Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Klimawandel überholt Planungen

Hochwasserschutz-Konzept für Achenmühle fertig: Aber warum wird erst 2026 gebaut?

Das Nadelöhr in Achenmühle ist der Durchlass unter der Frasdorfer Straße.
+
Das Nadelöhr in Achenmühle ist der Durchlass unter der Frasdorfer Straße. Auch ohne Verklausungen ist er zu eng. Dadurch breitet sich der Weißbach bei Starkregen auf den Wiesen am Weißbachweg aus, überflutet die Frasdorfer Straße, wälzt sich durch die Austraßen-Siedlung und sucht sich seinen Weg zur Ache.

Der Hochwasserschutz für Achenmühle ist fertig – zumindest im Entwurf. Doch frühestens 2026 kann mit dem Baubeginn gerechnet werden. Warum die Mühlen auch bei Gefahr für Leib und Leben so langsam mahlen.

Rohrdorf – Achenmühle nach der Jahrhundertflut. Die Menschen sind erschöpft und entmutigt. Schon wieder hat sich eine Sturzflut aus Wasser und Schlamm durch die Austraßen-Siedlung gewälzt. Zum zweiten Mal in vier Jahren. Wieder hat das Wasser in der Siedlung tiefe Spuren hinterlassen, Bankette ausgeschürft, Kies und Geröll vor sich hergeschoben, Gärten, Keller und Garagen geflutet, Straßen unterspült, um dann im Schuss in die Rohrdorfer Ache zu stürzen.

Die Wassermassen wälzen sich über Wiesen und Straßen von Ost nach West durch die Austraßen-Siedlung, schürfen Bankette aus, schieben Kies und Geröll vor sich her, fluten Gärten, Keller und Garagen.

„Haben drei Stunden gekämpft“

„Wir haben mit der Feuerwehr drei Stunden lang gekämpft, aber dann wurde die Situation zu bedrohlich“, sagt Sergej Henke. Als Haus und Garage mit Sandsäcken nicht mehr zu sichern waren, ist auch er mit seiner Familie evakuiert worden. Noch in derselben Nacht durften sie zurück. „Zum Glück hatte ich die Garagentür zur Ache geöffnet. So konnten sich die Wassermassen durchs Grundstück wälzen und wurden nicht angestaut.“ Dennoch stand die braune Suppe aus Schlamm in Hof und Keller etwa 40 Zentimeter hoch.

Das Grundstück von Sergej Henke (rechts) kurz vor der Flutwelle und am Tag danach. Die Familie hat in der Nacht kein Auge zugetan, um Wasser abzupumpen und Schlamm zu schieben.

Achenmühle erlebt zwei Jahrhundertfluten in vier Jahren

Das Nadelöhr in Achenmühle ist der Durchlass unter der Frasdorfer Straße. Auch ohne Verklausungen ist er zu eng.
Das Nadelöhr in Achenmühle ist der Durchlass unter der Frasdorfer Straße. Auch ohne Verklausungen ist er zu eng.  © Gerlach
Durch den Rückstau am Straßendurchlass breitet sich der Weißbach bei Starkregen auf den Wiesen am Weißbachweg aus, überflutet die Frasdorfer Straße und wälzt sich durch die Austraßen-Siedlung.
Durch den Rückstau am Straßendurchlass breitet sich der Weißbach bei Starkregen auf den Wiesen am Weißbachweg aus, überflutet die Frasdorfer Straße und wälzt sich durch die Austraßen-Siedlung.  © Gerlach
Der Weißbach (rechts) vereinigt sich kurz vor der Siedlung mit dem Schneiderbach (links) zur Rohrdorfer Ache, die an der Siedlung vorbeifließt. Die Bachläufe im Bereich der Siedlung sind nicht das Problem. Die Überschwemmungen kommen von den Wiesen.
Der Weißbach (rechts) vereinigt sich kurz vor der Siedlung mit dem Schneiderbach (links) zur Rohrdorfer Ache, die an der Siedlung vorbeifließt. Die Bachläufe im Bereich der Siedlung sind nicht das Problem. Die Überschwemmungen kommen von den Wiesen.  © Gerlach
Die Wassermassen wälzten sich über Wiesen und Straßen von Ost nach West durch die Austraße, schürften Bankette aus, schoben Kies und Geröll vor sich her, fluteten Gärten, Keller und Garagen.
Die Wassermassen wälzten sich über Wiesen und Straßen von Ost nach West durch die Austraße, schürften Bankette aus, schoben Kies und Geröll vor sich her, fluteten Gärten, Keller und Garagen. © Gerlach
In diesem Bereich der Austraße suchte sich die Flut am Montag (3. Juni) ihren Weg zur Rohrdorfer Ache. Ihre Wucht unterspülte die Straße, zerstörte Untergrund und Deckschicht.
In diesem Bereich der Austraße suchte sich die Flut am Montag (3. Juni) ihren Weg zur Rohrdorfer Ache. Ihre Wucht unterspülte die Straße, zerstörte Untergrund und Deckschicht. © Henke / Gerlach
Auf ihrer „Schussfahrt“ zur Ache riss die Flut in der Austraße auch Teile eines Grundstücks mit.
Auf ihrer „Schussfahrt“ zur Ache riss die Flut in der Austraße auch Teile eines Grundstücks mit. © Henke/Gerlach
Aufräumarbeiten am Tag danach (4. Juni)
Aufräumarbeiten am Tag danach (4. Juni) © Gerlach
Diese Berechnungen des Wasserwirtschaftsamtes zeigen, wie sich der Weißbach (hell- und dunkelblaue Flächen“ auf den Wiesen und in der Austraßen-Siedlung ausbreitete.
Diese Berechnungen des Wasserwirtschaftsamtes zeigen, wie sich der Weißbach (hell- und dunkelblaue Flächen“ auf den Wiesen und in der Austraßen-Siedlung ausbreitete. © Wasserwirtschaftsamt Rosenheim

