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Vorerst letztes Kapitel im Hanna-Mordprozess

„Echte Gefahr für Rechtsstaat“: Wie Richterin Aßbichler mit Regina Rick ins Gericht geht

Den Auftritt Manfred Genditzkis und seiner Verteidigerin Regina Rick hat Richterin Jacqueline Aßbichler schwer kritisiert.
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„Posing“: Den Auftritt Manfred Genditzkis und seiner Verteidigerin Regina Rick hat Richterin Jacqueline Aßbichler schwer kritisiert.

Der Mordprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. ist zu Ende, der Angeklagte Sebastian T. wurde zu neun Jahren Haft verurteilt. Abschluss eines Prozesses, der in vielerlei Hinsicht im Gedächtnis bleibt. Auch wegen der Art, mit der die Richterin mit der Verteidigung ins Gericht ging.

Aschau/Traunstein – Ein letztes Mal knistert es während der Urteilsbegründung im Großen Saal des Landgerichts. Verteidigerin Regina Rick hat sich eben umgedreht, flüstert ihren Kollegen nun etwas zu. Richterin Jacqueline Aßbichler hält inne und wendet den Kopf nach links, in Richtung Rick. Sekunden vergehen. Aßbichler blickt stumm auf Rick. So lange, bis die den Blick im Rücken spürt und ihre Unterhaltung mit den Kollegen Baumgärtl und Frank abbricht. Noch zwei, drei Sekunden Pause, die Stille sackt in den Saal. Botschaft versandt. Botschaft verstanden? Aßbichler fährt in ihrem Vortrag fort.

Kleinkrieg im Landgericht Traunstein

Der Staat gegen Rick, Rick gegen den Staat: Das schien wie die Schattenverhandlung im Marathonprozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W. (23) in Aschau. Und so verkündete Jacqueline Aßbichler am Dienstag (19. März) nicht nur das Urteil gegen Sebastian T. – neun Jahre wegen Mord und Körperverletzung. Sie ging auch mit Rick ins Gericht.

Sie begann die Urteilsverkündung mit einem Zitat von Ferdinand von Schirach, darüber, wo über Schuld und Unschuld entschieden werde. Nicht im Fernsehen. Nicht auf der Straße. Nicht in sozialen Netzwerken. Sondern im Gericht. Das war deutlich. Es wurde deutlicher.

Richterin wird deutlich: „Unwürdiges Verhalten“

Regina Rick habe ein „eines Organs der Rechtspflege unwürdiges Verhalten“ gezeigt, sie habe „manipuliert“, sagte Aßbichler in ruhigem Ton. Die Anwältin habe immer wieder gegen die Strafprozessordnung verstoßen. Aßbichler sagte nicht „Rick“, sie sprach meist nicht von der „Verteidigung“. Sie sagte „Wahlverteidigerin“.

Und das war Regina Rick in diesem Prozess: Verteidigerin der Wahl der Familie des Angeklagten. Die hatte Regina Rick im November engagiert. Wohl weil Rick den vermeintlichen „Badewannen-Mörder“ Manfred Genditzki freibekommen hatte – nach 13 Jahren im Gefängnis. Dass Regina Rick an einem Verhandlungstag im Dezember Genditzki mit in den Großen Saal des Landgerichts Traunstein brachte, dass Genditzki neben der Familie des Angeklagten Sebastian T. Platz nahm: „reines Posing“. Nicht nur in den Augen von Jacqueline Aßbichler. Soko-Chef Hans-Peter Butz hatte von einer „Zirkusveranstaltung“ gesprochen. Auch von Nebelkerzen war öfter die Rede, bevorzugt, wenn Regina Rick Beweisanträge stellte.

Am Landgericht geht der Rauch auf

Immer wieder ging am Landgericht in den vergangenen vier Monaten der Rauch auf. Etwa, als die Verteidigung über die Vergehen des JVA-Zeugen referierte, um seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Die Akten hatte das Gericht lediglich im Selbstleseverfahren in die Verhandlung eingeführt – eben um die Persönlichkeitsrechte des Zeugen zu schützen. Dass es damit innerhalb von ein paar Minuten vorbei war, nannte Staatsanwalt Wolfgang Fiedler „schäbig und unmoralisch“.

Eine Strafanzeige mitten im Verfahren

Und in diesem Tenor ging es weiter, mit einer Strafanzeige als Höhepunkt. Nebenkläger-Anwalt Walter Holderle erstattete sie, im Namen der Eltern von Hanna. Weil Unterlagen und Lichtbilder der toten Tochter aus den Ermittlungsakten in fremde Hände gelangt waren, als Regina Rick Rat bei einem Hamburger Sachverständigen einholte, sei für Mutter und Vater die Grenze des Zumutbaren erreicht, sagte Holderle. Die wollten ohnehin keine „juristischen Scharmützel“, sondern Aufklärung.

Die Anzeige galt auch dem Umstand, dass die Münchner Anwältin die Medien gefüttert haben soll. Mit Details aus den Ermittlungsakten. Genauer: mit Auszügen der E-Mail-Korrespondenz zwischen Staatsanwalt Fiedler und Richterin Aßbichler. Damit habe die Verteidigerin ihren Befangenheitsantrag gegen die Richterin und ihre beiden Kollegen untermauern wollen. Abgelehnt wurde er zwar, aber dieses fundamentale Misstrauensvotum muss Jacqueline Aßbichler getroffen haben.

Aßbichler: Angst um den Rechtsstaat

Die Entwicklung der letzten Wochen sollten Sorge machen, sie sei für den „Rechtsstaat eine echte Gefahr“, sagte Aßbichler noch in der Begründung des Urteils. Auf die Richter sei Druck ausgeübt worden, die Wahlverteidigerin habe den Prozess auf die Straße getragen und nicht gezögert, einzelne Beamte der Polizei zu diffamieren.

Richterin Aßbichler sei emotional geworden, stellte Regina Rick hinterher, mit der Kritik könne sie leben. Und sie legte nach, nochmals zum Urteil als Gemeinschaftsprojekt. Immer wieder sei ihr vorgeworfen worden, den aktuellen Fall mit dem Fall Genditzki zu vergleichen. „Aber der ist natürlich genau vergleichbar“, sagte Rick nach dem Prozess. „Das ist jetzt meiner Meinung nach eine Verurteilung eines Unschuldigen, sehenden Auges unter freundlicher Mitwirkung der Kripo Rosenheim und der Münchner Rechtsmedizin.“

Nun muss der Bundesgerichtshof entscheiden

Wie erwartet hat die Verteidigung von Sebastian T. mittlerweile Revision beantragt. Darüber zu entscheiden haben wird der Bundesgerichtshof. Aßbichler hatte sich schon zuvor, in ihrer Urteilsbegründung, dazu geäußert. „Das ist nichts besonderes. Wir geben nun unsere Verantwortung ab, ans nächste Gericht.“ Sie sei überzeugt, dass sich die Medien nicht vor den falschen Karren spannen ließen. „Dann kann die Wahrheit auch nicht mit Füßen getreten werden“, schloss Aßbichler.

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