, verwandeln sich Oberflächenwässer in eine Sturzflut. Das hat die Region im Juli 2021 im Bereich der Irschenberger Gräben und jetzt von Bernau bis Bad Feilnbach erlebt: Am 3. Juni kam zum flächenhaften Oberflächenabfluss das Wildbachhochwasser hinzu. Eine katastrophale Kombination der Natur.

Die Kreisstraße zwischen Frasdorf und Achenmühle sowie das Gewerbegebiet in Daxa sind vom Unwetter verschont geblieben. Es war vor allem die Ausiedlung in Achenmühle, die die Kraft des Tauerner Grabens auf schmerzliche Weise zu spüren bekam. Und das nicht zum ersten Mal. „Wir haben nach der Überschwemmung von 2020 den Hochwasserschutz für Achenmühle mit Priorität behandelt, sofort mit den Vermessungen begonnen und auch die Informationen aus der Bürgerschaft bezüglich der Verklausungssituation im Jahr 2020 am Straßendurchlass einfließen lassen“, informiert Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim. „Auf dieser Basis wurde eine komplett neue Hydrologie für das Gesamteinzugsgebiet der Rohrdorfer Ache ermittelt, wurden neue Planungsvarianten und Ergebnisse mehrmals im Rohdorfer Gemeinderat vorgestellt und diskutiert.“

Viel Wasser aus steilem Einzugsgebiet

„Das Problem in diesem Bereich ist der Tauerner Graben, der aus dem steilen Einzugsgebiet der Hochries sehr viel Wasser bringt“, erklärt Projektleiter Jan Schäble. Er vereinigt sich in der Siedlung mit dem Schneiderbach zur Rohrdorfer Ache, welche durch Achenmühle nach Rohrdorf fließt.

Das eigentliche Nadelöhr ist der Durchlass unter der Frasdorfer Straße. „Die neuen Modellrechnungen zeigen: Auch ohne Verklausungen ist er zu eng“, erklärt Dr. Hadumar Roch. Dadurch breitet sich der Tauerner Graben bei Starkregen auf den Wiesen aus, überflutet die Frasdorfer Straße, wälzt sich durch die Austraßen-Siedlung und sucht sich seinen Weg zur Ache.

Das sind die Pläne für Achenmühle

Geplant ist eine Variante, die den Neubau der Straßenbrücke über den Tauerner Graben mit größerem Querschnitt inklusive einer provisorischen Behelfsumfahrung während der Bauzeit vorsieht. Zudem sollen der Gewässerverlauf optimiert und die Böschungen des Bachs aufgeweitet werden. „Das heißt, dass der Verlauf des Weißenbachs vor der Siedlung verlegt wird und der Zusammenfluss mit dem Schneiderbach hydraulisch verbessert wird“, erläutert Schäble.

Der Plan zeigt, wie der Tauerner Graben (Weißenbach) im Bereich von Achenmühle verlegt werden soll, um die Siedlung künftig vor Überschwemmungen zu schützen.

„Eine Planung muss technisch und rechtlich Hand und Fuß haben“

Baubeginn wird voraussichtlich 2026 sein. Warum es sechs Jahre dauert, ehe ein Projekt umgesetzt wird? Liegt das an den „überforderten Behörden“? Oder ist es eine Folge des Mitspracherechtes in einer Demokratie? „Politische Partizipation ist die Grundlage unserer demokratischen Gesellschaft“, erklärt Dr. Tobias Hafner. Und deshalb beginnt jedes Projekt mit der Beteiligung der lokalen Player. Auch im Verlauf eines Planungsverfahrens werden Kommunen, Bürger, Naturschutzbehörden, Straßenbaulastträger und viele andere Träger öffentlicher Belange regelmäßig eingebunden. „Eine Planung muss technisch und rechtlich Hand und Fuß haben“, betont Hafner.

Schnell und ungenau, das funktioniert nicht. Vor allem nicht im Hochwasserschutz: „Der Tauerner Graben und Achenmühle sind nur ein Baustein des Schutzsystems. Wir können oberstromig nicht etwas bauen, was die Unterlieger gefährdet“, macht Roch klar. Deshalb müsse immer das Gesamtsystem betrachtet, berechnet und aufeinander abgestimmt werden.

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