Wurde seit 2020 nichts gemacht?

Die Familie hat in der Katastrophennacht kein Auge zugemacht, den Keller ausgepumpt, den Schlamm weggekehrt, aufgeräumt. „Wir haben Glück gehabt. Das Wasser ist nicht bis in den Heizungsraum gekommen“, sagt Sergej. Trotzdem ist nach der Flut wieder viel Inventar reif für den Müll. Aufregung und Anstrengung sind auch nach Tagen noch groß. Und die Angst ist wieder da. Bei jedem Regen. Was Sergej Henke nicht versteht: „Warum werden wir nicht besser geschützt? Warum wurde in den letzten vier Jahren hier nichts gemacht?“

Planungen laufen seit vier Jahren

Doch die Auswirkungen des Klimawandels sind schneller als Planungsverfahren. „Wir haben nach der Überschwemmung von 2020 den Hochwasserschutz für Achenmühle mit Priorität behandelt, sofort mit den Vermessungen begonnen, die Erfahrungen der Anwohner einfließen lassen, Planungsvarianten und Ergebnisse mehrmals im Rohdorfer Gemeinderat vorgestellt und diskutiert“, informiert Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim. Doch Achenmühle ist nur ein Baustein des Schutzsystems: „Wir können am Oberstrom nicht etwas bauen, was die Unterlieger gefährdert“, macht Roch klar. Deshalb wurden Achenmühle, Rohrdorf und Thansau als Ganzes betrachtet.

Klimawandel ist noch nicht „verarbeitet“

Bis 2020 war die Austraßen-Siedlung in Achenmühle nicht als hochwassergefährdetes Gebiet bekannt. „Vielleicht auch, weil es an der Rohrdorfer Ache keine Pegel gibt“, vermutet Roch. Bis heute basieren auch die Naturgefahren-Karten des Bayernatlas auf Daten, die eine Überschwemmung in Achenmühle nur bei einem HQextrem vermuten. Das würde etwa dem 1,5-fachen eines HQ 100 entsprechen. Das gab es am 3. Juni glücklicherweise nicht. Dann hätte fast der gesamte Ort unter Wasser gestanden. „Die Grundlage solcher Berechnungen sind statistische Daten des Deutschen Wetterdienstes“, erklärt Roch. „Sie verändern sich mit dem Klimawandel und zwingen uns dazu, die Schutzmaßnahmen immer wieder neu zu überdenken.“

Der Begriff HQ setzt sich aus H für „Hochwasser“ und der Abfluss-Kennzahl „Q“ zusammen. Die Zahl dahinter gibt an, in wie vielen Jahren das Ereignis statistisch einmal vorkommt (Jährlichkeit). Das bedeutet, dass ein HQ100 statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist. Daher wird es als 100-jährliches Ereignis bezeichnet. Bei HQextrem gibt der Zusatz „extrem“ an, dass es sich dabei um ein Extremereignis handelt. Ein Extremereignis ist statistisch seltener als einmal in 100 Jahren zu erwarten.

