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„Solches Verfahren noch nie erlebt“

„Ganz klar falsch“ oder „gut und richtig“? Die Reaktionen auf das Urteil im Hanna-Mordprozess

Erleichterung, aber auch ablehnende Reaktionen löste das Urteil im Hanna-Mordprozess aus.
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Erleichterung, aber auch ablehnende Reaktionen löste das Urteil im Hanna-Mordprozess aus.

Das Urteil im Hanna-Mordprozess ist gefallen: Sebastian T. wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Reaktionen auf das Urteil könnten unterschiedlicher nicht sein. Und ein Rosenheimer Rechtsexperte erklärt, was die Urteilsbegründung derart bemerkenswert machte.

Aschau/Traunstein – 35 Tage, Dutzende von Zeugen und Gutachter, am Ende (19, März 2024) ein Urteil: Neun Jahre soll Sebastian T. für den Mord an Hanna W. hinter Gitter. Die Reaktionen darauf fallen höchst unterschiedlich aus.

Der Anwalt der Nebenklage, der Familie von Hanna W., Walter Holderle (links).

Walter Holderle, Anwalt von Hannas Eltern, über das Ende des Mordprozesses. „Die Eltern sind erleichtert, auch, weil das der Abschluss eines sehr aufwendigen Ermittlungsverfahrens war. Ansonsten ist zur Erleichterung natürlich auch tatsächlich wieder Trauer hinzugetreten. Also, ein Kapitel ist sicherlich abgeschlossen. Ein erster Haken hinter einer sehr schwierigen Zeit seit eineinhalb Jahren.“ Die angekündigte Revision sieht er gelassen. „Aus meiner Sicht ist das Urteil gut und auch richtig. Und wenn ich der BGH wäre, hätte der Antrag keine Aussicht auf Erfolg. Was der BGH entscheidet, müssen wir abwarten.“ Auch für ihn war es ein besonderer Prozess: „Ich verteidige jetzt seit über 35 Jahren. Ich habe solche Verfahren auch noch nicht erlebt.“

Der Mordfall Hanna aus Aschau im Chiemgau: Soko-Leiter Hans-Peter Butz bei seinem Auftritt in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ am 9. November 2022

Hans-Peter Butz, Leiter der Soko „Club“, über das Ende des Marathonprozesses und die Anspannung der Ermittler: „Es waren ja nicht nur die fünf Monate, sondern im Grunde sind es insgesamt eineinhalb Jahre. Ich erinnere mich an den ersten Tag, als wir die Ermittlungen aufgenommen haben. Bis heute war es schon eine lange Wegstrecke, die wir zurückgelegt haben. Und es war schon eine sehr, sehr anstrengende Zeit. In 39 Dienstjahren war das die schwierigste Ermittlung, die ich geführt habe. Von daher brauche ich, glaube ich, jetzt nochmal ein bisschen, um das Ganze einzusortieren. Und wahrscheinlich brauche ich auch noch ein paar Tage, bis die Anspannung abfällt.“

Rechtsanwalt Harald Baumgärtl..

Harald Baumgärtl, Pflichtverteidiger von Sebastian T. über das Urteil: „Wir haben ja aufgrund des E-Mail Verkehrs (zwischen Richterin Aßbichler und Staatsanwalt Fiedler, Anmerkung der Redaktion) ja schon die Richtung gewusst. Man hat gemerkt, in welche Richtung das Gericht gehen wird, so dass also das heutige Urteil nicht überraschend ist.“ Man werde in Revision gehen, kündigte er an: „Es ist ja nichts Ungewöhnliches, dass in Schwurgerichtsverfahren das Urteil überprüft werden wird, und das ist natürlich gerade in diesem Verfahren notwendig, dass der Bundesgerichtshof sich die Sache ansieht und überprüft, ob das Urteil rechtsstaatlich zustande gekommen ist.“

Verteidiger Markus Frank (rechts im Bild).

Dr. Markus Frank, zweiter Pflichtverteidiger neben Harald Baumgärtl äußerte sich zum harten Tadel seitens Richterin Aßbichler: „Na ja, es gab durchaus erhebliche Kritik des Gerichts an der Verteidigung. Das muss man schon sagen. Nichtsdestotrotz ist es die Aufgabe der Verteidigung zu verteidigen.“

Oberstaatsanwalt Gunther Scharbert, Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, sprach gegenüber dem OVB von einem „sehr aufwendigen und äußerst umfangreichen“ Verfahren. Er äußert sich zufrieden, dass das Gericht nahezu der gleichen Auffassung wie die Staatsanwaltschaft sei, auch wenn es die Tat als spontan und nicht geplant ansieht. „Das Gericht hat, glaube ich, sehr gut begründet, wieso es zu dieser Auffassung kommt.“ Die von Jacqueline Aßbichler geäußerte Kritik an der Verteidigung sieht er gelassen. Das Gericht habe deutlich gemacht, dass es unter den Verteidigern unterscheide. „Dass Prozesse manchmal auch sehr konträr ablaufen und der Ton manchmal auch sehr scharf ist, kommt vor. Es geht ja auch einiges.“

Anwältin Regina Rick lehnt das Urteil ab.

Regina Rick, Wahlverteidigerin von Sebastian T., lehnt das Urteil ab. „Es war nicht unerwartet, aber es ist falsch, ganz klar falsch, und in der Urteilsbegründung haben wir auch gesehen, dass alles weggelassen wurde, was problematisch gewesen wäre.“ Man werde auf jeden Fall Rechtsmittel einlegen. „Natürlich gehen wir in Revision, dieses Urteil ist falsch. Ich bin überzeugt davon, dass mein Mandant mit dem Tod von Hanna überhaupt nichts zu tun hat.“

Rechtsanwalt Peter Dürr über den Aschauer Mordprozess am Landgericht Traunstein.

Dass der Angeklagte schuldig gesprochen würde, davon war offensichtlich auch Peter Dürr ausgegangen, Vorsitzender des Anwaltsvereins Rosenheim und Vorstandsmitglied der Anwaltskammer München. „Wenn man den Strafrahmen kennt, die Maximalstrafe sind ja zehn Jahre Jugendstrafe, dann ist das Gericht hier durchaus nach oben gegangen, allerdings doch etwas unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft.“ Für ihn als Beobachter bot der letzte Prozesstag einige Überraschungen. „Von einer Gefahr für den Rechtsstaat zu reden – also die mündliche Urteilsbegründung war bemerkenswert. Die Vorsitzende hat ja mit einem Zitat von Herrn von Schirach begonnen, das erlebt man nicht in jeder Urteilsbegründung. Wir haben dann viel Verteidiger-Schelte erlebt, wir haben einen Appell an die Medien mitbekommen, und dass die Vorsitzende Richterin während der Urteilsbegründung auch noch einen Meterstab auspackt, ist auch ein Novum.“

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