Latente Hochwassergefahr ist bewiesen

Die latente Hochwassergefahr für die Austraßen-Siedlung wurde inzwischen mit hydrologischen Berechnungen des Wasserwirtschaftsamtes nachgewiesen. „Das Problem in diesem Bereich ist der Weißbach, der aus Daxa und Frasdorf sehr viel Wasser bringt“, erklärt Projektleiter Jan Schäble. Der Weißbach vereinigt sich kurz vor der Siedlung mit dem Schneiderbach zur Rohrdorfer Ache, die an der Siedlung vorbeifließt. „Doch die Bachläufe im Bereich der Siedlung sind nicht das Problem“, betont Schäble. Das liegt wenige hundert Meter weiter am Oberlauf des Weißbachs.

Das Überflutungsgebiet in Achenmühle wurde vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim neu berechnet. Der Entwurf für ein Hochwasserschutzprojekt ist fertig. Jetzt werden die Planungen ausgeschrieben. Mit der baulichen Umsetzung kann frühestens 2026 gerechnet werden.

Straßendurchlass ist das Nadelöhr

„Das eigentliche Nadelöhr ist der Durchlass unter der Frasdorfer Straße. Auch ohne Verklausungen ist er zu eng“, erklärt Hadumar Roch. Dadurch breitet sich der Weißbach bei Starkregen auf den Wiesen am Weißbachweg aus, überflutet die Frasdorfer Straße, wälzt sich durch die Austraßen-Siedlung und sucht sich seinen Weg zur Ache.

Neue Straßenbrücke, optimierter Bachlauf

Mehrere Schutzvarianten wurden hydrologisch berechnet. Die Entscheidung fiel für ein Projekt, das den Neubau der Straßenbrücke über den Weißbach mit größerem Querschnitt vorsieht. Im weiteren Verlauf sollen die Böschungen des Bachs aufgeweitet und der Gewässerverlauf optimiert werden. „Das heißt, dass der sehr kurvenreiche Verlauf des Weißbachs vor der Siedlung etwas begradigt und der Zusammenfluss mit dem Schneiderbach verbessert wird“, erläutert Schäble.

Vorentwurf ist fertig

Die Basisstudie wurde vom Freistaat Bayern befürwortet. „Der Vorentwurf für das Hochwasserschutzprojekt wurde von uns bei der Regierung von Oberbayern zur baufachlichen Prüfung eingereicht“, so Roch. „Mittlerweile haben wir grünes Licht.“ Jetzt können Angebote bei Ingenieurbüros eingeholt werden. Nach Submission und Auftragsvergabe kann die Genehmigungsplanung beginnen.

Grunderwerb für Hochwasserschutz

Parallel dazu bemüht sich die Gemeinde Rohrdorf um den Erwerb der erforderlichen Grundstücke, erfolgen naturschutzfachliche Kartierungen und anschließend das Wasserrechtsverfahren. „Ich denke, dass wir Ende 2025 eine wasserrechtliche Genehmigung haben und mit der Ausführungsplanung beginnen können“, umreißt Hadumar Roch den Zeitplan. Und wann ist Baubeginn? „Frühestens 2026. Alles andere wäre unrealistisch.“ Die Bauzeit dagegen ist verhältnismäßig kurz: „Höchstens ein Jahr“, schätzt Projektleiter Schäble.

Pläne für den Unterlauf

Flussabwärts der Rohrdorfer Ache wurden 2023 schon die Voraussetzungen für den Hochwasserschutz in Achenmühle geschaffen. „In Rohrdorf wurde der Deich saniert. Er ist standsicher und hat dem Hochwasser vom 3. Juni standgehalten“, so Roch. In Thansau ist die hydrologische Situation komplexer: „Dort sind mit Ache, Vorlandgräben und Bahngrabensystem drei Verantwortliche im Boot, dort kann es zudem zum Rückstau des Inn kommen“, erläutert Roch. Derzeit werden verschiedene Lösungen diskutiert, um Wasser aus dem Ort zurückzuhalten und beispielsweise die Baggerseen als Retentionsflächen (Ausbreitungs- oder Speicherflächen) zu nutzen.

1,3 Millionen Euro für Achenmühle

Die Gesamtkosten für das Projekt in Achenmühle werden auf etwa 1,3 Millionen Euro geschätzt. Zum Vergleich ordnet Dr. Tobias Hafner, der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes, die Summe in den Haushalt seines Amtes ein. „Grob haben wir jährlich vier Millionen Euro für den Wildbachbereich. Um unsere Schutzsysteme aufrechtzuerhalten und die etwa 12.000 Wildbachbauwerke in den Landkreisen Rosenheim und Miesbach instandzuhalten, brauchen wird pro Jahr etwa 2,5 Millionen Euro. Für den Neubau von Schutzanlagen haben wir dann circa 1,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung.“

Kommentare